3er BMW auf E

Zehn Sekunden purer Schub: Wer im BMW 330e den Sport-Knopf drückt, bekommt auf die 185 kW (252 PS) Systemleistung noch 30 kW (40 PS) oben drauf. Das Gaspedal reagiert auf kleinste Bewegungen: Jetzt sprintet der Plug-in-Hybrid unter den 3er BMWs giftig nach vorne, und der Soundgenerator moduliert das Geräusch des Vierzylinders auf Zorn. Das macht Spaß – und ist im Alltag eine Ausnahmefunktion. Interessanter für die Praxis ist, dass der BMW 330e einen besonders effizienten Plug-in-Hybridantrieb hat: Er verbraucht weniger Strom und Superbenzin als viele Wettbewerber und gehört damit zu den sinnvollen Vertretern dieser häufig kritisierten Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor.

Zuerst aber fällt auf, wie gut der BMW 330e optisch ankommt. Passanten drehen sich um, nicken oder zeigen den Daumen nach oben. Das könnte auch an der mattgrauen Lackierung und dem M-Paket des Pressefahrzeugs liegen. So oder so: Das Karosseriedesign ist gelungen, und es kaschiert auch, dass der 3er mit 4,71 Meter auf der einstmaligen Länge eines 5ers (E34) angekommen ist. In Zeiten, in denen SUVs zum Normalauto werden, gilt weiterhin die Bezeichnung Kompaktlimousine. Oder?

So oft das möglich war, wurde der 330e an öffentlichen Säulen aufgeladen. BMW gibt die elektrische Reichweite pflichtgemäß im NEFZ mit 59-66 Kilometern (km) an. Eine Anfrage beim Bundeswirtschaftsministerium, wann die Pkw-Energieverbrauchkennzeichnungsverordnung (EnVKV) endlich auf WLTP umgestellt wird, beantwortet die Behörde nicht: Ein Referentenentwurf werde „finalisiert“, und „demnächst“ würde die Ressortabstimmung beginnen. Die Novelle ist aber eigentlich seit dem 1. September 2018 notwendig, weil ab diesem Datum die Kfz-Steuer auf WLTP-Basis erhoben wird. Und versprochen wurde die überarbeitete Pkw-EnVKV bereits für Mai.

49 km elektrische Realreichweite

Die reale durchschnittliche Aktionsdistanz ohne Verbrennungsmotor betrug im Zweiwochentest 49 km. Maximal waren 53 km drin. Der niedrigste Wert von 41 km ergab sich an einem Morgen mit minus ein Grad Außentemperatur. Das Thermomanagement hat sich also gegenüber frühen Plug-in-Hybriden erheblich verbessert, zumal aus Sicherheits- und Komfortgründen nie auf die Klimatisierung verzichtet wurde. BMW gibt die Nettokapazität der Batterie mit 10,4 Kilowattstunden an (brutto: zwölf kWh), woraus sich ein hochgerechneter Stromverbrauch von rund 21 kWh / 100 km ergibt. Dazu addieren sich Ladeverluste von 17 Prozent, die vom Nutzer bezahlt werden müssen. Auch die üppige Mischbereifung (225er vorne, 255er hinten) konnte dieses für Plug-in-Hybride gute Ergebnis nicht verderben.

Der BMW 330 liegt damit ungefähr gleichauf mit einem zuvor gefahrenen Volkswagen Passat Variant GTE. Sobald die elektrische Energie erschöpft ist und der Hybridmodus mit seiner Mischung aus Vierzylindervortrieb, elektrischem Fahren und Rekuperation beginnt, steht der BMW besser da als der Wolfsburger: So verbrauchte der 330e bei Richtgeschwindigkeit (Tachoanzeige: 132 km/h) 6,3 Liter / 100 km, während der Passat GTE auf 7,2 Liter kam. Bei einer stichprobenartigen Autobahnetappe mit Tempomat auf 180 km/h nahm der BMW 9,1 Liter (VW: 12,1), wobei zweistellige Werte für jeden möglich sind, der glaubt, das wäre noch nicht schnell genug. Wahrscheinlich wird hier die sehr gute Aerodynamik des 3ers deutlich: Der cW-Wert beträgt 0,25 bei einer Stirnfläche von 2,22 Quadratmetern.

Der Minimalwert lag bei 5,7 Litern bei Stadt- und Überlandtouren – das zeigt, dass breite Reifen mit hohem Rollwiderstand und das Parallelhybridkonzept eben doch nicht ansatzweise mit den Rekorden der Toyota-Modelle mithalten können. Insgesamt lag der Durchschnittsverbrauch des BMW 330e bei 6,3 Litern. Anders als der Gesetzgeber mischt heise Autos die unterschiedlichen Antriebsarten nicht; alle Angaben beziehen sich also entweder nur auf den Stromverbrauch oder ausschließlich auf den hybridischen Betrieb mit Verbrennungsmotor. Nach gesetzlicher Norm liegt der so genannte kombinierte Verbrauch bei 1,9-1,6 Litern, was 43-37 Gramm CO2 pro Kilometer entspricht.

0,5 Prozent-Regel bei E-Kennzeichen

Diese Werte sind wichtig, weil der BMW 330e ein E-Kennzeichen hat und damit von der Reform der Dienstwagensteuer profitiert: Arbeitnehmer, die ein Firmenauto auch privat nutzen dürfen, müssen den geldwerten Vorteil normalerweise mit einem Prozent des Bruttolistenpreises pro Monat versteuern. Bei Autos mit E-Kennzeichen ist es nur die Hälfte. Ein massiver Anreiz, bei dem im Lauf des Jahres 2020 klar werden wird, wie sehr die Nachfrage nach Plug-in-Hybridfahrzeugen und Batterie-elektrischen Autos steigt, weil etliche Modelle erst dann verfügbar sind.

Der BMW 330e aber besteht aus mehr als einem komfortablen und leisen Antrieb. Er verkörpert die traditionellen Markenwerte. Fahrwerk, Lenkung, Bremsen, hier macht den Bayern keiner etwas vor. Die Präzision beim Fahren ist hoch, die Rückmeldung im Steuer ist erstklassig – nur das Gewicht von 1.815 Kilogramm macht den 330e behäbiger als andere 3er, was bei harter Gangart spürbar ist.

Wer sich für ein Auto mit Plug-in-Hybridantrieb interessiert, sollte sich ehrlich machen und fragen: Nutze ich den Ladestecker wirklich? Eine gute Voraussetzung dafür ist eine Wallbox zu Hause, am Arbeitsplatz oder an beiden Orten. heise Autos war auf die öffentliche Ladeinfrastruktur in Hamburg angewiesen, und hier zeigt sich über einen längeren Betrachtungszeitraum eine dynamische Entwicklung.

Lade-Infrastruktur an der Kapazitätsgrenze

Positiv zum Beispiel ist, dass die Charge Now-Identifikationskarte von BMW an sämtlichen Säulen im norddeutschen Testgebiet den Strom freigeschaltet hat. Ebenfalls gut ist, dass in der zweitgrößten Stadt Deutschlands ständig neue Standorte errichtet werden. Nur stößt diese Infrastruktur zunehmend an Grenzen.

In Hamburg riskieren Autofahrer, die mit einem Verbrenner einen Ladeplatz blockieren, nicht nur ein Ticket, sondern das teure Abschleppen. Vielleicht ist das der Grund, warum diese Form des Falschparkens weniger häufig zu finden ist als anderswo. Der Wohlstand in der Stadt ist aber so groß, dass immer mehr Pkw mit Ladestecker auf den Straßen fahren. Viele Batterie-elektrische Autos vom Renault Zoe bis zum Tesla Model X, und dazu etliche Plug-in-Hybride, gerne auch aus dem Hochpreissegment von der Art eines Volvo XC90 T8 oder eines Porsche Panamera. Kurz gesagt: Es wird eng. Manchmal ist erst an der dritten Säule – die übrigens verlässlich im Navigationssystem des 330e angezeigt wird – ein Platz frei. Es reicht gerade noch. Sollte die Elektromobilität jedoch aus der Nische kommen, ist ein weiterer massiver Ausbau der Ladeinfrastruktur notwendig.

Es gibt darum einen Konflikt zwischen den Besitzern Batterie-elektrischer Autos und denen von Plug-in-Hybriden. Die einen müssen Strom laden, die anderen können es. Ergibt sich daraus aber ein Vorrecht? Klar ist: Wenn die Infrastruktur ausschließlich den reinen Elektroautos zur Verfügung stehen würde, müssten die Plug-in-Hybride mit fossilen Kraftstoffen fahren, und genau das sollte eigentlich vermieden werden. Es bleibt also langfristig nur, auf jedem öffentlichen Parkplatz einen optionalen Wechselstrom-Ladepunkt zu installieren oder die eingeschränkte Nutzbarkeit von elektrifizierten Pkw hinzunehmen.

Feinschliff bei der Fahrautomatisierung

Zurück zum BMW 330e. Abseits der bekannten Qualitäten des 3ers sollen noch die Fortschritte bei der Fahrautomatisierung erwähnt werden: Das Wiederanfahren nach dem Stillstand im Stop and Go-Verkehr funktioniert fast immer, was ein wichtiger Komfortgewinn ist. Gut gelungen ist auch das Gegenlenken, wenn man auf der Autobahn unaufmerksam Richtung Seitenlinie driftet. Der BMW greift spät und exakt ein, was einige Übermüdete und etliche Smartphonespieler retten dürfte. Ein Abstrich ist die automatische Übernahme der Geschwindigkeitsbegrenzungen in den Tempomaten: Die arbeitet noch bei keinem Auto perfekt, und so auch nicht im 3er. Hier besteht Nachholbedarf mit dem Ziel einer höheren Verkehrssicherheit.

Der BMW 330e ist eine Empfehlung für alle Neugierigen, die einen im besten Sinn innovativen Antrieb wollen. Der Plug-in-Hybrid hat bei Bedarf Power satt, ist im Alltag geschmeidig und im Vergleich zu Konkurrenten effizienter. Dass er mit mindestens 51.550 Euro einen Preis hat, der weit über den Basisversionen des 3ers liegt, stimmt. Auch hier gilt: Im Wettbewerbsumfeld ist das keineswegs überzogen. Der BMW 330e überzeugt letztlich vor allem durch die Markentugenden: Der Begriff der Freude am Fahren klingt nach Old School, aber genauso ist es. Nur eben modern interpretiert.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

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