Der Agilste

Beim BMW i3S werde ich subjektiv: Kein Batterie-elektrisches Auto bereitet mir so viel Freude am Fahren. Mit dem Zusatz S bekommt die Agilität einen weiteren Schub. Das liegt nicht an der von 125 auf 135 kW gestiegenen Motorleistung. Es ist die neue Traktionskontrolle, die mit einer 50-mal schnelleren Regelung aus engen Kurven oder bei nasser Straße eine abartige Beschleunigung ermöglicht. Zusätzlich führt die gegenüber dem Standardmodell um vier Zentimeter verbreiterte Spur zu einer insgesamt harmonischeren Fahrwerksabstimmung. Nur beim Preis von 41.150 Euro zucke ich zusammen: Abzüglich der E-Prämie von 4.280 Euro (bei Abgabe eines Altdiesels 7.140 Euro) bleiben mindestens 36.870 Euro.

Im Januar haben sich 359 Kunden für den i3 entschieden. 149 davon haben 4.600 Euro Aufpreis für den Range Extender bezahlt. Gut, dass der Testwagen ohne die Hilfsmaschine kam. Denn meine Empfehlung ist weiterhin: Sparen Sie das Geld oder investieren Sie es in andere Extras. Der Zweizylindermotor macht den i3 nicht zum Fernreiseauto, weil die Leistung von 25 kW zu gering und der Tank mit neun Litern zu klein ist. Erschwerend kommen 120 Kilogramm Gewicht hinzu, die dem i3 ein Stück seiner größten Stärke rauben: Seiner Leichtigkeit.

Das Konzept eines Kompaktautos mit einer Karosserie aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) bleibt einmalig. Das Purpose Design gefällt nicht jedem und ist trotzdem konsequent: Vorne ist das Raumgefühl äußerst großzügig, und die Auswahl der Materialien ist überzeugend und ästhetisch. Der Einstieg nach hinten ist bequem. Allein die Notwendigkeit, erst die vorderen Türen öffnen zu müssen um das Gleiche bei den hinteren tun zu können, hat sich als funktionelle Einschränkung herumgesprochen. Dennoch überzeugt das Package als Megacity Vehicle. So hieß die Studie von 2011, die einen Ausblick auf das Serienmodell des i3 von 2013 gab. Die Zulassungszahlen in Deutschland steigen seit dem Erscheinen jährlich an.

135 kW auf 1.340 kg

1.340 Kilogramm stehen im Fahrzeugschein des i3S; das Gewicht ist der EU-Vorgabe entsprechend inklusive 75 Kilogramm für Normfahrer und Gepäck zu verstehen. Und der E-Motor mit 135 kW (183 PS) Leistung und einem Drehmoment von 270 Nm treibt die Hinterräder an – im Fall des Testwagens mit 155er Winterreifen.

Das ließ mich vor der ersten Ausfahrt befürchten, es könne angesichts der Straßenverhältnisse und Temperaturen von bis minus acht Grad ein einziges Rutschen werden. Der erste massive Stromschub aber erzeugt eine Mischung aus Begeisterung und Fragezeichen: Wieso powert der i3S einfach nach vorne? Die Erinnerung an die Überschrift einer Pressemeldung führte zur Nachforschung. BMW hat, siehe Anfang dieses Textes, ein Traktionssystem eingeführt, dass die Berechnung direkt im Antrieb vornimmt und nicht in einem räumlich entfernten Steuergerät mit längeren Signalwegen. Die E-Maschine kann naturgemäß feiner und viel schneller reagieren als ein Verbrennungsmotor. Das fühlt sich im Alltag einfach gut an, zack, raus aus der Kurve, egal in welchem Radius. Spaß pur, der aus dem i3S den wahren Mini Cooper S werden lässt.

Auch die Neigung, in bestimmten Situationen über die Vorderräder zu schieben, ist kaum noch spürbar. Das ist mutmaßlich ebenso das Ergebnis der breiteren Spur wie das Verschwinden der latenten Nervosität des i3. Ein Komfortverlust ist dagegen nicht feststellbar. So soll es sein.

Zum Antrieb: Dass der i3S mit 135 kW (183 PS) auf 1.340 kg dynamischer ist als die Wettbewerber, liegt auf der Hand. Das ist wirklich eine eigene Liga. Natürlich beschleunigt ein Tesla Model S P100D härter als der i3S mit seinen 6,9 Sekunden im Standardspurt. Das Leben aber ist kein Drag Race. Im Vergleich zu anderen Fahrzeugen dieser Klasse wie dem Volkswagen e-Golf oder dem Nissan Leaf ist der i3S das schlicht sportlichere Auto.

Keine Schonung für den i3S

Die Batteriekapazität von 27,2 kWh (netto, also tatsächlich verfügbar) schränkt die Langstreckentauglichkeit allerdings ein. Zugegeben, ich hatte keine Lust auf einen dieser seltsamen Versuche, möglichst viele Kilometer zu schinden. Wer das möchte, kann das gerne tun. Ich habe nirgends an der elektrischen Energie gespart. Im Gegenteil. Das begann beim morgendlichen Vorheizen über die Connected App (nie wieder Scheibenkratzen), ging über die ungehemmte Nutzung der Sitzheizung bis zum kurzfristigen Auskosten der Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h.

Im Ergebnis pendelte der Stromverbrauch zwischen 17 (City nachts) und 23 Kilowattstunden (Autobahn flüssig) auf 100 Kilometer. Im Mittel zeigte der Bordcomputer 19,4 kWh an, woraus sich rechnerisch 140 km Reichweite ergeben. Das ist weniger als die „bis zu 200 km“, die BMW für den Alltag angibt, was mir wiederum egal ist. Ich weiß auch so, dass lange Autobahntouren dank des inzwischen funktionierenden Schnell-Ladenetzes möglich und dennoch mühsam sind. Die Verbrauchsstichprobe bei konstanten und per GPS-gemessenen 130 km/h lag bei 21,8 kWh / 100 km. Für die Fahrten in und um Hamburg, mithin Deutschlands zweitgrößte Stadt, oder an die Küsten von Nord- und Ostsee ist die Batteriekapazität reichlich eingeschenkt.

Dazu kommt, dass Hamburg flächendeckend mit AC- und DC-Säulen versorgt ist und Falschparker konsequent und unaufgefordert abgeschleppt werden. Ich räume ein, dass ich mich dabei ertappt habe, die Ladeplätze in begehrten Lagen faktisch zum Parken genutzt zu haben. Es ist bequem, nachts oder in der Innenstadt keinen Parkplatz suchen zu müssen, sondern den Wagen ans Stromnetz anzuschließen, auch wenn der Ladestand noch 38 Prozent beträgt. Opportunity Charging.

Pflichtextras Schnell-Ladefähigkeit und Wärmepumpe

Pflichtextra für alle Käufer ist in diesem Zusammenhang die Schnell-Ladeoption für 990 Euro. Erst damit kann der i3S an der DC-Säule 50 kW ziehen, und die Ladeleistung AC-seitig beträgt elf kW (dreiphasig). Angesichts der nicht allzu üppigen Gesamtkapazität ist das viel und macht das Leben leichter. Ach ja, und wegen der Flüssigkeitskühlung der Batterie lässt die Ladegeschwindigkeit auch bei anspruchsvollem Einsatz nicht nach.

Ebenfalls bestellt werden sollte die Wärmepumpe für 660 Euro, die bei niedrigen Temperaturen effizienter heizt. Alles andere ist BMW-typisch: Die Preisliste bietet etliche Optionen, die nach persönlichem Gusto und Geldbeutel geordert werden können. Für Firmen und Selbstständige zählt ohnehin nur die monatliche Leasingrate, und so kommen viele i3S bestimmt fully loaded aus dem Werk in Leipzig.

Mir gefällt der i3S nicht nur wegen seiner Agilität. Er zeigt auch, wie ein Batterie-elektrisches Auto einen Sinn ergibt: Mit möglichst geringem Ressourceneinsatz, mit Materialien aus dem Recycling und einer CFK-Karosserie, deren Fäden mit Strom aus Wasserkraft gesponnen werden. Bei BMW liegt der Anteil von Autos mit Ladestecker bei rund fünf Prozent. Hier ist mehr als nur ein Anfang gemacht. Die Antriebe diversifizieren sich, die Auswahl steigt. Der i3S ist die geile Lösung für alle, die Sport und Spaß wollen und die für die lange Fahrt einen anderen Untersatz haben.

Erschienen bei heise Autos am 21. Februar 2018

Bildquelle: BMW

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