Geht doch: Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat die Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) für mehrere Diesel-Nachrüstsätze erteilt. Mit diesen Systemen dürfen Besitzer von Euro 5-Selbstzündern in Verbotszonen einfahren. Es gibt jetzt Freigaben für diverse Motorenfamilien von Mercedes, Volkswagen und Volvo. Die beiden deutschen Hersteller unterstützen den Umbau mit bis zu 3.000 Euro – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.
5,4 der 15,1 Millionen Diesel-Pkw in Deutschland (Stand: 1. Januar 2019) sind nach der Euro 5-Norm zertifiziert. Autos, die in den Jahren 2011 und 2015 zugelassen wurden und oft noch einen erheblichen Wert haben. Mit der Nachrüstung eines SCR-Katalysators, der den Stickoxidausstoß nachweisbar auf höchstens 270 mg / km begrenzt, dürfen diese Pkw in kommunale Verbotszonen fahren. Eine Umschlüsselung erfolgt nicht; es gibt aber einen Eintrag im Fahrzeugschein. Ob es weitere Maßnahmen gibt – zwischenzeitlich wurde etwa die automatische Kennzeichenerkennung diskutiert – ist offen.
Nach Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA) lagen die tatsächlichen Stickoxidemissionen von Euro 5-Dieseln mit durchschnittlich 906 mg NOx / km weit über dem gesetzlichen Grenzwert von 180 mg / km. Das Ziel einer Nachrüstung ist die Verbesserung der Luftqualität. Dass diese Systeme wirksam sind, hat das KBA durch die Erteilung der ABEs bestätigt. Wer aber zahlt dafür?
Zuschuss nur in so genannten Intensivstädten
Zuerst hatte sich Mercedes dazu bekannt, bis zu 3.000 Euro für die Nachrüstung mit einem SCR-Katalysator zu bezahlen. Die Dr. Pley SCR Technology GmbH hat eine ABE für die Motorenfamilie OM651 bekommen. Diese Maschine ist in etlichen Mercedes-Modellen der C-, E-, GLK- und V-Klasse eingebaut. Und obwohl der Daimler darauf verweist, dass man für die Teile von Drittanbietern keine Haftung übernehme, gibt es eine Webseite, auf der Fahrzeughalter prüfen können, ob es einen Zuschuss gibt.
Die Bundesregierung hat so genannte Intensivstädte identifiziert, in denen die Reduktion der Luftschadstoffe besonders wichtig ist. Zurzeit sind das Backnang, Bochum, Darmstadt, Düren, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Heilbronn, Kiel, Köln, Limburg an der Lahn, Ludwigsburg, München, Reutlingen und Stuttgart. Mercedes zahlt nur, wenn das Auto vorm 2. Oktober 2018 auf den aktuellen Halter zugelassen wurde und dessen erster Wohnsitz in einer dieser Städte ist. Auch Pendler, die ihren Arbeitsplatz dort haben, können eine Förderung erhalten. Weitere Regelungen gibt es unter anderem für Schwerbehinderte.
Ab Ende Oktober, so erklärt es Dr. Martin Pley im Gespräch mit heise Autos, beginnt die Auslieferung der Nachrüstsätze. „Es kommen circa 200 Anfragen pro Tag an, von denen die meisten in Bestellungen enden.“ Er schätzt, dass auf Sicht mindestens 5.000 Systeme pro Monat gefertigt werden. Hierzu hatte Pley schon früh und auf eigenes Firmenrisiko Kontakt zu industriellen Partnern aufgenommen.
ABEs für Volkswagen EA189 und EA288
Mit etwas Verzögerung – Branchenkenner rechnen im ersten Quartal 2020 damit – dürfte das nach Zahlen wichtigste und auch emotional bedeutsamste Nachrüstprodukt in die Installation gehen: Die Baumot Technology GmbH, auch bekannt durch den Namen Twintec, hat eine ABE für die Volkswagen-Motoren EA189 und EA288 erhalten. Die Freigabe erfasst diverse TDI-Varianten mit 1,6 und 2 Litern Hubraum, die in vielfältigen Modellen des Konzerns eingebaut wurden. Dazu zählen unter anderem der Polo, der Golf, der Touran, der Passat, der Tiguan, der T5 und der Caddy bei Volkswagen. Bei Audi können einige TDI-Modelle von A1, A3 und A4 nachgerüstet werden. Und auch bei Skoda (Fabia, Roomster, Octavia) und Seat (Leon, Exeo) sind viele Autos offiziell verbesserungsfähig.
Volkswagen hat dazu keine Pressemeldung veröffentlicht, aber am letzten Wochenende analog zu Mercedes eine Webseite freigeschaltet. Hier kann unter anderem der Antrag für den Zuschuss heruntergeladen werden. Interessenten können also vorab klären, ob sie Geld von Volkswagen bekommen, bevor sie ihr Auto umrüsten lassen. Die Bedingungen und Einschränkungen sind in Absprache mit der Bundesregierung ähnlich wie bei Mercedes.
Besitzer von Importfahrzeugen und Altdiesen gehen leer aus
Von den drei großen deutschen Automobilkonzernen haben sich mit der Daimler AG und der Volkswagen AG zwei zu ihrer finanziellen Verantwortung bekannt. Bei der BMW Group ist man noch zögerlich und sagt, man könne sich eine Zuzahlung erst nach 2020 (also ab 2021) vorstellen. Eine Haltung, die möglicherweise überdacht wird, wenn ein Nachrüstsatz vom KBA genehmigt ist. So arbeitet zum Beispiel die Dr. Pley SCR Technology GmbH an einem System für den Vierzylindermotor mit zwei Litern Hubraum und dem Kürzel N47D20.
Der Einbau von SCR-Katalysatoren ist selbstverständlich nicht verpflichtend. Die Hersteller raten zwar nicht ausdrücklich davon ab – so war es anfangs von Volkswagen zu hören – betonen jedoch in ihren Statements, dass sie andere Lösungen wie Umtauschprämien beim Neukauf bevorzugen. Man bleibt skeptisch und will lieber fabrikfrische Ware auf die Straße bringen.
Keine Angebote gibt es von den Importherstellern. Wer also einen gut erhaltenen Peugeot, Renault oder Toyota mit Euro 5-Norm hat, geht wahrscheinlich komplett leer aus. Keine Nachrüstsysteme, kein Geld. Ähnlich sieht es für die verbliebenen Altdiesel der Normen Euro 4 und davor aus.
Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang SCR-Katalysatoren in Bestandsautos eingebaut werden. Viele Halter werden sich abwartend verhalten. Unter anderem, weil nicht feststeht, wo und wie lange Fahrverbotszonen eingeführt werden und wie lange sie bestehen bleiben. Sollten die Messwerte an den Straßen unter die EU-Grenzwerte fallen, sind sie obsolet – die Städte und deren Bewohner würden sich freuen.
Erschienen bei heise Autos.