Supercharger für alle: Das staatlich geförderte Netz von DC-Multichargern an den meisten der 400 Standorte von Tank & Rast ist Wirklichkeit. Im Interview mit ELECTRIVE.net erklärt Jörg Hofmeister, Leiter Elektromobilität beim Unternehmen, wo es Lücken gibt, wie es mit Ladeparks vorangeht und ob ein einheitliches Bezahlsystem kommt.
Herr Hofmeister, 2017 war ein gutes Jahr für die E-Mobilität bei Tank & Rast: Wer viel Autobahn fährt, konnte wöchentlich neue Ladesäulen entdecken. Wie viele Standorte sind inzwischen versorgt?
Ja, 2017 war ein gutes Jahr für die Elektromobilität bei Tank & Rast, vor allem aber für die Elektromobilisten unter unseren Kunden sowie die Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland insgesamt. Wir freuen uns, dass wir heute ein flächendeckendes Schnellladenetz in unserem Servicenetz entlang der deutschen Autobahnen vorweisen können. Aktuell sind – Stand Januar 2018 – circa 300 Anlagen von Tank & Rast mit Schnellladesäulen ausgerüstet.
Diese werden von Kunden mit zunehmender Häufigkeit genutzt. Das zeigt, dass wir mit unserem Ausbauprogramm einen wesentlichen Beitrag für die Langstreckentauglichkeit von Elektroautos leisten. Weitere Standorte werden in den kommenden Monaten folgen. Tank & Rast zielt darauf ab, das Netz zu verdichten und die Ladeinfrastruktur aktiv aufzurüsten.
Im Moment gibt es ausschließlich einzelne DC-Multicharger mit CCS- und Chademo-Anschluss sowie 50 kW Leistung. Wann beginnt der Ausbau zu Ladeparks?
Es ist richtig, dass wir bislang meist ein oder zwei Multicharger pro Standort errichtet haben, was sich bislang als ausreichend erwiesen hat. Zugleich haben wir einen Großteil der Standorte durch vorausschauende Maßnahmen wie die Verlegung entsprechend starker Kabel von Anfang an für ein Upgrade auf höhere Ladeleistungen vorbereitet.
Natürlich sehen wir die wachsende Dynamik im Markt, insbesondere durch verbindliche Ankündigungen der Automobilhersteller. Wir haben den Anspruch, Mobilitätskonzepte der Zukunft aktiv zu fördern und zu gestalten. Aus diesem Grund arbeiten wir mit unseren Partnern EnBW, E.ON, innogy und IONITY darauf hin, an möglichst allen Anlagen im Servicenetz die bestehende Ladeinfrastruktur weiterzuentwickeln. Damit bereiten wir uns auf die kommenden Bedürfnisse unserer Kunden vor.
Welche Ladeleistung wird in den Ladeparks zur Verfügung stehen?
Wir glauben, dass unsere bestehenden 50kW-Ladesäulen noch lange Zeit von Fahrzeugen mit entsprechender Ladeleistung genutzt werden. Daher werden wir auf diese Technologie in naher Zukunft nicht verzichten. Selbstverständlich werden wir im nächsten Schritt auf Ladeleistungen setzen, die 50kW übertreffen, damit die Ladedauer für unsere Kunden Schritt für Schritt verkürzt werden kann.
Gemeinsam mit unseren Partnern verfolgen wir die technologischen Entwicklungen bei Fahrzeugen und Infrastruktur deswegen sehr genau. Wir planen mit Ladesäulen, die den Leistungsbereich zwischen 150kW und 350kW abbilden. Ein erfolgskritischer Faktor für deren Rollout ist natürlich, dass die Technologie inklusive aller relevanten Bauteile wie zum Beispiel gekühlter Ladekabel zeitnah vollständig zertifiziert zur Verfügung steht.
Die Anzahl künftiger Ladepunkte wird sich stark an der Kunden- und Marktnachfrage orientieren und ist erheblich von den Bedingungen an den jeweiligen Standorten abhängig. Für uns steht außerdem im Vordergrund, dass alle unsere Kunden – unabhängig vom Ladestandard ihres Fahrzeuges – weiterhin an Standorten von Tank & Rast laden können. Sicherlich werden wir aber eine stärkere Konzentration auf CCS-fähige Fahrzeuge erleben.
Wie viele Standorte sollen zu Ladeparks ausgebaut werden?
Wir beginnen bereits in den nächsten Monaten mit dem weiteren Ausbau unserer Ladeinfrastruktur, sowohl was die Erhöhung von Ladeleistungen als auch was die Erhöhung der Anzahl von Ladepunkten angeht. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir jetzt noch keine konkreten Angaben zu den Plänen machen können.
Welche Rolle nimmt Tank & Rast ein – sind Sie Verpächter der Standorte, organisieren Sie die Betreiber?
Das BMVI, Tank & Rast und seine Kooperationspartner treiben das Programm zum Ausbau der Elektromobilität an deutschen Autobahnen gemeinsam voran. Im Rahmen des aktuellen Rollouts ist Tank & Rast verantwortlich für Konzeption, technische Planung, Ausschreibung sowie Umsetzung der Ladesäulen und trägt anteilig die Kosten. Mit EnBW, E.ON, innogy und IONITY stellen wir den professionellen Betrieb der Ladestationen sicher. Die nächsten Ausbaustufen erarbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern.
Wird nur ein Betreiber pro Standort möglich sein, oder wird es bald Konkurrenz geben?
Im Regelfall werden die Ladestationen an einem Standort von einer Firma betrieben. Unabhängig von der Betreiberfrage ist es für uns wichtig, dass alle Kunden an unseren Standorten ihre Elektroautos laden können. Dementsprechend wird es Lösungen geben, die sich in Bezug auf Ladeleistung, Ladeschnittstellen oder Anbieter unterscheiden können, aber grundsätzlich zueinander kompatibel sind.
Wie verhalten sich die Mineralölkonzerne, die Kraftstoffe an den Tankstellen von Tank & Rast vertreiben – beobachten Sie ein Interesse an der späteren Errichtung von Ladesäulen zum Beispiel durch Shell?
Als bundesweiter Betreiber von Raststätten und Autobahntankstellen steht Tank & Rast selbstverständlich im engen Austausch mit Mineralölgesellschaften, auch bei der Elektromobilität. Mit Interesse verfolgen wir hier die Aktivitäten und sind gespannt, welche Möglichkeiten der Kooperation sich ergeben könnten.
Wie sehen Sie Tank & Rast im Vergleich zu den Autohöfen aufgestellt, wenn es um Ladeinfrastruktur geht?
Tank & Rast verfügt mit den genannten rund 300 Standorten bereits heute über eine flächendeckende Schnellladeinfrastruktur direkt auf der Autobahn, was für Kunden ein großer Vorteil ist: Sie müssen die Autobahn für den Stopp nicht verlassen. Natürlich verfolgen wir die Aktivitäten anderer Akteure, die sich im Feld der Elektromobilität engagieren.
Ist die Ladeinfrastruktur für Sie ein Geschäftsmodell oder nur eine Pflichtübung, die Sie abarbeiten müssen?
Das zeigen unsere Aktivitäten sehr klar: Elektromobilität ist für Tank & Rast ein neues, ergänzendes Geschäftsfeld, mit dem wir uns vorausschauend auf vielfältige Mobilitätskonzepte der Zukunft einstellen und auf sich wandelnde Kundenbedürfnisse reagieren. Außerdem haben wir im vergangenen Jahr eine eigene Organisationseinheit gegründet, die alle Themen der Elektromobilität bei Tank & Rast bündelt und entschieden vorantreibt.
Wie gehen Sie mit zugeparkten Ladesäulen oder E-Autos mit langer Ladezeit um – ist Abschleppen oder eine Begrenzung geplant?
Leider kann es immer wieder mal vorkommen, dass die Parkplätze an den Schnellladesäulen zugeparkt sind. Ein Grund kann dabei die teilweise noch fehlende Beschilderung der entsprechenden Ladeflächen sein. Die Anbringung der Markierungen obliegt den jeweils zuständigen Behörden. Hierbei kann es gerade zum Start eines neuen Standortes zu Verzögerungen kommen.
Zudem gibt es nach unserer Beobachtung einen Lernprozess bei den Verkehrsteilnehmern: Je mehr Elektrofahrzeuge unterwegs und damit sichtbar sind, desto stärker beschäftigen sich Autofahrer mit den Bedürfnissen der Elektroautofahrer und halten die Parkplätze an den Ladesäulen frei.
Viele Nutzer beklagen, wie die Umstellung der DC-Schnelllader auf die kostenpflichtige Abrechnung läuft. Auch ist die Identifizierung nicht einheitlich und unterscheidet sich durch die Betreiber von Standort zu Standort. Warum haben Sie keine einheitlichen Standards vorgegeben? Und: Holen Sie das für künftige Ladeparks vielleicht nach?
Tank & Rast kooperiert beim Ausbau der E-Ladeinfrastruktur mit verschiedenen Partnern. Durch die Aktivitäten von EnBW und innogy sind nun mehr als zwei Drittel der Ladestationen im Tank & Rast Servicenetz kostenpflichtig. Die verbliebenen kostenfreien Ladestationen sollen noch 2018 durch unsere Kooperationspartner in den kostenpflichtigen Betrieb überführt werden.
Die Vereinheitlichung von Authentifizierungs- und Abrechnungsprozessen kann von einem Akteur alleine nicht gelöst werden. Wir befinden uns deshalb im intensiven Austausch mit unseren Partnern, um das Kundenerlebnis bei der Authentifizierung und Abrechnung so attraktiv wie möglich zu gestalten, etwa durch Plug & Charge. Dies ist ohne Zweifel ein zentrales Ziel zukünftiger Entwicklungen und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Herr Hofmeister, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Erschienen am 17. Januar bei ELECTRIVE.net.
Bildquelle: Screenshot Christoph M. Schwarzer