Endlich Model 3

Elon Musk kündigt „SN1“ am Unabhängigkeitstag an. Das Kürzel steht für Serial Number One, das erste Exemplar des Tesla Model 3. Die Botschaft geht per Tweet an die fast zehn Millionen Follower des Firmengründers. Die Aktionäre und die zwischenzeitlich rund 400.000 Menschen, die das Batterie-elektrische Auto reserviert haben, sollen wissen: Tesla hält das Versprechen, „Mitte 2017“ mit der Produktion zu beginnen. Jetzt geht’s los. Am 28. Juli folgt eine Übergabeparty für die ersten 30 Kunden. Im August werden laut Musk 100 weitere Model 3 gebaut werden. Im September 1.500. Und im Dezember könnten es bereits 20.000 Fahrzeuge sein. Was im Rest der Autoindustrie schlicht Hochlaufkurve genannt wird, heißt bei Elon Musk „exponentielles Wachstum“.

Das Ziel: Mit dem Model 3 will Tesla den Massenmarkt dominieren. Bei der Präsentation im März 2016 hat das Unternehmen drei Prototypen gezeigt und die Rahmendaten veröffentlicht. So soll die Reichweite im Serienauto bei mindestens 345 Kilometern liegen. Der Preis: Ab 35.000 US-Dollar.

Währenddessen, und das ist schon jetzt Autogeschichte, bildeten sich vor den Tesla Stores Warteschlangen. Für 1.000 US-Dollar oder in Deutschland 1.000 Euro konnte und kann jeder Interessent eine Reservierungsnummer ziehen. Wer die Lust am Model 3 verliert, bekommt das Geld zurück. Auf diese Weise hat Tesla nicht nur einen Eindruck für die Nachfrage nach der Mittelklasse-Limousine bekommen. Nebenbei dürfte hier auch ein zinsloser Kredit über 300 Millionen US-Dollar entstanden sein.

Spekulativer Basispreis: Rund 40.000 Euro

Wie hoch die Zahl der Reservierungen aktuell ist, sagt Tesla nicht. Spannend wird es ohnehin erst, wenn der echte Verkaufspreis feststeht. Denn aus den 35.000 US-Dollar werden ganz sicher nicht die knapp 31.000 Euro, die sich aus dem Umrechnungskurs ergeben: In den USA werden die Preise ohne Mehrwertsteuer angegeben. Addiert man die 19 Prozent in Deutschland sowie Fracht, Zulassungsformalitäten und nationale Anpassungen, dürften nach Abzug der staatlichen E-Prämie knapp unter 40.000 Euro verbleiben. Eine Spekulation, die Tesla in den nächsten Wochen durch Klarheit beenden wird.

Wer einen Tesla mit den Features haben will, die markentypisch sind, wird wahrscheinlich mehr als 60.000 Euro nach Fremont überweisen müssen: Auf der Wunschliste der meisten Käufer stehen die Fahrautomatisierungsfunktionen („Autopilot“), die beim luxuriösen Model S 10.600 Euro Aufpreis kosten, der Allradantrieb „Dual Drive“ und natürlich ein größeres Batteriepaket als in der Basisversion.

Anders als der Preis ist die angegebene Reichweite von 345 Kilometern realistisch. Das liegt daran, dass sie im strengen US-Zyklus (EPA) erhoben wurde. Auf der laschen europäischen Messfahrt (NEFZ) werden daraus leicht 500 Kilometer. Das wiederum ist eine zu optimistische Angabe, denn das Batteriepaket mit einer geschätzten Kapazität von etwa 55 Kilowattstunden hat es mit einem fast 4,70 Meter langen und knapp 1,90 Meter breiten Auto zu tun.

Es besteht kein Zweifel, dass das Tesla Model 3 die automobile Mittelklasse in Aufruhr versetzt. Elon Musk zwingt die traditionelle Autoindustrie zum Handeln – die Branche sieht mit einer Mischung aus überheblichem Lächeln und ängstlichem Zittern nach Kalifornien, wo das Model S seit 2012 den Premiumherstellern BMW, Lexus, Mercedes und Porsche große Marktanteile wegnehmen konnte.

„Compliance Cars“ oder echte Wettbewerber?

Tesla an sich ist ein immer wiederkehrendes Diskussionsthema in digitalen Foren und analogen Streitgesprächen. Die Fans sind manchmal euphorisiert und sehen andere Batterie-elektrische Autos lediglich als „Compliance Cars“ an, die ausschließlich mit der Motivation gebaut werden, die gesetzlichen CO2-Auflagen zu erfüllen. Bei nüchterner Betrachtung steigt die im Moment knappe Auswahl an Batterie-elektrischen Autos und damit an Alternativen mittelfristig stark an. Die Konkurrenz wächst.

So hat Volvo, seit 2010 in Besitz der chinesischen Geely-Gruppe, gerade bekannt gegeben, zwischen 2019 und 2021 fünf reine E-Autos unter dem Label „Pole Star“ auf den Markt zu bringen. Die französische PSA-Gruppe mit den Marken Citroen, DS Automobiles und Peugeot kooperiert mit Dongfeng und plant im gleichen Zeitraum, jährlich mindestens ein Batterie-elektrisches Auto sowie einen Plug-In-Hybriden zu präsentieren. Jaguar verkauft ab 2018 den i-Pace, der ähnlich Außenmaße hat wie das Model 3, aber einen längeren Radstand als das Model S. Magna in Österreich fertigt den leisen Jaguar.

Deutsche Hersteller steuern um

Wer den deutschen Herstellern unterdessen Tatenlosigkeit vorwirft, ist schlecht informiert. BMW hat seit 2013 mit dem i3 ein besonders interessantes Fahrzeug im Programm. Die Gerüchte verdichten sich, dass die Bayern auf der IAA im September einen 3er mit reinem E-Antrieb vorstellen. Serienstart: 2019.

Daimler will den Smart in den USA nur noch elektrisch verkaufen. In Deutschland ist das komplette Portfolio aus Fortwo, Fortwo Cabio und Forfour wahlweise mit oder ohne Verbrennungsmotor im Handel. Der Preis für die electric drive-Versionen ist im Vergleich zum Vorgänger deutlich gesunken. Spätestens 2019 folgt Mercedes mit einem SUV der „EQ“-Reihe.

Die RWTH Aachen führt nach der mittlerweile zur Deutschen Post gehörenden Streetscooter GmbH im Frühjahr 2018 die zweite Ausgründung zum Serienanlauf: Die e-Go Mobile AG baut den Kleinwagen Life, der mit Bosch-Technik und vier Sitzen für 11.900 Euro (E-Prämie bereits abgezogen) zu haben sein wird.

40-mal höherer Batteriebedarf

Und Volkswagen? Wird unterschätzt. Der nach Verkaufszahlen größte Autokonzern der Welt ist aufgewacht. e-Golf und e-Up sind heute im Programm. 2018 kommt der Oberklasse-Crossover Audi e-tron. Und ab 2019 geht es bei der Kernmarke mit dem Modularen Elektrifizierungsbaukasten MEB richtig los: Das Kompaktauto I.D., das Schrägheck-SUV I.D. Crozz sowie der Bus I.D. Buzz sind sicher. Zwei weitere Baureihen für China und die USA gelten auch als gesetzt.

Auf dem Versuchsgelände in Ehra-Lessien hat Volkswagen Ende Juni einen Einblick in die Konzernforschung gewährt. Eine Prognose stach dabei heraus: Wenn der Konzern wie geplant im Jahr 2025 ein Viertel aller Neuwagen mit Batterie-elektrischem Antrieb verkaufen will und zugleich den Marktanteil konstant halten kann, muss sich die weltweite Produktionskapazität für Batterien im Vergleich zu 2016 um das 40-fache steigern.

Tesla hat eine Revolution ausgelöst.

Erschienen am 7. Juli bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: electrek

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