BMW ist zurück

Im Jahr 2022 greift BMW mit neuen Elektroautos an: Die elegante Schrägheck-Limousine i4 will jene Kundinnen und Kunden gewinnen, denen ein Tesla Model 3 weder hochwertig noch sportlich genug ist. Der luxuriöse iX ergänzt das erfolgreiche SUV iX3 nach oben. Der i7 ist das elektrische Pendant zum 7er und ein direkter Wettbewerber zum Mercedes EQS. In China gibt es unter der Bezeichnung i3 einen 3er BMW ohne Verbrennungsmotor. Der kommt vielleicht auch nach Deutschland, wo er aber einen anderen Namen bekommen müsste: Noch wird der Van-artige Kompaktwagen i3 produziert, der seit 2013 im Angebot ist. Bei Mini wird die nächste Auflage des Mini-E wahrscheinlich zum Jahresende vorgestellt. Und der futuristische Roller EC04 beamt die Motorradsparte in die nächste Ära. Die Apologeten der Elektromobilität sind trotzdem unzufrieden.

Das liegt zuerst an der Art und Weise, wie BMW kommuniziert. Nämlich vorsichtig. 2030 sollen die Hälfte aller Neuwagen Batterie-elektrisch unterwegs sein, hieß es auf der letzten Hauptversammlung im Mai. Vorstandsvorsitzender Oliver Zipse musste sich dafür viel Kritik anhören. Man sei zu zögerlich, hieß es.

Zurückhaltung statt Großsprech

„BMW verfolgt eine Multiantriebsstrategie, weil man nicht ausschließlich ans Batterie-elektrische Auto glaubt“, sagt Professor Stefan Bratzel dazu. Der Leiter des Center Automotive Management (CAM) an der FHDW Bergisch Gladbach erklärt weiter: „BMW ist sehr innovativ, hat aber eine schlechte Marktkapitalisierung.“ Das liege auch an der zurückhaltenden Öffentlichkeitsarbeit.

Wie es anders geht, zeigt ein ehemaliger Manager aus München: Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, verkündet überall aggressiv, dass das Batterie-elektrische Auto die einzig mögliche Zukunft wäre. Damit kommt er zwar an der Börse gut an. Aber nicht unbedingt bei den eigenen Mitarbeitern. Außerdem verunsichert Diess jene Kunden, für das Aus des Verbrennungsmotors eben nicht beschlossen ist. Und das sind, wenn man die Plug-in-Hybride dazuzählt, hierzulande immer noch rund 80 Prozent.

Batterie-elektrische Antrieb absehbar keine Alleinlösung

Bei nüchterner Betrachtung des Weltmarkts liegen die Marktanteilsprognosen der Elektroautos für das Jahr 2030 bei der gesamten Autoindustrie in einer ähnlichen Größenordnung. Rechnet man nicht nur Europa und die USA, sondern auch China als größten Einzelmarkt sowie Südamerika und andere hinzu, nimmt kein Konzern an, dass mehr als zwei Drittel Batterie-elektrisch fahren. Die Voraussetzungen in den jeweiligen Nationen sind höchst unterschiedlich. Lediglich einzelne Marken sollen komplett elektrisch werden, was leicht zu einer Verzerrung der Wahrnehmung führt. Weitet man den Blick, ergibt sich ein anderes Bild.

Ein Beispiel für eine differenzierte Zukunftserwartung ist der japanische Toyota-Konzern, der zurzeit größte Autohersteller der Welt. In Europa und damit auch in Deutschland wird die Premiummarke Lexus im Jahr 2030 nur noch Elektroautos anbieten, sagte Präsident Akio Toyoda im Dezember bei einer Pressekonferenz, zu der er nicht weniger als 16 kommende Elektroautos zeigt. Zugleich erklärt der Enkel des Firmengründers, dass mit 3,5 Millionen Elektroautos zum Ende des Jahrzehnts nur rund ein Drittel des erwarteten Absatzes ohne Verbrennungsmotor unterwegs ist: „Nicht der Antrieb, sondern der Kraftstoff ist entscheidend für die Dekarbonisierung“, so Toyoda.

Unterschiedliche Kundenwünsche erfüllen

Das eine tun ohne das andere zu lassen, so geht auch BMW vor. Man will jene Kunden nicht verprellen, die der Ansicht sind, dass ein Batterie-elektrisches Auto nicht oder noch nicht zu ihnen passt. Das Ergebnis lässt sich am X3 ablesen, einem international beliebten Kompakt-SUV: Der Interessent hat die freie Auswahl. Diesel- und Ottomotoren werden ebenso angeboten wie Plug-in-Hybridantriebe und der eingangs erwähnte elektrische iX3.

Auch der Brennstoffzellen-elektrische Antrieb wird bei BMW zumindest in der Kleinserie des X5 Hydrogen Next gepflegt. Große Fahrzeuge über lange Strecken bewegen zu können ist der Vorteil dieser Technologie. Und an der Wasserstoff-Zapfsäule sind die Tanks in vier Minuten gefüllt. Eine Degradierung der Kapazität und folglich eine langfristig schrumpfende Reichweite wie bei der Batterie ist ebenfalls nicht vorhanden. Die Befürworter des Batterie-elektrischen Fahrens sind dagegen sicher, dass hier lediglich Geld verbrannt wird, weil die Zellchemie irgendwann unschlagbar gut und preisgünstig sein werde. Unternehmen wie Toyota, Hyundai, Renault und Stellantis mit der Marke Opel sehen das anders und halten weiterhin an der Brennstoffzelle fest.

BMW reagiert dynamisch

Dass BMW sich nicht ins Abseits manövriert, könnte mit einer Stärke zusammenhängen, die typisch für das Unternehmen ist und einen deutlichen Kontrapunkt zu Volkswagen setzt: „Im Vergleich zu VW ist BMW viel dynamischer“, analysiert Professor Bratzel. Mit der Pause zwischen den Innovationsträgern i3 und i8 bis zu der aktuellen Offensive hätte man jedoch Zeit verspielt, so Bratzel: „Der Anspruch von BMW muss sein, Erster zu sein. Dort könnte BMW jetzt sein, wenn man kontinuierlich vorgegangen wäre.“

So bewegt sich BMW zwischen den Erwartungen der Börsenanalysten einerseits und jenen der internationalen Kundschaft andererseits. Möglicherweise könnte die Traditionsmarke besonders zukunftsfest sein: BMW will nicht nur den Antrieb dekarbonisieren, sondern zugleich exzellente Autos bauen. Und auch das zählt.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: BMW

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