Der Logische

Wir haben gewartet. Zuerst auf den elektrischen Smart fortwo 453, der mehr als zwei Jahre nach der Version mit Verbrennungsmotor auf den Markt kam. Und dann auf die 22 kW-Schnellladeoption. Ohne die wäre der Kleine in der Testregion Hamburg unbrauchbar, weil die Standzeit an öffentlichen Säulen tagsüber auf zwei Stunden limitiert ist. Die Geduld hat sich gelohnt: Der Smart EQ fortwo ist ein in sich schlüssiges Batterie-elektrisches Auto. Er ist der logische Smart.

Das natürliche Habitat des zweisitzigen Smarts ist die Großstadt. Hier spielt er seine Stärke aus: Die geringe Verkehrsfläche. Länge 2,70 Meter. Breite 1,66 Meter. Auch das ist Umweltschonung. Dazu kommt der Wendekreis von nur 6,95 Meter – der Smart fortwo ist und bleibt ein Parkplatzsuchgerät. Ein Vorteil, der zum Feierabend und bei dichter Besiedlung die Laune verbessert.

Allerdings ist man in einer Metropole nie der einzige mit einem Smart. Die Verbreitung in Hamburg ist erstaunlich hoch; alle Baujahre, Varianten und Pflegezustände sind vertreten – gerne als Brabus-Cabrio in den besseren Stadtteilen. Die Kaufkraft für das niemals billige Nischenauto ist vorhanden.

So überzeugend das Grundkonzept eines auf urbane Räume spezialisierten Vehikels von Beginn an gewesen ist, so übel waren Antrieb und Fahrwerk. Ur-Smart 450 und Nachfolger 451 waren, sorry liebe Fans, mit einem automatisierten Schaltgetriebe gestraft. Der Geräuschkomfort war mangelhaft, und das Fahrwerk schlecht. Umso schärfer war der Kontrast beim ersten electric drive auf Basis des 451, und der 453 setzt dieses Plus fort. Der Federungskomfort etwa ist wegen des relativ hohen Gewichts von 1.085 kg angenehm. Kein Nicken, kein Hoppeln.

Stattdessen reinsetzen, Schlüssel drehen, künstliches Geräusch am Renault-Schalter (schöne Grüße vom Technikspender Zoe) abstellen, ab geht’s. Der Smart EQ fortwo macht Spaß. Kontinuierliche Beschleunigung, Antrieb mit 60 kW-Motor an der Hinterachse. Knappt fünf Sekunden vergehen bis 60 km/h, sagt der Hersteller. Von der Ampel wäre man damit einer der Schnelleren, wenn es nicht inzwischen viele andere Menschen mit Batterie-elektrischen Autos geben würde. Zwischen Elbe und Alster auffällig viele BMW i3, Tesla Model S und eben Smarts.

Laden? Unproblematisch.

Die Skepsis beim Gespräch über den dynamischen Stromer beginnt bei der immer gleichen Frage: Wo kann ich den aufladen? Ganz simpel: An der Säule. Gegen Aufpreis von 840 Euro lädt der Smart EQ mit 22 kW Leistung; normalerweise sind es nur 4,6 kW. Käufer sollten dringend in dieses Extra investieren, das nun von Renault statt wie beim 451 von Brusa aus der Schweiz zugeliefert wird. Die Batterie mit einer Kapazität von 17,6 kWh mit Zellen von LG Chem ist fix wieder voll. Wie lange genau? Das verliert an Bedeutung: Wenn der Speicher zur Neige geht (die erste Warnung erfolgt ab einem State of Charge von 20 Prozent), kann man mal Ausschau halten, wo es Strom gibt. Oder man nutzt die Gelegenheit am Supermarkt oder anderswo, um schnell ein paar Kilowattstunden zu laden. Opportunity Charging nennt sich das. In der Lebenswirklichkeit ist eine Stunde Ladezeit großzügig bemessen, dann sind es auf jeden Fall weit über 90 Prozent SOC, und selbst in einer Viertelstunde kommt eine Menge Leben in die Batterie.

Das Laden ist einfach nicht besonders wichtig. Man denkt kaum darüber nach. Denn die Reichweite von rund 120 Kilometern bei den zurzeit günstigen Wetterbedingungen ist in der City mehr als genug. Auf der Autobahn, wo überschwere Batterie-elektrische SUVs lange Strecken mit hohen Geschwindigkeiten fahren sollen, stößt dieses Antriebskonzept an die Grenzen der Sinnhaftigkeit. Beim Smart fortwo dagegen ist es der Verbrennungsmotor, der fragwürdig ist. Darum wird er in der nächsten Generation auch abgeschafft.

Intuitiv: Radarunterstützte Rekuperation

Der Smart EQ fortwo ist eine klare Empfehlung für die Großstadt. Oberhalb der Basisausstattung, also als passion, perfect, prime oder Brabus Style, hat er eine „radarunterstützte Rekuperation“ serienmäßig. Ein System, das in der Szene unterschiedlich diskutiert wird, auf uns aber einen sehr guten Eindruck gemacht hat. Normalerweise ist die Voreinstellung der Bremsenergierückgewinnung nahezu bei null. Das ist besonders effizient. Wenn ein vorausfahrendes Auto identifiziert wird und die Geschwindigkeitsdifferenz hoch genug ist, verstärkt sich die Rekuperation. Das geschieht rein technisch in mehreren Stufen, die aber subjektiv unmerklich verschliffen sind. Menschen, die sich nicht für Elektromobilität interessieren, bemerken das System oft gar nicht, und das ist wohl das Beste, was man über einen Fahrassistenten sagen kann. Er funktioniert intuitiv. Mögen die Profis auch darüber klagen, dass es keine mehrstufig und manuell einstellbare Rekuperation gibt, für die meisten Fahrer ist das egal, und außerdem kann der Assistent jederzeit abgestellt werden.

Zu den Schwächen: Traditionell ist der Preis des Smarts schlicht zu hoch. Bei 21.940 Euro geht es los. Dazu addieren sich der 22 kW-Lader für 840 Euro und meistens eine Ausstattungslinie wie zum Beispiel passion für 1.390 Euro und Frechheiten wie das Ladekabelpaket für 300 Euro. Dass zurzeit 4.000 Euro E-Prämie vom Bruttolistenpreis abgezogen werden können, lindert den Schmerz. Gut 15 Prozent der im September zugelassenen Smart fortwo fahren rein elektrisch.

Inzwischen gibt es übrigens etliche Gebrauchte aus der 451-Serie. Bei diesem Modell musste die Batterie meistens noch gemietet werden, was bis heute jeden Monat 65 Euro kostet. Auf Anfrage von heise Autos teilt die Pressestelle mit, dass man die Option des Herauskaufs aus dem Mietvertrag gerade prüft. Im aktuellen 453er gab es die Mischfinanzierung auf Kauf und Batterieleasing nie, der elektrochemische Speicher ist immer inklusive.

Schwächen im Detail – und beim Preis

Angesichts des Preises des Smart EQ darf auch die Erwartung an die Gesamtqualität hochgeschraubt werden. Die Fahrwerksgeräusche zum Beispiel sollten besser gedämmt sein. Hier liegt der EQ etwa auf dem Niveau eines Renault Zoe oder Hyundai Ioniq, dennoch weiß der Daimler, wie es leiser geht. Das Media-System ist veraltet. Es tut seinen Dienst, aber Geschwindigkeit und Menuführung sind nicht mehr up to date. Und dass die Batterie ein paar Zentimeter am Fahrzeugboden herausguckt, hinterlässt den Eindruck, als wäre das Auto doch nicht von Beginn an auch auf den Strombetrieb ausgelegt.

Laut Bordcomputer lag der Verbrauch bei 15,3 kWh / 100 km. Das beinhaltet anders als die Werksangabe nicht die Ladeverluste. Smart gibt den offiziellen Verbrauch sogar für die verschiedenen Ladeoptionen an, wobei einmal mehr das Erbe des Zoe durchschlägt: Am effizientesten ist der 22 kW- Lader mit einem Normwert von 12,9 bis 14,5 kWh gemäß altem NEFZ. Beim 4,6 kW-Gerät sind es bereits 13,9 bis 15,7 kWh und beim Schukostecker – letztlich eine Notlösung – sogar 18 bis 20,1 kWh. Ein Grund mehr, neben dem Aufpreis für den 22 kW-Lader auch in eine entsprechende Wallbox zu Hause zu investieren.

Fazit: Wer urban lebt und das nötige Kleingeld hat, findet im Smart EQ fortwo einen höchst angenehmen und agilen Untersatz. Unerlässlich ist die Prüfung der lokalen Ladeinfrastruktur. Falls die funktioniert, sollte der EQ in die engere Wahl genommen werden. Er macht Spaß, und er schont Lungen und Ohren der städtischen Mitbewohner.

Erschienen am 26. Oktober bei heise Autos.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

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