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Wenn es nur die eingeschränkte Reichweite wäre. Auch der hohe Preis verhindert den Kauf eines Batterie-elektrischen Autos. So oder so ähnlich begründen viele potenzielle Interessenten ihre Ablehnung gegen das Fahren mit Strom. Aber mittlerweile steigt die Zahl der gebrauchten und darum bezahlbaren Autos mit Ladestecker deutlich an.

Am Nissan Leaf lässt sich zeigen, was Kunden beachten sollten. Der Japaner eignet sich besonders gut als Beispiel, weil er mit über 250.000 Exemplaren der Weltverkaufsmeister ist. Außerdem gibt es in der Modellgeschichte des Leaf viele Besonderheiten, die für Fahrzeuge dieser Art typisch und übertragbar sind. Der Nissan steht als Teil fürs Ganze.

Zuerst: Auch Batterie-elektrische Autos sind einfach nur Autos. Das heißt, dass die Reifen verschleißen, die Bremsflüssigkeit getauscht werden muss und der Lack verwittert. Auf einen üblichen Check aller Funktionen sollte also niemand verzichten.

Prüfung der verbliebenen Batteriekapazität

Was aber ist mit der Batterie, der teuersten Komponente? Sie altert sowohl nach der Zahl der Ladezyklen als auch kalendarisch. Von der ursprünglichen Kapazität – beim Nissan Leaf waren das anfangs 24 Kilowattstunden (kWh) – bleiben irgendwann nur noch 92 oder 84 Prozent, und proportional sinkt die Reichweite. Dieser noch erzielbare Wert nennt sich State of health (abgekürzt: SOH). Die offiziellen Abnutzungsgrenzen liegen je nach Fahrzeugtyp zwischen 66 und 75 Prozent.

Beim Nissan Leaf kann jeder den Batteriezustand im Cockpit ablesen: Rechts neben der aktuellen Ladestandsanzeige wird die verbliebene Kapazität durch zwölf Balken dargestellt. Wenn weniger als neun zu sehen sind, gilt der elektrochemische Speicher als defekt. Der Hersteller gibt fünf Jahre oder bis 100.000 Kilometer Garantie. Bei der Ende 2015 eingeführten größeren Batterie mit 30 kWh sind es acht Jahre oder 160.000 Kilometer.

Weil der Leaf in Deutschland erst 2012 auf den Markt gekommen ist, befinden sich die meisten Fahrzeuge noch innerhalb dieser Fristen. Auf Anfrage teilt Nissan mit, dass bisher lediglich zwei Garantieanträge gestellt wurden. Generell lässt sich sagen, dass die Sorge vor einem vorzeitigen Verschleiß der Akkus unbegründet ist. Es wäre längst aufgefallen, wenn viele Hersteller auf den internationalen Märkten mangelhafte Technik verbaut hätten.

Dennoch sollten Interessenten sich unbedingt die genaue Restkapazität vom Verkäufer bescheinigen lassen – meistens lässt sie sich über die Onboard-Diagnose auslesen – und bedenken, dass der Aktionsradius langfristig sinkt.  Außerdem ist es klug, für den Fall der Fälle die Kosten für eine Ersatzbatterie zu erfragen und in die Kalkulation einfließen zu lassen. Einige Hersteller wie BMW bieten zudem an, auf einen größeren Speicher zu wechseln („Upgrade“), wofür beim i3 7.000 Euro bezahlt werden müssen.

Gesunde Skepsis bei der Einschätzung der Reichweite

Wie weit man mit einem Batterie-elektrischen Auto tatsächlich kommt, ist eine weitere kritische Frage. Die Werksangaben im offiziellen Testzyklus („NEFZ“) sind untauglich. Auch die in vielen Foren zu findenden Angaben der Nutzer sind mit Vorsicht zu genießen. Viele Besitzer bewerten das eigene Auto zu optimistisch und lassen schlechte Ergebnisse wegfallen. Eine gesunde Skepsis ist angebracht. Um beim Nissan Leaf zu bleiben: Der Normwert für die kleinere Batterie lag zuerst bei 175 Kilometern. Davon bleiben im Winter oft nur zweistellige Werte übrig.

Eine Verbesserung, und das wiederum ist beispielhaft, brachte das Modelljahr 2013: Optisch unverändert hat Nissan den Leaf überarbeitet. Der Kofferraum wuchs von 330 auf 355 Liter, und eine serienmäßige Wärmepumpe verringert seitdem den Energieverbrauch der Heizung spürbar. Autos, die keine Wärmepumpe haben wie ein Volkswagen e-Up erleiden bei Kälte die stärksten Reichweiteverluste. Ein Renault Zoe dagegen hat dieses Effizienzsystem immer.

Batterie: Gekauft oder gemietet?

Nissan hat den Leaf zum Start komplett verkauft; ab 2013 gab es analog zu Renault oder Smart außerdem ein Mischmodell aus Fahrzeugkauf plus monatlicher Batteriemiete. Interessenten müssen prüfen, ob der Inseratspreis inklusive oder exklusive Akku zu verstehen ist. Vorsicht: Die Batteriemiete kaschiert die Unterhaltskosten. Über eine mehrjährige Haltedauer können hier große Summen zusammenkommen.

Bei Nissan haben Gebrauchtwagenkäufer drei Möglichkeiten, falls sie auf einen Leaf mit Batteriemietvertrag treffen: Entweder können sie den Tarif des Vorbesitzers direkt übernehmen. Die monatliche Rate hängt von der Jahresfahrleistung ab und kann korrigiert werden. Als dritte Option bietet Nissan anders als Renault oder Smart an, die Batterie aus dem Vertrag zum Zeitwert herauszukaufen; hierfür werden 1.000 bis 6.000 Euro fällig.

Wer nicht gemächlich über Nacht laden möchte, sollte außerdem auf die Schnell-Ladeoption nach dem japanischen Chademo-Standard achten. An einer dafür ausgerüsteten Säule ist die Batterie in weniger als einer halben Stunde zu 80 Prozent geladen. Fast alle Leafs haben die Chademo-Buchse, aber eben nur fast.

Fazit: Jetzt ist für Neugierige die Zeit zum Einsteigen gekommen, zum leisen und kraftvollen Gleiten. Das Risiko beim Kauf eines Batterie-elektrischen Gebrauchtwagens ist überschaubar. Kunden sollten die verbliebene Kapazität feststellen und überlegen, ob die Reichweite für ihre individuellen Zwecke auch unter schwierigen Bedingungen genügt. Eine Recherche der Modellhistorie ist dringend empfehlenswert, weil die Hersteller große Fortschritte gemacht haben; Batteriekapazitäten sind gewachsen und Ladegeschwindigkeiten gestiegen. Das Schreckensszenario aber, die frühen Stromer wären nach wenigen Jahren durchgehend Elektroschrott, ist bis heute nicht eingetreten.

Erschienen am 17. Mai bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: Nissan

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