BYD steht für Build Your Dreams. Volkswagen hat den chinesischen Autohersteller als einen der wichtigsten Wettbewerber identifiziert: BYD produziert Elektroautos und auch die Batteriezellen dafür. Der Mischkonzern steht repräsentativ für die Stoßrichtung der Autoindustrie aus China. Man konzentriert sich zunehmend auf Elektroautos. In den Traktionsbatterien kommt die robuste und kostengünstige LFP-Zellchemie zum Einsatz. Und mit Norwegen als Versuchslabor beginnt der Verkauf in Europa. Manchmal folgen die Niederlande, Dänemark oder Schweden. Genug Gründe also, eine kurze Übersicht zu wagen, welche chinesische Marke wir uns merken sollten und welche Elektroautos zu uns kommen könnten.
Die interessanteste Neuheit von BYD ist der Seal. Eine sportliche Limousine, die direkt mit dem Tesla Model 3 konkurriert. Allerdings ist der BYD rund zehn Zentimeter länger, und umgerechnet liegt der Basispreis bei gut 31.000 Euro. Ob und wann der Seal nach Europa kommt, ist unklar. Die Elektroautos von BYD teilen die Plattform 3.0. Deren Besonderheit ist die Kombination aus LFP-Zellen und 800 Volt Systemspannung. Die einzelnen Zellen sind lang und flach wie die Klinge eines Schwerts. BYD spricht darum von der Blade-Batterie.
LFP-Zellen dominieren
Die niedrige Energiedichte der LFP-Zellen wird durch ein immer engeres Packaging teilweise ausgeglichen. In spätestens zwei Jahren, so rechnet es das Analyseunternehmen Trendforce vor, werden weltweit mehr LFP- als NMC-Zellen gebaut werden. Gerüchte sagen, dass Tesla Interesse an der Blade-Batterie hat. Kein Gerücht dagegen ist, dass Toyota ein Joint-Venture mit BYD hat und dass die von Akio Toyota angekündigte Limousine bZ Sedan auf der Plattform des BYD Seal basieren könnte.
Die chinesische Autoindustrie bedient zuerst den einheimischen Markt. Der war mit über 26 Millionen verkauften 2021 der mit Abstand größte der Welt. Entsprechend orientiert sich die Angebotspalette an den von den chinesischen Kunden bevorzugten Karosserieformen: Limousinen, SUVs und auch Vans aller Art.
So hat Voyah den Van Dreamer angekündigt; einen üppigen Luxuscruiser mit riesigem Kühlergrill. Das SUV Voyah Free wirkt gefälliger. Der Marktstart in Norwegen findet in einem guten Monat statt. Der Markenname Voyah ist noch weitgehend unbekannt, die Autofirma dahinter nicht: Die Dongfeng Motor Corporation hat sich ursprünglich auf den Bau von Nutzfahrzeugen spezialisiert. Diverse Joint-Ventures mit Nissan, der ehemaligen Groupe PSA sowie Kia haben aber offenbar den Gedanken reifen lassen, es jetzt auch mit Pkws zu versuchen.
Vom Start-up zur Trendmarke
Zu den Herstellern mit einem attraktiven Angebot gehören auch Xpeng und Nio. Beide waren bis vor Kurzem noch Startups, haben sich aber durch ernstzunehmende Elektroautos jetzt schon einen guten Ruf erarbeitet. Xpeng zum Beispiel wurde 2014 gegründet und hat 2021 erst rund 100.000 Fahrzeuge gefertigt. Das progressive Design der Limousine P7 aber hat in Norwegen einige Käufer angelockt, denen ein Tesla Model S schlicht zu teuer und vielleicht auch nicht neu genug war. Das kompakte SUV G3 hat gerade ein Facelift erhalten, und die Mittelklasse-Limousine P5 kann in mehreren EU-Ländern vorbestellt werden.
Mit ähnlich hoher Geschwindigkeit baut Nio das Angebot aus. Nio hat, anders als die meisten anderen chinesischen Automarken, bereits eine deutsche Website. Unter anderem wird das SUV ES8 beworben, für das kürzlich eine Batterie-Wechselstation vorgeführt wurde.
Ein noch nicht gelöstes Problem für den Markteintritt in Deutschland ist fraglos das Händlernetz. Es darf bezweifelt werden, dass sich potenzielle Kunden in großer Zahl auf Konstruktionen wie bei Ayways verlassen werden, wo Euronics für den Vertrieb sorgt. Es ist Spekulation, aber genau hier liegt eine der Ursachen für einen verzögerten Start aller chinesischen Marken in Deutschland. Ein wesentlicher Aspekt ist außerdem, dass es die Industrie schlicht nicht nötig hat, Elektroautos zu exportieren. Wahrscheinlich kann für uns erst ab 2025 mit gefestigten Strukturen gerechnet werden.
Smart von Geely, Mini von GWM
Bis dahin gibt es Elektroautos aus China, die nicht auf den ersten Blick als solche wahrgenommen werden. Allen voran das Tesla Model 3, dass zurzeit aus Shanghai zu uns kommt. Aber natürlich auch der Polestar 2, der zu Geely gehört. Li Shufu, Gründer von Geely, hält als einer der größten Einzelaktionäre fast zehn Prozent der Daimler AG.
Geely baut im Joint-Venture mit Mercedes den Smart #1, ein gerade vorgestelltes Kompakt-SUV, das dem Gedanken des ultrakurzen Ur-Smart den Garaus macht. Und auch der kommende Mini-e kommt aus China, nämlich von Great Wall Motor, abgekürzt GWM. GWM gehört zu den großen etablierten Autoherstellern, und in Deutschland dürfte bald der Ora Cat für Neugierde sorgen: Elektrische Kompaktwagen wie der Ora Cat oder der BYD Dolphin verkörpern die Hoffnung auf bezahlbare und zukunftsfeste Mobilität.
Vollsortimenter
Diese Aufzählung ist nicht im Ansatz vollständig. Die Vielfalt der Hersteller aus der hinter den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ist sehr, sehr groß. Sie reicht von elektrischen Kleinstwagen wie dem Lumin Corn bis zu fetten Full-Size-SUVs wie dem Hongqi E-SH9, und natürlich ist die Batterieproduktion von CATL bis Gotion Teil des Ganzen.
Die Dynamik der chinesischen Autoindustrie ist vor allem bei den Elektroautos beeindruckend. Man verfolgt klare Ziele wie die Unabhängigkeit von Rohstoffimporten. Und die Zeiten, in denen man auf der Beijing Motor Show vorwiegend mit lächerlichen Plagiatsversuchen aufgefallen ist, sind vorbei. Was hier passiert, hat einen ganz großen Maßstab. Das fällt uns zwischen Flensburg und Füssen bisher kaum auf, weil es mit wenigen Ausnahmen kaum möglich ist, solche Fahrzeuge wirklich zu erwerben.
Dieses Bild aber dürfte sich in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts radikal drehen. Und es ist keineswegs absurd anzunehmen, dass langfristig einige traditionelle deutsche Markennamen zu einem chinesischen Konzern gehören – und nicht umgekehrt.
Erschienen bei heise Autos.