Wie eine Kobra bewegt sich der Prototyp der Charging Snake von Tesla in Richtung der Ladebuchse. Der Roboter nimmt dem Autofahrer die scheinbar simpelste Aufgabe ab: Das Verbinden des E-Autos mit dem Stromnetz. Eigentlich kann der Mensch das alleine: Kabel rein, fertig. Ein Handgriff. Vielleicht hat es die im Netz millionenfach geklickte Lösung von Tesla bisher nicht zum Serienprodukt geschafft, weil es einfach keinen Bedarf gibt. Dennoch arbeiten Hersteller und Zulieferer daran, alternative Lade-Methoden zu entwickeln, die es noch komfortabler machen, ein E-Auto nutzen. Das Ideal ist, dass der Vorgang unmerklich und von selbst erfolgt.
Lange wurde in der Branche das induktive Laden debattiert und erprobt. Es funktioniert, und das auch mit sehr hohen Leistungen. Das zeigt zum Beispiel das Projekt „Emil“ (Elektromobilität mittels induktiver Ladung) der Braunschweiger Verkehrs-GmbH. In der Löwenstadt werden E-Busse auf der Ringlinie M19 seit über drei Jahren kabellos geladen. Mit 200 Kilowatt (kW) an der Endhaltestelle. Die gewerkschaftlich garantierte Pause reicht aus, um die mit 90 Kilowattstunden (kWh) relativ kleine Batterie mit Strom für die nächste Runde zu versorgen.
Für den Pkw wären erheblich kleinere Ladeleistungen genug. 3,6 kW oder 7,2 kW. Oder etwas mehr, wenn der Platz am Wagenboden vorhanden ist. Die internationale Autoindustrie hat sich noch nicht auf einen einheitlichen Standard geeinigt. Und ohne Standard sind die Stückzahlen zu gering, was das induktive Laden teuer macht. Dazu kommt ein hoher technischer Aufwand. Das Fahrzeug muss exakt über der Ladeplatte am Boden ausgerichtet sein, und es müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Die Verbreitung des Systems ist bisher am Geld gescheitert.
Aus etlichen Ankündigungen sind darum sehr wenig Serienprodukte geworden. BMW etwa verspricht für den Spätsommer, dass der Plug-In-Hybrid 530e als Option kabellos geladen werden kann. Die Leistung soll bei 3,2 kW liegen und der Wirkungsgrad „80 bis 87 Prozent“ betragen. Ein Anfang wäre damit gemacht. Und besonders PHEVs (für Plug-in Hybrid Electric Vehicle) könnten davon profitieren: Hartnäckig hält sich das Gerücht, deren Nutzer würden ohnehin nie im reinen Strommodus fahren, weil das Einstöpseln zu anstrengend ist und nur wenig rein elektrische Kilometer ergibt.
In Hintergrundgesprächen mit Industrievertretern ist die Botschaft unisono: Induktives Laden? Können wir. Ist aber zu teuer.
Preisgünstiges „Hands-free Charging“
Stattdessen ist immer häufiger von Hands-free Charging zu hören. Das sind Lösungen, die mit konduktivem – also kabelgebundenen – Laden arbeiten, aber ohne Zutun des Fahrers. Hierbei steigt der Wirkungsgrad der Stromübertragung auf über 98 Prozent. Vor allem könnte der Preis solcher Systeme niedrig sein.
Der Ideenreichtum bei der Umsetzung ist groß. Die Firma Easelink aus Graz in Österreich zum Beispiel nennt die eigene Entwicklung Matrix Charging. Auf einer Bodenplatte sind viele sechseckige, metallische Kontaktpunkte eingebracht. Das Muster erinnert von oben betrachtet an Bienenwaben. Kommt nun ein E-Auto zum Laden, muss es – Vorteil 1 – nicht präzise, sondern nur ungefähr ausgerichtet sein.
Aus dem Pkw senkt sich nun ein durch einen Faltenbalg geschütztes Verbindungselement ab. Hierzu ist kein elektrischer Stellmotor nötig. Mechanik und Schwerkraft helfen. Es genügt, wenn ähnlich wie bei einem mehrpoligen Kabel mehrere Kontaktpunkte hergestellt sind. Im Gespräch mit heise Autos verweist Easelink darauf, dass die Verbindungsstellen unterschiedlich belegt werden können.
Das Ergebnis ist (Vorteil 2) eine AC-Ladeleistung von bis zu 22 kW oder eine DC-Ladeleistung von bis zu 43 kW bei höchstem Wirkungsgrad – schließlich stellt man letztlich eine Kabelverbindung her, was wiederum die Sicherheitsmaßnahmen des induktiven Ladens überflüssig macht. Theoretisch könnte das System sogar nachgerüstet werden. Interessant aber ist es als Massenanwendung und für autonome Fahrzeuge.
Weitere technische Details lässt Easelink noch nicht nach außen. Man lässt allerdings durchblicken, dass man neben dem chinesischen Konzern Great Wall Motors noch mit vielen anderen Branchenpartnern in Kontakt und Diskurs ist.
Eine Baukastenlösung des Hands-free Charging hat unterdessen Volkswagen auf dem Genfer Autosalon vorgestellt. Wir konnten „CarLa“ schon letztes Jahr auf dem Testgelände Ehra-Lessien anschauen: CarLa ist ein Industrieroboter von Kuka, der von einem Standardprodukt abgeleitet ist. Er fährt auf Rollen, hat einen beweglichen Arm und diverse optische und taktile Sensoren. Damit könnte CarLa zum Beispiel in einem Ladepark mit mehreren 350 kW-Punkten die Verbindung von E-Auto und Säule übernehmen. Oder in einem Parkhaus für eine gute Verbindung sorgen.
Aus der Sicht von Fans der Elektromobilität mögen die Charging Snake von Tesla, das Matrix Charging von Easelink oder der Roboter CarLa von Volkswagen und Kuka wie Gags wirken. Spielereien, die niemand braucht. Aber jedes Komfortplus zählt: Wir leben im Zeitalter der Convenience. Wenn das Laden automatisch funktioniert, fördert das die Akzeptanz der E-Mobilität, und es könnte auch ein Baustein bei der Realisierung von autonomen Fahrzeugen sein.
Erschienen am 13. März bei heise Autos.