2025: Ein Viertel muss elektrisch sein

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wird sich in Brüssel für das Vorziehen der Revision des CO2-Flottengrenzwerts einsetzen. Statt wie geplant 2026 soll früher mit der Prüfung begonnen werden. Das hat Habeck am Montag nach dem Autogipfel mit Vertretern der deutschen Industrie und auf deren Wunsch klar gemacht. „Dem will ich gerne folgen.“ Keine Rede war dagegen von einer Aufweichung oder gar Abschaffung des CO2-Mechanismus. Es bleibt bei der vorgeschriebenen Reduktion von Minus 15 Prozent ab 2025. Und so wie es derzeit aussieht, werden sämtliche Hersteller die Vorgabe einhalten. Allerdings nur, wenn sie etwas mehr Elektroautos zu verkaufen.

Zur Ist-Situation: Sämtlichen im Europäischen Wirtschaftsraum – also inklusive Island, Liechtenstein und Norwegen – neu zugelassenen Pkw ist ein eigener CO2-Wert zugeordnet. Der wird im Verfahren WLTP (Worldwide harmonized Light vehicle Test Procedure) ermittelt, das die Emissionen am Auspuff misst. Elektroautos gehen also mit null Gramm in die Bilanz ein. Der durchschnittliche CO2-Wert aller neu registrierten Autos eines Herstellers in einem Zulassungsjahr ist maßgeblich für den Flottengrenzwert.

Marken- und Gewichtsindividueller Grenzwert

In den Jahren 2021 bis 2024 sind 95 Gramm pro Kilometer erlaubt. Achtung, diese Zahl bezieht sich auf den abgeschafften NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus). Umgerechnet in den WLTP-Wert ergeben sich 120 g CO2 / km. Außerdem werden beim Messergebnis so genannte Eco Innovations berücksichtigt. Das sind technische Maßnahmen, die zur CO2-Abnahme führen, aber im Verfahren WLTP nicht zur Wirkung kommen.

Zusätzlich ist jedem Hersteller oder Autokonzern auf Basis des tatsächlichen Leergewichts der Flotte ein individueller Grenzwert zugeordnet. Das führte in der Vergangenheit dazu, dass zum Beispiel BMW 2023 im Durchschnitt auf 128 g CO2 / km als Limit kam, während Hyundai 113 g CO2 / km einhalten musste. Dieser Gewichtsbezug führt ab 2025 zu umgekehrten Verhältnissen – dazu gleich mehr.

2024: Aller Hersteller auf Kurs

Nach einer Auswertung von Dataforce fürs erste Halbjahr 2024 ist die Autoindustrie durchweg auf Kurs, um Vorgaben einzuhalten. Knapp sieht es noch bei Volkswagen aus, wo 121 g CO2 / km erreicht werden müssen und 123 g CO2 / km vorliegen. Der Konzern muss also im zweiten Halbjahr sparsamere Pkw mit Verbrennungsmotor verkaufen oder den Anteil von Elektroautos leicht erhöhen. Auch Ford muss noch ein Gramm finden und von 125 auf 124 g CO2 / km kommen.

Andere Marktteilnehmer unterbieten die individuellen Ziele deutlich: Toyota etwa lag im ersten Halbjahr 2024 nach der Analyse von Dataforce bei 105 statt der notwendigen 114 g CO2 / km. BMW, wo man weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit viele Elektroautos verkauft, und Mercedes stehen mit 106 und 108 statt der erforderlichen 131 und 138 g CO2 / km für 2024 entspannt da.

Grenzwertgerade beim Gewichtsbezug ab 2025 negativ

Für die Realität bedeutet das, dass die Autoindustrie im laufenden Jahr keinen besonderen Ehrgeiz mehr beim Absatz von Elektroautos zeigen muss. Mit Rabattaktionen ist kaum zu rechnen. Stattdessen ist es plausibel, dass Neuzulassungen tendenziell auf 2025 geschoben werden. Hier ändern sich mehrere Parameter.

Zuerst muss wie bekannt der Durchschnittswert der jeweiligen Zulassungsjahre 2025 bis 2029 um mindestens 15 Prozent unter dem der Jahre 2021 bis 2024 liegen.

Neu berechnet wird auch der Gewichtsbezug: Wegen des steigenden Anteils von Elektroautos ist die Berechnungsgrundlage beim Leergewicht auf satte 1.609,6 Kilogramm angestiegen. Bisher waren schwere Fahrzeuge gleichbedeutend mit hohen CO2-Emissionen. Das ändert sich mit Elektroautos, die viel wiegen, aber im WLTP keine CO2-Emissionen haben. Das wiederum führt im CO2-Mechanismus der Europäischen Union dazu, dass die Hersteller mit den schwersten Pkw nicht mehr die laschesten, sondern die strengsten Vorgaben bekommen. Die Steigung der Grenzwertgerade für den Gewichtsbezug ist also ab 2025 negativ.

Abwertung von Plug-in Hybridautos

Beispiel Mercedes: Statt 138 g CO2 / km im Jahr 2024 dürfen es 2025 nach den derzeitigen Prognosen von Dataforce nicht mehr als 88 g CO2 / km sein. Der Konzern mit den Marken Mercedes und Smart muss also von 108 g CO2 / km im laufenden Jahr deutlich reduzieren. Bei Renault und Stellantis, wo in der Gesamtbetrachtung kleinere und leichtere Pkw auf die Straße gebracht werden, reduziert sich die Vorgabe von 113 g CO2 / km in diesem auf lediglich 97 g CO2 / km im kommenden Jahr.

Neu ist auch, dass Plug-in Hybridautos bis 2030 immer strenger bewertet werden. Sie müssen eine erheblich höhere elektrische Reichweite haben, um das bisherige CO2-Ergebnis zu erreichen. Oder die Hersteller müssen wegen des verschärften Utility Factors (UF) hinnehmen, dass die Plug-in-Hybride im internen Mix weniger wertvoll sind.

Wozu wird das 2025 führen?

Ein Viertel elektrisch

Hierzu gibt es ein von-bis-Spektrum der Einschätzungen. So geht Schmidt Automotive Research davon aus, dass ein Anteil der Elektroautos von gut 22 Prozent für 2025 statt rund 16 Prozent im laufenden Jahr ausreichen wird, um die CO2-Ziele zu erreichen.

Beim International Council on Clean Transportation (ICCT) sind die Annahmen weniger günstig. In einer Studie, die in den nächsten Wochen publiziert wird, gehen die Analysten des ICCT von circa 28 Prozent Elektroautos als Mindestmaß aus. Der ICCT hat hierzu eher pessimistische Rahmenbedingungen zu Grunde gelegt. Zum Beispiel sei keine Reduktion mehr bei Pkw mit Verbrennungsmotor mehr zu erwarten, und auch der Anteil von Plug-in Hybriden wäre konstant oder rückläufig.

22 bis 28 Prozent Elektroautos je nach Ausgangspunkt? Nennen wir es ein Viertel.

Pooling als Exit

Theoretisch drohen Strafzahlungen von 95 Euro pro Pkw und pro Gramm Überschreitung des CO2-Flottengrenzwerts. Praktisch bleibt allen Herstellern weiterhin der Ausweg des Poolings. Gemeint ist die gemeinsame Bilanzierung. Tesla etwa ist dafür prädestiniert und könnte Geld für das Pooling bekommen: Jeder Hersteller darf sich mit jedem bei der Berechnung zusammentun.

2025 wird das aber nach allem, was derzeit absehbar ist, nicht der Fall sein. Um die weitere Reduktion auf Minus 55 Prozent im Jahr 2030 und im Vergleich zu 2021 zu erreichen, sind erheblich größere Anstrengungen notwendig. Zwar ist das CO2-Limit von 2025 bis 2029 konstant. In diesem Zeitraum muss der Anteil von Elektroautos trotzdem stetig steigen, um nicht 2030 plötzlich vor einem massiven Problem zu stehen.

So ist auch die Forderung der Autoindustrie nach einem Vorziehen der Revision zu verstehen. Sollte die Prüfung erst 2026 beginnen, wäre frühestens 2028 mit einem Ergebnis zu rechnen, weil die Bürokratie langsam ist. Die verbleibende Reaktionszeit wäre in Industriemaßstäben viel zu kurz.

Aufgaben für Premium- und Massenhersteller

Viel schlüssiger ist ein anderes Szenario: Für die Autoindustrie wird es sukzessive attraktiver, Elektroautos zu produzieren, weil die Kosten für Batteriezellen sinken. Im Hochpreissegment sind die Hersteller aufgefordert, bei Reichweite und Ladegeschwindigkeit erstklassig zu sein und die Kunden mit dieser Strategie zu überzeugen. Bei Audi sind das die Elektroautos auf Basis der Premium Platform Electric (PPE) wie der Q6 und der A6 e-tron. Bei Mercedes wird der kommende CLA besonders relevant. Und BMW freut sich auf die Neue Klasse mit einer ganzen Reihe von unterschiedlichen Fahrzeugen.

In den Segmenten unter 40.000 und unter 30.000 Euro, also dort, wo Volkswagen, Renault und Toyota viele Käufer haben, geht es vor allem darum, ein breiteres Angebot an soliden Elektroautos mit ausreichenden Eigenschaften zu schaffen.

Renault macht das mit dem R5 und dem SUV-artigen Pedant R4. 2026 folgt die Neuauflage des Twingo. Volkswagen muss die ID-Serie 2025 beim Preis attraktiver machen, bevor 2026 der ID.2 im Polo-Format kommt. Und Toyota? Der weltgrößte Autokonzern gefällt sich fortgesetzt darin, nicht mehr Elektroautos zu verkaufen als zwingend notwendig. Für 2025 ist darum die Serienversion des Urban SUV Concept zu erwarten. Mehr nicht. Einen Dumpingpreis muss Toyota auch nicht machen. Schließlich ist die Abschmelzung von zurzeit 105 g CO2 / km auf höchstens 97 g CO2 / km für 2025 lediglich ein Rückgang von weniger als sieben Prozent.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: Mini

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