Koreas leiser Kracher

Ein neuer Konkurrent unter den Batterie-elektrischen Autos ist da: Der Hyundai Ioniq electric. Wir begrüßen ihn herzlich, weil die Auswahl bei den BEVs weiter viel zu gering ist und jede Erweiterung Applaus verdient. Und wir freuen uns, sagen zu können: Der Ioniq electric ist richtig gut geworden. In sich stimmig, sparsam und qualitativ solide zeigt er, wo die Produkte des Hyundai-Kia-Konzerns inzwischen angekommen sind – ziemlich weit oben und mit dem Ehrgeiz, nach der Spitze zu greifen.

Der Ioniq electric wird zusammen mit der Benzin-Hybridversion (der Plug-In-Hybrid als dritte Variante startet erst im Oktober 2017) in der ersten Novemberwoche bei den deutschen Händlern stehen. Der Preis: Ab 33.300 Euro. Minus 4.000 Euro E-Prämie macht 29.300 Euro.

Dafür erhält der Kunde eine 4,47 Meter lange Schräghecklimousine, die sich formal an den Toyota Prius anlehnt, beim Design jedoch weniger polarisiert. Unter der Motorhaube arbeitet eine E-Maschine mit 88 kW (120 PS). Das maximale Drehmoment beträgt 295 Nm. Genug für rund zehn Sekunden im Standardsprint und elektronisch begrenzte 165 km/h Spitzengeschwindigkeit.

Was uns in der Stromcommunity mehr interessiert, sind Batterie und Lademöglichkeit: Die Kapazität des von LG Chem zugelieferten Akkus liegt bei 28 kWh und die Garantie dafür bei acht Jahren über 200.000 km. Die volle AC-Ladezeit (6,6 kW) gibt Hyundai mit 4,5 Stunden und für DC auf 80 Prozent SOC (50 kW) mit 30 Minuten an. Dazu zwei interessante Details: Anders als der Konzerngeschwister Kia Soul EV hat der Ioniq eine CCS-Buchse, und im Datenblatt ist neben der 50-kW-Ladezeit eine für 100 kW angegeben: 23 Minuten (bis 80 Prozent SOC).

Noch mehr Zahlen: Der Luftwiderstandsbeiwert liegt bei Cw 0,24; eine Angabe zur Stirnfläche macht der Hersteller nicht. Das Leergewicht nach EU-Norm, also inklusive 75 kg schwerem Normfahrer, ist 1.495 kg. Beste Voraussetzungen für gute Verbrauchswerte also.

Auf einer etwa 100 Kilometer langen Tour in und vor allem um Amsterdam lag der Durchschnitt bei 13,1 Kilowattstunden. Das ist mehr als im NEFZ-Wert von 11,5 kWh / 100 km und dennoch ein exzellenter Wert. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die äußeren Bedingungen besonders günstig waren: Die Route führte selten durch die Stadt und kaum über schnelle Autobahnen (ja, ja, auch in den Niederlanden sind inzwischen häufig bis zu 130 km/h erlaubt). Dazu sind die Straßen topfeben, und insgesamt wird gelassener gefahren als in Deutschland. Das sind die nachvollziehbaren Gründe, aus denen viele Hersteller die Präsentation ihrer grünen Autos hierher verlegen.

Die NEFZ-Reichweite von 280 km dürfte in der Realität wie üblich deutlich geringer sein als im gesetzlich normierten Messlabor – so ist es halt, und potenzielle Käufer müssen das wissen und prüfen, welches individuelle Fahrprofil sie haben.

Der Hyundai Ioniq an sich ist jedenfalls gelungen. Die Verarbeitungsqualität ist hochwertig; eigentlich kann man es nicht mehr hören, aber es stimmt: Da scheppert nix. Die Bedienlogik der Instrumente ist simpel, und die Sitze sind bequem. Man gleitet komfortabel durch die Gegend, und wenn die Leichtlaufreifen weniger hart abrollen würden, hätte der Ioniq eine Eins bekommen.

Serienmäßig ist Advanced Smart Cruise Control, abgekürzt ASCC. Das ist ein adaptiver Tempomat, der automatisch den Abstand zum Vordermann hält, bis zum Stillstand bremst und erst nach einer Karenzzeit von fünf Sekunden wieder das Antippen des „Gas“-Pedals zum Beschleunigen erfordert. Es ist eine der besonders erfreulichen Entwicklungen aktueller Autos, dass diese Technik zur Selbstverständlichkeit wird.

Was noch? Die Rekuperation: Sie lässt sich über Wippen am Lenkrad in vier Stufen (Level 0 bis 3) verstellen. Am faszinierendsten ist Level 0, das Rollenlassen. Ähnlich wie beim e-Golf ist es erstaunlich, wie weit ein Fahrzeug heute kommt, wenn man es laufen lässt.

Hyundai auf dem Weg nach oben

Wir berichten aus mehreren Gründen über den Hyundai Ioniq electric. Zum einen wie eingangs gesagt, weil er einer der raren Neuzugänge im Markt der BEVs ist. Und zum zweiten, weil der Hyundai-Kia-Konzern zu den besonders ehrgeizigen Aufsteigern auf dem Weltmarkt gehört. Bei den Stückzahlen möchte man an die großen Drei (Volkswagen, Toyota, GM) heran – zurzeit steht das Unternehmen mit gut acht Millionen Einheiten (2015) auf Platz 5. Formal zielt man auf den Prius, bei dem es allerdings keine Batterie-elektrische Version gibt. Und obwohl keine aktuellen Zahlen vorliegen, ist weiterhin anzunehmen, dass der Verdienst pro Auto relativ hoch ist.

Die deutschen Hersteller wissen das und nehmen Hyundai sehr ernst. Und fraglos strahlen die auf der Presseveranstaltung anwesenden Ingenieure ein hohes Selbstbewusstsein aus. Sie sind stolz auf ihr Produkt, und das können sie auch sein.

Der Ioniq electric gefällt, und zwar so gut, dass der im Anschluss ebenfalls verfügbare Benzin-Hybrid (ab 23.900 Euro) nicht mehr überzeugen konnte. Er brummt, das Doppelkupplungsgetriebe schaltet, und wenn man richtig auf den Pinsel tritt, wird er laut. Nein, nein, wer ein entsprechendes Fahrprofil und das nötige Kleingeld hat, sollte zum electric greifen.

Wir sind gespannt auf das, was in naher Zukunft aus Südkorea zu erwarten ist. Mit LG Chem und Samsung SDI sind zwei erstklassige Zulieferer im Land, die sich höchst wahrscheinlich daran erfreuen, im immer gleichen Bauraum immer mehr Kapazität unterzubringen. Und in der Jetztzeit zählt vor allem, überhaupt ein Angebot im Portfolio zu haben, das ohne Verbrennungsmotor fährt. Sie erkennen den Ioniq electric am geschlossenen Kühlergrill und den bronzefarbenen (ooops, Hyundai sagt: Copper) Applikationen. Auf geht`s!

Erschienen am 6. Juli bei ELECTRIVE.net. Ein weiterer Beitrag zum Ioniq lief am 11. Juli bei heise Autos.

Bildquelle: Hyundai

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