Wird Elektromobilität immer teurer?

Ab 64 Cent pro Kilowattstunde Strom bei Shell Recharge. Rund 70 Cent an den Superchargern von Tesla. Und bis zu 80 Cent bei Allego: Das Laden an den schnellen Säulen entlang der Autobahnen und an Verkehrsknotenpunkten wird wieder teurer. Und auch für die Elektroautos selbst verlangen die Hersteller immer mehr Geld. Unter anderem, weil die Materialpreise für die Traktionsbatterien weltweit steigen. Als dritter Negativfaktor sinkt die Kaufförderung in Deutschland ab 2023. Die Nachfrage könnte in der Folge erheblich sinken. Vielleicht. Es gibt aber auch gute Gründe anzunehmen, dass hier keineswegs das Aus der Elektromobilität bevorsteht.

Was fraglos stimmt: Die Stromkosten machen das Elektroauto auf langen Strecken unwirtschaftlich. Bei Richtgeschwindigkeiten verbraucht ein durchschnittliches Fahrzeug 20 bis 25 Kilowattstunden auf 100 Kilometer. Daraus resultieren bei den eingangs genannten Kursen Kosten von 12,80 Euro bis 20 Euro. Bei 1,96 Euro pro Liter Superbenzin oder Dieselkraftstoff – am Tag der Recherche herrscht in Hamburg laut Clever Tanken zufällig Preisgleichheit bei den fossilen Spritsorten – muss ein Pkw mit Verbrennungsmotor also 6,5 bis 10,2 Litern Verbrauch pro 100 Kilometer unterbieten, um billiger zu sein. Für einen modernen Wagen ist das bei Tempo 130 kein Problem.

Wer PV hat, ist im Vorteil

Aber so einfach ist die Rechnung nicht. Schließlich können viele Käuferinnen und Käufer zu Hause laden und mit dieser Energie etliche Kilometer zurücklegen. Dort betrug der Strompreis laut BDEW im Juli durchschnittlich 37,3 Cent pro Kilowattstunde. Und wer eine Fotovoltaikanlage betreibt und diese konsequent auf eine möglichst hohe Eigenverbrauchsquote auslegt, kann mit Gestehungskosten von rund zehn Cent pro Kilowattstunde rechnen. So werden Volkswagen ID.3 und Tesla Model Y zumindest im Sommerhalbjahr zum Schnäppchen. Eine pauschale Aussage, nach der Elektroautos automatisch teurer bei den Fahrenergiekosten sind, ist folglich nicht richtig. Es kann so sein – muss es aber nicht.

Auch das Argument, die ab 2023 von 6.000 auf 4.500 Euro reduzierte Kaufförderung könnte zu einem Nachfrageeinbruch führen, ist nur bedingt nachvollziehbar. Zum einen sollte jedem bewusst sein, dass die Autoindustrie staatliche Subventionen einpreist. Zum anderen wird die Direktprämie ab 1. September des kommenden Jahres für gewerbliche Zulassungen, nicht aber für private gestrichen. Letztere haben bei Elektroautos einen vergleichsweise hohen Anteil: Laut Kraftfahrtbundesamt machen Private beim Volkswagen ID.3 54 Prozent und beim Tesla Model Y 61 Prozent aus. Über alle Pkw gezählt sind es 2022 nur 36 Prozent.

Massiver Steuernachlass bleibt

Der wichtigste Anreiz zur Anschaffung eines gewerblich genutzten Elektroautos bleibt ohnehin bestehen: Die Besteuerung des geldwerten Vorteils der Privatnutzung eines Firmenwagens ist auf ein Viertel reduziert, wenn der Bruttolistenpreis unter 60.000 Euro liegt. Die CO2-Komponente, die von den Grünen eingefordert wird, ist hier längst und in großem Maß vorhanden. Dieses Instrument wird bisher politisch nicht in Frage gestellt. Unabhängig davon sind Elektroautos bis 2030 von der Kfz-Steuer befreit.

Teuer sind Elektroautos trotzdem. Viele Hersteller haben in diesem Jahr die Listenpreise deftig angehoben. Oder es gibt wie bei Renault und VW versteckte Erhöhungen: Die Basisversionen von Megane E-Tech und ID.3 mit geringer Batteriekapazität sind praktisch nicht erhältlich. Die Käuferinnen und Käufer müssen zu den hochpreisigen Varianten greifen oder verzichten.

Überhaupt, die Traktionsbatterie: Was sich international bei den Preisen für Batteriezellen tut, könnte das größte Hindernis für die massenhafte Verbreitung der Elektromobilität werden. Das Beratungs- und Analyseunternehmen P3 berichtet, dass die Kurse pro Kilowattstunde Energieinhalt von 80 bis 95 US-Dollar im Januar 2021 auf 145 bis 175 US-Dollar im März 2022 gestiegen sind.

Metalle vervielfachen sich im Preis

Die wichtigste Ursache dieser Explosion ist die Nachfrage nach den Metallen, die in den Traktionsbatterien verbaut sind. Besonders Lithiumcarbonat ist teuer und hat sich laut P3 gegenüber 2020 und 2021 um den Faktor sechs bis zehn im Preis vervielfacht. Anders als bei den Kathodenmaterialien Nickel, Mangan und Kobalt (NMC), wo eine Verdreifachung feststellbar ist, gibt es für Lithiumcarbonat noch keinen Ersatz.

Das ist eine krasse Entwicklung, die sich aber nicht zwangsläufig fortschreiben muss. Es ist unklar, welchen Anteil Spekulationen an diesem Sprung haben. Sobald die Minen mehr Lithium fördern, könnte eine Beruhigung eintreten. CATL, der mit einem runden Drittel Marktanteil größte Hersteller, wird 2023 außerdem ein Batteriesystem verkaufen, dass Natrium statt Lithium einsetzt. Sollte diese Zellchemie gut funktionieren, würde es zu einer Preisdämpfung kommen.

Lust aufs Elektroauto

Wenn die Gier nach Ressourcen allerdings zu einem weiteren Anstieg der Zellpreise führt, wird die Brennstoffzellen-elektrische Mobilität mit Wasserstoff einer der Profiteure sein: Solche Fahrzeuge haben lediglich eine Pufferbatterie mit rund einer Kilowattstunde Kapazität statt der 50 bis 100 in einem Batterie-elektrischen Pkw. Und sie benötigen nicht mehr Platin, als heute in der Abgasreinigung eines Diesel-Autos eingebaut wird. Die Energieeffizienz der Brennstoffzellen-Fahrzeuge ist niedriger, aber die Materialeffizienz ungleich höher als beim Batterie-Vehikel.

Unübersehbar ist zusätzlich, dass die Lieferzeiten für Elektroautos trotz steigender Kauf- und Strompreise sowie abschmelzender Förderung nur langsam schrumpfen. Das Interesse der Menschen ist offensichtlich weiterhin vorhanden und ungebrochen groß. Die Wahl des Antriebs ist eben nicht allein eine Amortisationsrechnung, und ein Auto war noch nie ein ausschließlich rationales Produkt. Es gibt Käuferinnen und Käufer, die wollen ein Elektroauto – oder gar keines.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: P3 Group

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