Täglich TDI!

Mach mal ne Pause von dem Elektrozeug! Was haben Batteriechemie oder Hybridstrategie mit dem Autoalltag zu tun? Wenig. Für die meisten Menschen ist Ladeleistung das, was in den Kofferraum passt. Ich folge also meinem schlechten Journalistengewissen und fahre zum Speicher am Kaufhauskanal in Hamburg-Harburg. Dort hat Volkswagen 18 aktuelle Modelle zum Ausprobieren für die Presse bereitgestellt. 13 davon haben einen TDI-Motor. Mein Ziel: Erspüren, was sich abseits der Messeneuheiten tut. An der Basis im wahren Leben.

Den Anfang macht ein Tiguan 2.0 TDI mit 176 kW (240 PS), der ab 42.700 Euro zu haben ist. Deutschlands beliebtestes SUV begrüßt mich nagelnd, denn offenbar hat vor mir niemand an diesem Tag den Wagen bewegt. Bin ich ungerecht und mäkele, weil ich gerade aus einem Lexus RX450h umsteige? Wahrscheinlich ja. Dennoch bleibt auch eine halbe Stunde später auf der Autobahn der raue Eindruck, den ein Selbstzünder niemals ablegen kann. Top dagegen: Der immense Bums. Den brauche ich zwar nicht, zumal die A1 Richtung Bremen dicht befahren ist. Aber für einen kurzen Augenblick macht es doch Spaß, die Kraft abzurufen. Wenn ich den Tiguan kaufen würde, wäre mir eine schwächere Motorisierung genug. So wie den meisten Kunden.

Positiv fiel der Spurhalteassistent auf. Hier lässt sich mit jedem Modelljahr und jedem neuen Fahrzeugtyp ein Fortschritt feststellen. Kein nerviges Lenkradzerren, keine Fehlfunktionen. Lane Assist verhindert einfach durch sanftes Gegenlenken, dass ich aus der Spur gerate. Wer überzeugt ist, dass ihm das nicht passieren kann und dieses System darum überflüssig ist, möge einen Blick auf andere Verkehrsteilnehmer werfen – einige machen einen abgelenkten Eindruck.

Der Verbrauch auf der Route, die ich selbst wähle und durch die Stadt über Zubringerstraßen auf die Autobahn und wieder zum Start zurückführt, liegt bei 6,8 Litern Diesel und damit kaum überm Normwert von 6,4 Litern. Ich bleibe mit den kommenden drei Autos auf dieser Strecke, um so etwas Ähnliches wie Vergleichbarkeit herzustellen.

Runter vom hohen Tiguan-Ross, rein in den Touran 1.6 TDI mit 85 kW (115 PS), der mit mindestens 26.625 Euro in der Preisliste steht. Endlich Vernunft. Eine echte Empfehlung, dieser Touran. Und schön, dass Volkswagen einen Testwagen in einer wirklichkeitsnahen Ausstattung („Allstar“) bereitstellt. Kein Firlefanz, keine breiten Schluffen. Es ist wohltuend, diesen Touran zu lenken. Er fährt sich leicht in jeder Hinsicht. Der Arbeitsaufwand am Steuer ist gering, die Rückmeldung von der Straße präzise, und gleichzeitig ist dieses praktische Auto sehr komfortabel.

Was ich mir gewünscht hätte, wäre die Ausfahrt im 1.2 TSI. Zum einen, weil in dieser Fahrzeug- und Gewichtsklasse irgendwo die betriebswirtschaftliche Grenzlinie zwischen Benzin- und Dieselmotor verläuft. Zum anderen, weil ich keinen TDI ohne SCR-Abgasreinigung kaufen würde. Und es bleibt dabei, die Laufkultur des TSI wäre mutmaßlich deutlich besser. Immerhin stimmt der Verbrauch beim TDI: 5,3 Liter (NEFZ: 4,6 l) sind das, was man in diesem Segment zu erwarten hat.

Ich wechsele in meinen Liebling des Tages, den Up TSI mit 66 kW (90 PS). Ab 12.350 Euro, mit Panorama-Schiebedach (905 Euro) und 16-Zoll-Felgen. Der Up gefällt mir, weil er so agil ist und weil er im Verkehrsgeschehen in und um Hamburg eine Erholung ist. Das hat zuerst mit seiner geringen Größe zu tun. Warum werden selbst Autos der Kompaktklasse immer breiter? Fällt nur mir auf, dass die begehrten SUVs unübersichtlicher als ihr Ruf und darum mühseliger zu fahren sind? Der Up wuselt herum, er fährt sich direkt und mit klarer Ansage: Moin Digger, lass uns aufn Kiez fahren, zum Supermarkt oder nach Berlin.

Eine Enttäuschung ist der TSI, der im Golf eine gute Figur macht. Im Up wirkt er fast rüpelhaft, und der Leistungszuwachs gegenüber dem Saugmotor mit 55 kW (75 PS) ist zwar vorhanden, aber nicht so wirksam wie erhofft. Der Verbrauch: 5,3 Liter (NEFZ: 4,4 l) Superbenzin.

Ich würde den 1.0 ohne Turbolader wählen. Oder den e-Up, den ich bei der Volkswagen Kommunikation als Testwagen angefragt habe und auf den ich warte – da fällt mir mein guter Vorsatz ein, heute auf die Rede vom Strom zu verzichten.

Zu guter Letzt entere ich den Touareg 3.0 V6 TDI mit 193 kW (262 PS), der in der „Terrain Tech“-Version ab 59.400 Euro im Konfigurator steht. Sollten Sie in irgendeiner Zeitung lesen, dass der Tiguan dem Touareg Konkurrenz macht: es stimmt nicht. Nach Raumangebot in Zentimetern mag die Rechnung ungefähr korrekt sein. Aber das ist so wie der ewige Vergleich zwischen Skoda Superb Kombi und Mercedes E-Klasse T-Modell. Es gibt eben doch einen Unterschied.

Der Touareg ist in jeder Hinsicht mindestens eine Klasse höher als der Tiguan angesiedelt, in der Region der schweren und hochwertigen SUVs vom Schlag eines BMW X5 oder Mercedes GLE. Zwar merke ich ihm die Jahre – er ist seit 2010 auf dem Markt – an der Bedienlogik an. Auf der Straße ist er dennoch up to date.

Dazu trägt die 8-Gang-Automatik entscheidend bei. Was inzwischen aus der traditionellen Wandlertechnik geworden ist, macht mir Freude. Der Touareg schaltet viel sanfter als die Doppelkupplungsgetriebe. Jede Fahrstufe passt, und schnell eingelegt ist sie auch.

Der Verbrauch von 9,3 Litern Diesel ist in der Ü50.000-Euro-Region wahrscheinlich egal. Ich erinnere mich wiederum an den Lexus RX450h, der 8,8 Liter Benzin aus dem Tank nahm und insgesamt den harmonischeren Antriebsstrang hatte. Nur beim Fahrwerk ist der Volkswagen überlegen.

Habe ich jemanden vermisst auf Volkswagens Roadshow? Oh ja, den Golf. Dessen Facelift, fit gemacht mit Motoren für die Euro 6c-Norm, war eigentlich schon auf dem Genfer Autosalon im März erwartet worden. Ist das Dieselgate-Beben, das sich am 18. September jährt, die Ursache für die Verzögerung? Jedenfalls wird es bald einen neuen TSI-Motor im Golf geben: mit 1,5 Litern Hubraum, mit variabler Turbinengeometrie, 350 bar Einspritzdruck, Zylinderabschaltung und Miller-Brennverfahren.

Aufwändiger geht es nicht? Dann warten Sie halt auf das, was Volkswagen auf dem Pariser Autosalon als Batterie-elektrisches Fahrzeug präsentieren wird. Das ist deutlich simpler aufgebaut. Und der Preis des Akkus sinkt permanent und sinkt und sinkt. Ich kann offenbar doch noch nicht aufhören mit dem Elektrozeug.

Erschienen am 2. September bei heise Autos.

Bildquelle: Volkswagen

2 Gedanken zu „Täglich TDI!

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