E statt D

Ausatmen. Nach dem Abstellen lässt die adaptive Luftfederung des Porsche Panamera 4 E-Hybrid hörbar Druck ab. Einatmen. Wenn die Batterie vollgeladen ist, emittiert der Plug-In-Hybrid auf gut 40 Kilometern keine lokalen Abgase. Die Kunden greifen zu: Im Juni hatten 46 Prozent aller neu zugelassenen Panamera einen Ladestecker. Nur 19 Prozent wurden mit einem Dieselmotor ausgerüstet. Der Erfolg innerhalb der Baureihe ist kein Zufall. Zum einen sind die Qualitäten des Panamera 4 E-Hybrid an sich herausragend. Zum anderen ist auch in dieser Preisregion (ab 109.219 Euro) Geld nicht egal; der Diesel kostet fast 10.000 Euro mehr. Und wer außer den Fans der Traktoren aus den 50er Jahren möchte freiwillig einen Selbstzünder unter der Haube eines Porsches haben? Der Trend ist eindeutig: Das E wie elektrisch kommt, und der Plug-In-Panamera der zweiten Generation ist lediglich der Anfang.

Die Systemleistung des Antriebs liegt bei 340 kW (462 PS). Der Porsche kombiniert einen 2,9 Liter V6-Biturbo mit 243 kW (330 PS) sowie einen Elektromotor mit 100 kW (136 PS). Der Panamera ist als Parallelhybrid konstruiert, die E-Maschine sitzt also zwischen Verbrennungsmotor und dem 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe und wird über eine elektromagnetisch betätigte Trennkupplung zugeschaltet oder abgekoppelt.

Immer, wenn Strom in der Batterie (Kapazität: 14,1 kWh) ist, fährt der Panamera elektrisch. Der Fahrer kann dabei jederzeit auf Wunsch über das Drehrad am Lenkrad in den normalen Hybridmodus („H“, Ladestand bleibt erhalten), den Sportmodus („S“) oder den Sport-Plus-Modus („S+“, möglichst abseits öffentlicher Straßen) schalten. In Stellung S macht der Panamera beim Gaswegnehmen jenes Geräusch, das an Fehlzündungen erinnert und Anwohner stört.

Im E-Betrieb dagegen herrscht Ruhe. Anders als der Vorgänger – angeblich steht gerade das Exemplar von Udo Lindenberg zum Verkauf – springt der Verbrennungsmotor nicht leichtfertig an. Der Panamera 4 E-Hybrid läuft elektrisch, auch bei stärkerem Pedaldruck, und das bis 140 km/h. Die Beschleunigung gibt Porsche mit 5,7 Sekunden auf 60 km/h an, was subjektiv schnell genug ist, zumal die gesamte Testwoche von massiven Regenfällen und Staus geprägt war.

Irritierend für jeden, der ab und zu Batterie-elektrische Autos fährt, ist bei vielen Plug-In-Hybriden das Schalten des Getriebes im Strommodus. Das ist notwendig, damit sofort die richtige Welle eingelegt ist, falls der Verbrennungsmotor doch anspringt. Es zeigt aber, wo systembedingte Abstriche hingenommen werden müssen.

Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Plug-In-Antriebsstrang sehr gut zum Panamera passt. Das ist eine Sportlimousine, ein klassischer Gran Turismo, ein Auto, dass sowohl die kultivierte und leise Stadtfahrt beherrscht als auch die ganz schnelle Autobahnetappe.

Empfehlenswert: Hinterachslenkung

In der Stadt hilft übrigens die serienmäßige Luftfederung beim Einparken gegen drohende Bordsteine (Funktion „Lift“). Außerdem war der Testwagen mit der Hinterachslenkung ausgestattet (2046,80 Euro), die den Wendekreis spürbar verkleinert und sonst unmerklich funktioniert. Eine sinnvolle Option, denn die Außenmaße des Panamera sind raumgreifend: 5,05 Meter (Langversion Executive: 5,19 m) Länge und 2,17 Breite inklusive Außenspiegel wollen fein dirigiert sein, was angesichts der perfekten Lenkung leichtfällt. Überhaupt fällt auf, wie simpel, präzise und intuitiv der Porsche zu fahren ist, das ist fraglos eine Klasse für sich.

Zur elektrischen Reichweite: Die gibt Porsche im Datenblatt mit 25-51 km an. Im Fahrzeugschein stehen 45 km, was der Testrealität im Pendelverkehr (41 km entsprechend 34 kWh / 100 km) nahekommt. Der Minimalwert lag bei 32 km in grobem Regen und bei weitgehendem Stillstand nach einem Rohrbruch auf einer Hamburger Ausfallstraße.

Wenn die Energie im elektrochemischen Speicher erschöpft ist, springt der V6-Benzinmotor an. Er ist grundsätzlich hörbar abgestimmt. Im Hybridmodus wird der V6 selbst bei sehr hohen Geschwindigkeiten abgestellt; der Porsche segelt auch bei 170 km/h. Der Verbrauch – ohne die bei der Normangabe (2,5 Liter) geforderte Berücksichtigung des Stroms – lag im Durchschnitt bei 10,3 l. Angesichts des Gewichts (2,2 Tonnen) und der Reifen (hinten 315er) eine niedrige Zahl. Auf Überlandstraßen sank der Wert auf sieben Liter, auf der Autobahn stieg der Spritkonsum auf zwölf Liter an, und mehr geht natürlich immer, oder besser: wäre gegangen, denn Verkehrsstockungen und Wetter ließen dem Geschoss nur selten freien Lauf.

Wer den Porsche Panamera 4 E-Hybrid mit dem Messer zwischen den Zähnen bewegt, erlebt ein Auto, dass sich mit der Betonung auf dem Heckantrieb aus dem Stand wegdrückt, akustisch deutlich wahrnehmbar auf 100 km/h sprintet (4,6 Sekunden) und selbst weit über 130 km/h noch mit Macht nach vorne hämmert. Das Gefühl, aus dem Nichts nach vorne zu springen, wie es ein Tesla Model S tut (dazu gleich mehr), bleibt aus. Der Porsche braucht Drehzahl, um die Massenträgheit zu überwinden. Nein, der 4 E-Hybrid ist nicht übermotorisiert, sondern dem Anspruch der Marke angemessen.

Kein Vergleich? Porsche und Tesla

In Foren und Gesprächen von Mensch zu Mensch wird der Porsche Panamera 4 E-Hybrid oft mit dem Tesla Model S verglichen. Vergleichen bedeutet hier gerade nicht gleichsetzen, vielmehr ist es die Unterschiedlichkeit, die hier deutlich wird. Aus Sicht des Autors ist es unwahrscheinlich, dass jemand, der ein Batterie-elektrisches Fahrzeug haben will, den Porsche überhaupt in Betracht zieht. Und umgekehrt? Vielleicht werden sich einige Interessenten des Panamera den Tesla anschauen. Für den Tesla spricht das spontane Ansprechverhalten der leistungsstarken E-Motoren – wenn man das Auto allerdings abseits des Antriebsstrangs betrachtet, ist der Porsche in vieler Hinsicht weit überlegen. Fahrwerk, Lenkung, Komfort, Feinabstimmung, Verarbeitungsqualität, Detailarbeit. Es ist offensichtlich, dass das Model S, seit 2013 auf dem deutschen Markt erhältlich, nicht mithalten kann.

Und dennoch werden sich Porsche-Piloten fragen: Wie lange muss ich noch auf den elektrischen Schlag warten? Bis 2019, so die Prognose. Die Studie des Porsche Mission E, die wahrscheinlich auf der IAA weiter interpretiert wird, gibt einen Ausblick auf das, was ganz sicher kommt, weil es kommen muss: Yummie. Ein Leckerbissen, eine zukunftsfähige und viertürige Version das 928-Themas. Her damit – sonst laufen immer mehr internationale Kunden eben doch zu Tesla über.

Unterdessen diskutiert die E-Szene angeregt über die erste 350 kW-Ladesäule, die Porsche auf dem Gelände der Niederlassung Berlin-Adlershof errichtet hat. Zwei Fahrzeuge können hier gleichzeitig mit voller Leistung Strom ziehen, und die von der Porsche Engineering Group entwickelten Charger sind flüssigkeitsgekühlt bis in den Stecker und abwärtskompatibel.

Tschüss, Diesel – hallo, Strom

Genug zum Strom, zurück zum Panamera. Es macht Spaß, dieses fahraktive und zugleich luxuriöse Auto zu bewegen. E statt D, Plug-In-Hybrid statt Dieselmotor. Letzterer kostet im Panamera mindestens 118.977 Euro und damit fast 10.000 Euro mehr als der 4 E-Hybrid. Ja, der Selbstzünder ist ein V8, und wer diese Bauart im E-Hybrid haben will, muss zum gerade vorgestellten Turbo S E-Hybrid greifen: Der teuerste aller Panamera hat 500 kW (680 PS) Systemleistung und ist ab 185.736 Euro erhältlich. Der Testwagen von heise Autos, der mit sehr vielen Extras vom Nachtsichtassistenten (2332,40 Euro) bis zur Burmester-Soundanlage (6747,30 Euro) ausgestattet war, wirkt mit einem Bruttolistenpreis von 156.515,55 Euro fast wie ein Schnäppchen.

Aber auch bei den Porsche-Modellen, die für fünfstellige Preise zu haben sind, zeichnet sich eine Abkehr vom Dieselmotor ab: Beim beliebten SUV Macan sank der Anteil innerhalb der Baureihe (Bezugsmonat Juni) von 77 Prozent (2014) über 68 (2015) und 49 (2016) auf zuletzt 31 Prozent der Neuzulassungen.

Folgt man der Top-Down-Logik der deutschen Hersteller, könnte sich hier ein Massentrend abzeichnen. Vom Dieselmotor über den Plug-In-Hybrid zum Batterie-elektrischen Auto. Warten wir’s ab. Die Zukunft ist in ständiger Bewegung.

Erschienen am 2. August bei heise Autos.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

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