Parkroboter

Es ist ungewohnt, ein Auto ohne Fahrer zu sehen: Hier, in Gasse V des Parkhauses 4 am Airport Hamburg, experimentiert der Volkswagen Konzern mit autonom parkenden Fahrzeugen. Leise und langsam bewegt sich ein Passat GTE um die Kurven, durch die Gassen und bis zu einem leeren Stellplatz. Das Lenkrad dreht sich von selbst. Das Automatikgetriebe wechselt von Vorwärts- auf Rückwärtsfahrt bis zum Stopp des Motors. Währenddessen ist der Mensch bereits am Gate. Er war in einer Übergabezone ausgestiegen und hatte den Abstellwunsch über eine App ans Fahrzeug übermittelt. Tschüss, wir sehen uns in vier Tagen wieder. Und vielleicht liegt dann im Kofferraum die Bestellung aus dem Online-Versandhandel, oder die frisch gewaschenen Hemden hängen auf dem Bügel.

Die schöne neue Welt des autonomen Einparkens verspricht ein Komfortplus und eine Zeitersparnis. Statistisch dauert die Parkplatzsuche in Deutschland 41 Stunden pro Jahr. Bis der normale Autofahrer am Hamburg Airport oder sogar in der engen urbanen Wohnsiedlung keine Lebenszeit mehr verschwendet, wird es allerdings mindestens 2022 sein: Erst im neuen Jahrzehnt wird der Gesetzgeber die Voraussetzungen geschaffen haben, und bei der Sensortechnik will man redundante Sicherheit herstellen.

Wie ernst es dem Volkswagen Konzern ist, zeigt die Präsenz der Marken Porsche, Audi und Volkswagen inklusive deren Mitarbeitern am Airport Hamburg. Wirtschaftssenator Frank Horch ist auch gekommen, denn die zweitgrößte Stadt Deutschlands ist eine enge Partnerschaft mit dem Konzern eingegangen: Der elektrische On-demand-shuttle MOIA nimmt Ende 2018 seinen Touren auf. MAN wird 2019 autonome Lkw auf ausgewählten Autobahnteilstücken im Hafenhinterlandverkehr testen. Ebenfalls 2018 beginnt der Probebetrieb für die V2X-Kommunikation (Abkürzung für vehicle to x) zwischen Auto und Ampel. Die immer wiederkehrenden Schlagworte bei solchen Events fallen: Digitalisierung. Verkehrswende. Mobilitätskonzept.

Stationäre Laderoboter für E-Autos

Nach dem Passat GTE folgen ein Audi Q7 und ein Porsche Panamera E-Hybrid. Mühelos finden sie ihren Weg in der für Menschen vorerst gesperrten Zone. Interessantes Detail: Porsche zeigt in diesem Zusammenhang eine neue Version eines Kuka-Laderoboters. Er ist – anders als ein zuvor präsentiertes mobiles Exemplar, das die Steckerverbindung herstellt – stationär. Der Panamera muss also sehr präzise parken, damit der Roboterarm den Wechselstrom in die Batterie fließen lassen kann. Wenn der Akku voll ist, wird der Platz geräumt, und andere E-Autos können laden. Eine ähnliche Lösung („v-charge“) hatte Volkswagen heise Autos vor drei Jahren in Wolfsburg vorgeführt; damals noch mit einer induktiven Ladeplatte und auf einem Freigelände mit weitaus weniger Hindernissen als in einem engen Parkhaus.

Der Blick auf die technische Umsetzung des autonomen Parkens zeigt eine Mischung aus Bewährten sowie Entwicklungen, die kurz vor dem Serieneinsatz stehen. Ultraschallsensoren, Kameras und Radar können selbst in einem Polo bestellt werden. In der Oberklasse sind diese Sensoren Standard. Um maximale Zuverlässigkeit und Sicherheit zu erreichen, haben die Testwagen außerdem einen Laserscanner eingebaut. Diese erstellen extrem schnell ein zweidimensionales Umfeldbild. Wenn mehrere Laserscanner verwendet werden, ist die Darstellung der dritten Dimension möglich.

Neben diesen Elementen im Fahrzeug wurde das Parkhaus leicht modifiziert: So genannte Bildmarker geben den Autos eine Orientierung. Darüber hinaus wurde vorab eine interne Straßenkarte erfasst – ähnlich wie es beim Kartendienst HERE passiert. Grundsätzlich stehen die Ingenieure und ITler vor der Frage, wie sie das autonome Fahren zwischen zwei Polen auslegen: Entweder, der Pkw findet mit eigenen Sensoren den Weg und reagiert auf das Umfeld. Oder die Umgebung ist so genau registriert oder kommuniziert zusätzlich mit dem Auto, dass Radar, Laserscanner, Ultraschall und Kameras lediglich Rückfallebenen bieten.

„Bedingungslose Grundmobilität“

Johann „Jay Jay“ Jungwirth, der Chief Digital Officer des Konzerns, verdeutlicht, welche Probleme aus seiner Sicht noch bewältigt werden müssen: Das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr müsse dringend geändert und zukunftsfest gemacht werden. In der Folge könnten die UNECE-Regeln modifiziert und in nationales Recht umgesetzt werden. Kurz gesagt: Der Gesetzgeber muss den Rahmen fürs autonome Fahren schaffen. Nach Einschätzung von Jungwirth wird in Deutschland spätestens 2019 das bedingungsautomatisierte Fahren (Level 3) eingeführt. Mit einer weiteren Verzögerung von drei bis vier Jahren rechnet er mit der Genehmigung fürs autonome Fahren (Level 5).

Eigentlich ist Jay Jay aber der Mann, der die Visionen verkündet statt bürokratische Hindernisse zu beklagen. Und so nennt er ein Ziel, für dessen Erreichbarkeit das autonome Parken am Airport Hamburg einen Baustein liefert: Wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen geben könne, so Jungwirth, wäre auch eine bedingungslose Grundmobilität denkbar. Wer kein Geld für technische Mobilität habe, müsse zumindest kostenfrei zum Arzt oder dem Supermarkt gebracht werden. Ohne Fahrer, und dennoch mit dem Fahrzeug.

Erschienen am 16. April bei heise Autos.

Bildquelle: Volkswagen

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