Opels hybrider Cruiser

Leise, bitte! Das künstliche Umgebungsgeräusch ist im Innenraum des Opel Grandland X Hybrid4 fast unhörbar. Eine angenehme Auslegung und eine sinnvolle, denn das AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System) soll die Menschen auf der Straße warnen und nicht den Komfort der Reisenden mindern. Das passt zum Grandland X mit Plug-in-Hybridantrieb: Der Fahrkomfort hat Priorität, und hier liegt die Stärke dieses Modells. Er ist mit 221 kW (300 PS) auch ziemlich kraftvoll. Der Preis des Allradlers: Ab 51.165 Euro; eine Summe, die sich durch die Kombination aus staatlicher Förderung und Unternehmensnachlass – dem so genannten Umweltbonus – auf 47.059 Euro reduziert.

Attraktiv sind Plug-in-Hybride vor allem für Selbstständige und Gewerbetreibende, weil sich die pauschale Versteuerung des geldwerten Vorteils der Privatnutzung halbiert. Im Pressetext redet Opel von Jägern, Seglern und „Birdwatchern“ als potenziellen Kunden. Wahrscheinlich werden die Käufer aber eher jene sein, die vom Fiskalnachlass profitieren, denn für Waldwege ist der Grandland X zu schade, für Yachten hat er mit 1.250 Kilogramm (kg) zu wenig Anhängelast, und Vogelkundler gehen zumindest im norddeutschen Deichvorland zu Fuß. Der Grandland X Hybrid4 konkurriert also schlicht mit beliebten Kompakt-SUVs wie dem Volkswagen Tiguan und dem Toyota RAV4. Von Tiguan und RAV4 sind Plug-in-Hybride angekündigt. Erhältlich ist er bei Opel.

43 km elektrische Praxisreichweite

Der Opel Grandland X Hybrid4 teilt die Plattform mit diversen Modellen aus dem PSA-Konzern; so steht unter anderem der Peugeot 3008 GT Hybrid4 auf der „EMP2“, die in Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen Dongfeng Motor entstand. Die Batteriezellen wiederum stammen von LG Chem, und die Nennkapazität liegt bei 13,2 Kilowattstunden (kWh). Genug für durchschnittlich 43 km rein elektrischer Realreichweite, wobei grundsätzlich nicht auf Annehmlichkeiten wie die Heizung verzichtet wurde. Außerdem lief der Testwagen auf Winterreifen; bei milderen Temperaturen als einstelligen Plusgraden ist also eine leichte Annäherung an die Werksangabe von 59 nach WLTP-Zyklus zu erwarten.

In der Praxis sorgt das Layout des Antriebsstrangs zeitweise für das Gefühl, ein Batterie-elektrisches Auto zu fahren: So lange Strom verfügbar ist, wird der Grandland X nämlich über die Hinterachse angetrieben. Also ohne Schaltrucke, maximal geschmeidig. Plug-in-Hybride, die dagegen keine Axle Split-Bauweise haben wie zum Beispiel der Volkswagen Passat GTE erzeugen im E-Betrieb je nach Getriebe unterschiedlich starke Schaltrucke. Das liegt daran, dass der richtige Gang eingelegt sein muss, falls der Verbrennungsmotor anspringt.

Sanfter Typ

Neben dem Elektromotor an der Hinterachse mit 83 kW (113 PS) für bis zu 135 km/h Geschwindigkeit hat der Opel Grandland X Hybrid4 einen weiteren an der Vorderachse. Er ist ins 8-Gang-Wandlerautomatikgetriebe integriert und leistet 81,2 kW (110 PS). Der Dritte im Verbund ist der Vierzylinder-Ottomotor mit 147 kW (200 PS); ein Turbodirekteinspritzer mit 1,6 Litern Hubraum.

Es ist üblich, dass die Leistungsdaten der einzelnen Motoren nicht addiert werden, sondern im System reduziert sind. Die 221 kW (300 PS) Gesamtleistung sind mehr als genug: Bei Bedarf hämmert der Opel in 6,1 Sekunden auf 100 km/h. Der Vierzylinder wird dann deutlich hörbar, und irgendwie passt das überhaupt nicht zum eher sanften Charakter dieses Autos. Man weiß, dass man kann, wenn es unbedingt mal sein muss. Beim Überholen auf der Bundesstraße oder beim Einfädeln auf der Autobahn. Ordentlich Schub.

Diesem Überfluss zum Trotz sollten Interessenten nicht auf den elektrischen Allradantrieb verzichten. Es gibt den Opel Grandland X Hybrid auch ohne die Ziffer 4. Dann ist er beim Bruttolistenpreis 6.500 Euro günstiger, aber es entfällt neben dem ruckfreien elektrischen Hinterradantrieb auch die Traktionsstärke des Hybrid4. Die Fahrleistungen gehen merklich zurück (8,9 Sekunden statt 6,1 Sekunden bis 100 km/h, 225 statt 235 km/h Maximaltempo), was eher gleichgültig ist, und der reine Fronttriebler ist etwas leichter (1.810 statt 1.875 kg). Nur die Geizigen unter den Wohlhabenden werden die 4 weglassen.

Arttypischer Stromverbrauch

Zum Verbrauch: Gemäß den gesetzlichen Vorgaben gibt Opel 1,3-1,4 Liter Superbenzin an, was 29-32 Gramm CO2 pro Kilometer entspricht. Es ist bekannt, dass diese Werte das Ergebnis einer Mischformel sind, die den verbrennungsmotorischen Verbrauch mit dem elektrischen Verbrauch anhand der Reichweite gewichtet. Anders formuliert: Das ist EU-Verfahren intransparent. Bei heise Autos sind darum alle Werte nach Antriebsart aufgeteilt und auf 100 km hochgerechnet.

In die Batterie konnten zwölf kWh nachgeladen werden, woraus sich bei 43 km Reichweite ein Verbrauch von knapp 28 kWh / 100 inklusive Ladeverlusten ergibt. Viel im Vergleich zu Batterie-elektrischen Fahrzeugen, und im Vergleich zu anderen Plug-in-Hybriden ein mittlerer Wert. Opel veröffentlicht nicht, wie sich die Nennkapazität von 13,2 kWh aufteilt, was als davon als Ladefenster freigegeben ist; es bleibt darum bei der Angabe inklusive Ladeverlusten. Das wiederum ist korrekt, weil auch die gesetzliche Vorgabe dieses Minus einbezieht und vom Besitzer bezahlt werden muss.

Anmerkung und Einschub: Das erweiterte einphasige Ladegerät mit 7,4 statt 3,7 kW Leistung kostet 500 Euro Aufpreis. Es lohnt sich nur für jene, die regelmäßig an öffentlichen Säulen laden, weil dort die Schieflast ignoriert wird, die zu Hause nur 4,6 kW zulassen würde. Dann ist die Batterie in gut zwei Stunden voll. Unverständlich ist, dass Opel nur ein Kabel bis zu einer Leistung von 1,8 kW mitliefert, also für die Haushaltssteckdose. Wer zu Hause lädt, sollte aus Sicherheitsgründen eine Wallbox installieren – für das dazugehörige Mode 3-Kabel stehen 250 Euro in der Preisliste.

Eingeschränkte Effizienz

Lediglich angemessener Durchschnitt sind auch die Verbrauchswerte im hybridischen Modus mit Verbrennungsmotor. Bei Richtgeschwindigkeit nahm der Opel Grandland X Hybrid4 8,4 Liter aus dem 43 Liter-Tank (andere Grandland X: 53 Liter). Das ist etwa so viel wie bei einer Stichprobe im Toyota RAV4, der allerdings länger ist und insgesamt mehr Platz bietet. Das Kofferraumvolumen des Japaners beträgt 580 Liter, das des Opels 390 l und damit 124 l weniger als bei den anderen Grandland X-Versionen.

Bei Tempomat auf 160 km/h lag der Verbrauch bei 11,2 Litern Superbenzin – man sollte also gut überlegen, wie viel man von der üppigen Motorleistung in Geschwindigkeit umsetzt. Dort, wo ein Hybridantrieb wegen der Bremsenergierückgewinnung seinen Vorteil besonders leicht ausspielt, nämlich im Stadtverkehr, ergab sich mit einem Minimalwert von 5,7 Litern ein brauchbarer, aber kein Rekordwert. Auf kurzen Strecken können es auch acht Liter sein. Im Überlandbetrieb waren 7,1 Liter ablesbar. Wer ausschließlich auf hybridische Effizienz Wert legt, sollte zum Klassiker von Toyota greifen.

Was die Fahrzeugklasse der Kompakt-SUVs so beliebt macht, ist die Kombination aus Komfort, Praxistauglichkeit und erhöhter Sitzposition. Der Opel Grandland X fügt sich hier perfekt ein. Der Plug-in-Hybridantrieb unterstreicht den Bequemlichkeitsaspekt nochmals, es lässt sich wunderbar und gemütlich Abhängen in diesem Opel. Die Ausstattungslinie Innovation ist die kleinste im Hybrid4 erhältliche, und sie ist umfangreich. Der Fahrersitz zum Beispiel ist serienmäßig von der „Aktion Gesunder Rücken“ zertifiziert, was unter anderem eine ausziehbare Oberschenkelauflage beinhaltet.

Komfortabel Cruisen

Die akustische Dämmung ist überdurchschnittlich gut. Fahrwerksgeräusche werden wirksam unterdrückt. Die Gesamtabstimmung wiederum ist nicht perfekt: Einerseits fährt der Grandland X Hybrid4 konsequent auf der weichen Welle. So sind sie, unsere SUVs: Eher wogend als stramm, dafür aber sanft. Die Dämpfung ist leider zeitweise etwas zu trocken, obwohl die 18-Zollräder mit einem 55er-Querschnitt zumindest einen kleinen Beitrag leisten sollten. Die Michelin-Winterreifen konnten in Verbindung mit der leichtgängigen Lenkung auch nicht durch höchste Präzision überzeugen; vielleicht hilft bereits der Wechsel auf gute Sommerpneus, um das abzustellen.

Insgesamt überwiegt beim Opel Grandland X Hybrid4 trotzdem der Eindruck eines komfortablen Cruisers, der einen gelungenen Einstieg in die Welt des elektrischen Fahrens bietet. Der Antriebsstrang ist ein Kraftpaket, und das Allradlayout sinnvoll und geschmeidig. Nur bei der Effizienz könnte und sollte er besser sein. Für die Kunden dürfte das zweitrangig sein – sie werden zum übergroßen Anteil selbstständig sein, das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und vom Steuervorteil profitieren. Der Rest ist ein entspannter Autoalltag.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

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