Der Anfang vom Ende des Ladeelends

Es ist, als hätte jemand einen roten Knopf gedrückt. Einen Buzzer, der mit einem plärrenden Ton das Signal gibt: Jetzt geht es los. Nachdem Tank & Rast mit dem Aufbau von Schnell-Ladestationen an allen 400 Autobahnstandorten begonnen hat, folgt nun der nächste große Schritt zur Verbesserung der Infrastruktur für Batterie-elektrische Autos – das Bundesverkehrsministerium (BMVI) hat 200 Millionen Euro Fördergeld für 5.000 weitere Schnell-Lader freigegeben. Zum Start der Antragsfrist am 1. März sind bei der zuständigen Behörde im ostfriesischen Aurich die Server zusammengebrochen. Wer zu spät kommt, kriegt nichts ab. Das Ziel der Aktion ist, in der selbsternannten Autonation Deutschland endlich eine funktionsfähige Basis für die Energiewende im Verkehr zu schaffen.

Der Vorteil von Batterie-elektrischen Autos ist, dass sie zu Hause Strom laden können. Zumindest dann, wenn ein eigener Stellplatz oder eine Garage vorhanden ist. Dort kommt Wechselstrom (abgekürzt AC für alternating current) aus Steckdose oder Wallbox. Oft geschieht das eher bedächtig, was im Alltag egal ist. Hauptsache, der Speicher ist morgens voll. Unterwegs aber muss es schnell gehen. Die meisten Hersteller setzen dafür auf das Laden Gleichstrom (DC für direct current). Die Kombination aus AC für die Heimladung und DC für die große Strecke hat Tesla vorexerziert. Nun folgen fast alle Hersteller dieser Auslegung, und dementsprechend setzt die Bundesinitiative auf den schnellen und leistungsstarken Gleichstrom.

Das Förderprogramm in der Übersicht:

Wo werden die Schnell-Ladesäulen aufgebaut? 

Insgesamt werden 5.000 Stationen bis 2020 errichtet. Von den ersten 2.500 Säulen entfallen je 430 Ladepunkte auf die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, je 186 auf Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz und je 90 auf Berlin, Schleswig-Holstein und Sachsen. Brandenburg, Hamburg und Sachsen-Anhalt (je 60 Säulen) sowie Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und das Saarland (je 46 Standorte) werden ebenfalls bedacht.

Sind 200 Millionen Euro Steuergeld viel oder wenig?

Im Energiesektor ist diese Summe klein. Je nach Kraftstoffpreis bezahlen Autofahrer allein auf Diesel und Benzin 30 bis 40 Milliarden Steuer – pro Jahr.

Wie kann ich den Strom bezahlen?

Der Gesetzgeber beseitigt das Identifikationselend der heutigen Ladeinfrastruktur aus RFID-Chips und anderen Insellösungen: Fördervoraussetzung ist, dass jeder Autofahrer in der Lage ist, den Strom freizuschalten. Die Abrechnung erfolgt entweder über „ein gängiges kartenbasiertes Bezahlsystem“, also EC- oder Kreditkarte, oder über eine webbasierte Anwendung. Wenn die Betreiber die Barzahlung ermöglichen, erfüllen sie auch damit die Förderbedingungen.

Kann ich jedes Batterie-elektrische Auto aufladen?

Nicht ganz. Alle Säulen müssen den CCS-Standard („Combined Charging System“) erfüllen, was zum Beispiel bei Opel Ampera-e, Hyundai Ioniq electric und Volkswagen e-Golf (hier gegen Aufpreis) der Fall ist. Darüber hinaus können die Betreiber sich entscheiden, auch den japanischen Chademo-Standard zu bedienen. Ist das nicht der Fall, bleibt den Besitzern eines Nissan Leaf nur das Ausweichen auf die langsame Typ 2-Wechselstrombuchse, die üblicherweise als Zusatzoption an Schnell-Ladesäulen angebracht ist. Tesla-Fahrer wiederum haben als proprietäre Lösung die bekannten Supercharger an den Autobahnen.

Lade ich Ökostrom?

Ja. Das BMWI stellt bei der Förderung die Bedingung, dass der Strom aus erneuerbaren Energien stammt.

Wann kann ich laden?

Immer. 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche, nachts und an Feiertagen. Ist diese Zugänglichkeit nicht garantiert, wird die Fördersumme um 50 Prozent gesenkt, was für die Anbieter unattraktiv ist.

Wie schnell fließt der Strom?

Das kommt darauf an. Für eine heute übliche DC-Säule mit 50 Kilowatt (kW) Leistung zahlt das BMVI maximal 12.000 Euro pro Ladepunkt; in einer Stunde sind hier rund 50 Kilowattstunden in der Batterie. Das reicht für etwa 200 Autobahnkilometer. Viele Unternehmen bereiten die Standorte schon für Ladeleistungen von 150 kW vor, wo die gleiche Energiemenge in 20 Minuten im Akku ist. Hier gibt der Staat bis zu 30.000 Euro pro Ladepunkt und bis zu 50.000 weitere Euro für den teuren Anschluss ans Mittelspannungsnetz. Perspektivisch sollen bis zu 350 kW Ladeleistung drin sein, was die Zwangspause nochmals verkürzt.

Viele Ladesäulenbetreiber haben nur auf das Förderprogramm gewartet, dass mehrere Monate bei der EU-Kommission zur Genehmigung festhing. Sie haben die fertigen Pläne aus der Schublade geholt und setzen diese jetzt in die Praxis um. Mit dem Ende von Frost und Winter ist davon auszugehen, dass der Aufbau zügig vorangeht.

Die 5.000 Schnell-Ladesäulen werden es vielen Neugierigen erleichtern, sich für ein Batterie-elektrisches Auto zu entscheiden. Der Staat verkleinert das Risiko für die Betreiber, die nicht wissen können, ob und wann die Nachfrage nach E-Autos signifikant ansteigt. Sollte das allerdings wirklich irgendwann der Fall sein oder es sogar einen Boom geben, wird dieses Basisnetz nicht ausreichen. Wenn es an den Stromtankstellen zu Staus kommt, muss neu investiert werden.

Erschienen am 15. März bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: BMW

2 Gedanken zu „Der Anfang vom Ende des Ladeelends

  1. Und was kostet dann die kWh an den geförderten Ladesäulen? Da hat die Politik leider versagt und vergessen ein Preislimit zu setzen damit das elektrische Fahren nicht teurer ist als mit vergleichbaren Verbrennungsmotoren.

    1. könnten starke Abweichungen von den üblichen Energiepreisen aus regenerativen Quellen nicht als Wucher gelten und so ein Limit nach oben gesetzt sein?

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