1 Million Kilometer Garantie

Toyota sorgt sich um den „Seelenfrieden“ seiner Kundinnen und Kunden. So zumindest begründet der Konzern, dass er ein Versprechen gibt, das für die Branche Folgen haben wird: Eine Million Kilometer oder zehn Jahre Garantie auf die Batterie des Lexus UX300e.

Die Neugier aufs Elektroauto steigt. Aber selbst aufgeschlossene Interessenten könnten sich sorgen, dass die Batterie des Autos nicht lange genug hält. Teuer, wie die ist, käme das einem wirtschaftlichen Totalschaden gleich. Diese Befürchtung versucht Toyota nun mit einem kühnen Versprechen zu zerstreuen: Die Käuferinnen eines Elektroautos sollen sich nicht vor Batterieverschleiß fürchten müssen. Offenbar will das japanische Unternehmen den eigenen Ruf als verlässlicher Hersteller festigen. Damit setzt es Maßstäbe, die die Konkurrenz nicht ignorieren kann. Aber ist das Versprechen realistisch?

Wenn Toyota für den Lexus eine Million Kilometer garantiert, ergeben sich bei einer vorläufigen Reichweitenangabe des UX300e von 400 Kilometer etwa 2.500 Ladezyklen. Das komplette Laden und Entladen ist ein voller Zyklus. Dass hochwertige Batteriezellen heute mindestens 2.000 Zyklen schaffen sollen, ist bekannt. Wenn Toyota noch etwas Spielraum nach oben sieht, kann das mehrere Gründe haben.

Die zweite denkbare Ursache für das Selbstbewusstsein beim Garantieversprechen wäre, dass Toyota eine neuartige Zellchemie einsetzt. Das ist nicht besonders wahrscheinlich. Toyota produziert – genau wie Tesla – seit Jahren in einem Joint Venture mit Panasonic Batteriezellen. Für das erste Batterie-elektrische Auto auf dem EU-Markt wird Toyota mit Sicherheit das Ziel verfolgen, dass die Qualität der Zellen bei hohen Stückzahlen und niedrigen Kosten gleichbleibend ist. Experimente mit einer unausgereiften und modifizierten Zellchemie sind darum nicht zu erwarten.

Vorsichtiges Batteriemanagement

Im Ergebnis ist der plausibelste Grund für die versprochene Haltbarkeit ein schonendes Batteriemanagement. Hier kann der Toyota-Konzern auf die Erfahrung mit über 15 Millionen verkauften Hybrid-Pkw zurückgreifen. Eine simple und wirksame Maßnahme, um die Lebensdauer zu erhöhen, ist zum Beispiel, den sogenannten Ladehub zu begrenzen. Vereinfacht gesagt kann von der theoretisch verfügbaren Batteriekapazität nur ein Teil genutzt werden. Während die Fahrerin den Eindruck hat, den elektrochemischen Speicher von 0 auf 100 Prozent zu laden, lädt sie in Wirklichkeit von 20 auf 80 Prozent. Das machen praktisch alle Autohersteller so.

Entsprechend sind auch alle anderen Parameter vorsichtig ausgelegt: Die Ladeleistung- und damit Geschwindigkeit beträgt beim Lexus UX300e „bis zu 50 Kilowatt“, was relativ wenig ist. Gleichzeitig ist das Temperaturmanagement konservativ: Die Batterie wird aktiv über die klimatisierte Innenraumluft gekühlt oder im Winter per Strom beheizt. Bei Wohlfühltemperatur halten die Zellen am längsten.

Inzwischen ist sich Toyota der Sache so sicher, dass man für den VW-Bus-Konkurrenten Proace Electric eine Million Kilometer Batteriegarantie über sogar 15 Jahre gibt. Die Wettbewerber werden nachziehen müssen – und arbeiten teils auch schon daran.

Warten auf den Tesla Battery Day

Volkswagen plant für das Elektroauto ID.3 lediglich 160.000 Kilometer Garantie über acht Jahre. Das ist branchenüblich. Beim Tesla Model 3 sind es auch acht Jahre und je nach Version 160.000 bis 192.000 Kilometer. Der kalifornische Vorreiter der Elektromobilität wird aber wohl bald nachlegen.

Im Juni steht der sogenannte Battery Day von Tesla an. Ähnlich wie bei Apple zu Steve Jobs‘ Zeiten inszeniert das Unternehmen besondere Ereignisse für die Community. Hierzu gehört die Vorstellung eines neuen Modells oder auch einer neuen Technologie. Wie sieht die kobaltfreie Batterie aus? Gibt es eine technische Revolution? Die Gerüchte verdichten sich, dass Gründer Elon Musk beim Battery Day eine Batterie vorstellen könnte, die bis zu einer Million Meilen (1,6 Millionen Kilometer) durchhält.

Wie will Tesla das schaffen? Entweder, das Unternehmen greift auf die umfangreiche eigene Erfahrung zurück und legt das Softwaremanagement entsprechend großzügiger aus. Die Stellparameter sind neben dem Ladehub die Ladegeschwindigkeit sowie das Temperaturmanagement. Hier hat Tesla sehr wahrscheinlich überall Sicherheitsreserven eingebaut. Mit der umfangreichen Erfahrung kennen sie die Zellen genauer und können überflüssige Sicherheitsreserven freigeben. Oder die unbestätigten Meldungen beziehen sich auf die für den chinesischen Markt vorgesehene Lithium-Eisen-Zellchemie (LFP): Diese braucht mehr Platz und hat darum weniger Reichweite. Aber dafür übersteht sie gut 10.000 Ladezyklen und benötigt nicht den Konfliktrohstoff Kobalt.

Der Haken mit der Restkapazität

An einer Batterie, die eine Million Meilen schafft, arbeitet laut Reuters auch General Motors. Man sei „fast so weit“, zitiert die Nachrichtenagentur eine nicht genannte Führungskraft. Es zeichnet sich also ein Trend in der Autoindustrie ab, bei dem die Hersteller den Kunden die Sorge abnehmen wollen, dass die Batterie versagt.

Wie immer, wenn sich etwas schön anhört, gibt es einen oder mehrere Haken. Toyota etwa verlangt, dass alle Wartungsarbeiten in einer Vertragswerkstatt erledigt werden. Das ist eine gute Nachricht für die Händler, die mit dem Neuwagenverkauf immer weniger verdienen und auf das Werkstattgeschäft angewiesen sind.

Noch gewichtiger ist, dass in den Garantiebedingungen aller Hersteller von Elektroautos ein gewisser Verschleiß inbegriffen ist: Meistens gilt die Batterie erst als defekt, wenn sie 70 Prozent ihrer Ausgangskapazität unterschritten hat. Das heißt nichts anderes, als dass ein modernes Elektroauto mit einer Reichweite von 400 Kilometer nur noch 280 Kilometer bis zum nächsten Zwangsstopp hat und trotzdem als völlig okay eingestuft wird. Das müssen die potenziellen Käufer wissen – oder es droht der große Frust auf der Langstrecke.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

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