Für Kühlschränke und Neuwagen gibt es ein farbiges Energieeffizienzlabel. Zahlenwerte und Buchstaben ergänzen die Informationen, die der Kundin helfen soll, ein möglichst sparsames Produkt zu kaufen. Während bei den Weißgeräten für den Haushalt seit 1. März eine Reform in Kraft getreten ist, die mit einer Verschärfung einhergeht, tut sich bei den Autos nichts. Und das, obwohl eine Reform der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (abgekürzt EnVKV) seit Jahren notwendig ist: Mit der Ablösung des laschen Messzyklus NEFZ durch das strengere Verfahren WLTP ab 2017 sind die CO2- und Verbrauchswerte angestiegen. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat zum Jahreswechsel aber lediglich eine Empfehlung herausgegeben. Eine Notlösung, mehr nicht.
Eigentlich hätte eine europäische Rahmenrichtlinie zum 1. Januar die Überarbeitung erfordert. Man sei in „Ressortabstimmungen“, heißt es vom BMWi, und „abschließende Entscheidungen“ wären noch nicht getroffen. Einen Zeitplan könne man darum nicht mitteilen.
Kfz-Steuer wird längst nach WLTP bemessen
Das ist für Autokäuferinnen ärgerlich, weil die Kfz-Steuer auf Basis des inzwischen nicht mehr ganz neuen WLTP statt des komplett ausgelaufenen NEFZ bemessen wird. Dass das BMWi nun lediglich empfiehlt, im Verkaufsraum einen Zettel mit den CO2-Emissionen nach WLTP anzubringen, ist für Interessenten problematisch. Eine Empfehlung bedeutet eben Freiwilligkeit.
Ein weiterer Anlass für Verwirrung ist, dass mit der Einführung von WLTP für eine bestimmte Motor-Getriebe-Kombination eines Fahrzeugtyps nicht mehr ein einheitlicher CO2-Wert gilt, sondern ein ausstattungsindividueller. Breitreifen und Aerodynamikpaket? Könnte fünf Gramm pro Kilometer und entsprechende Steuern mehr machen. ZEIT ONLINE hatte bereits vor zwei Jahren in Hintergrundgesprächen mit der Autoindustrie erfahren, dass die Online-Konfiguratoren mit jedem Klick in der Optionsliste die veränderten CO2-Emissionen anzeigen werden. Passiert ist nichts, weil die Hersteller auf die Vorgaben des Gesetzgebers warten.
Gewichtsbezug statt Einteilung nach absoluten Werten
Die Pkw-EnVKV steht von Beginn an in der Kritik, weil sie in Deutschland – anders als zum Beispiel in Frankreich – keine absolute Einteilung in Klassen, sondern eine mit Gewichtsbezug vorsieht. Ein ähnliches System hat die deutsche Politik bei den europäischen Vorgaben für die Begrenzung der CO2-Flottenemissionen durchgesetzt.
Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland e.V (VCD), kritisiert die derzeitige Regelung: „Ein Kunde kauft ein Auto nicht wegen des Gewichts, sondern für einen Einsatzzweck, und der ist nicht automatisch ans Gewicht gebunden.“ Das heutige Label, so Müller-Görnert, sei so austariert, dass schwere Fahrzeuge besonders gut wegkommen. Es verzerre zu Gunsten deutscher Premiumautos.
Für eine Reform gibt es unterschiedliche Ideen. Neben dem Ansatz, die absoluten CO2-Emissionen als Maßstab zu nehmen, könnte zum Beispiel die Verkehrsfläche eines Autos als Vergleichsfaktor dienen. In der Stadt ist Platz schließlich knapp. Andererseits müssten die Fahrzeuge dann höher gebaut werden, was wiederum die Aerodynamik negativ beeinflusst und den Verbrauch auf der freien Strecke erhöht. Dieser kleine Ausschnitt zeigt, dass eine zeitgemäße Gestaltung nicht trivial ist.
Verbrauchangaben für Plug-in-Hybride könnten transparenter werden
Eine neue Aufgabenstellung sind auch Batterie-elektrische Autos und Plug-in-Hybride, die bei der Einführung der Pkw-EnVKV noch keine Rolle spielten. Hierfür veröffentlicht das BMWi immerhin konkrete Empfehlungen, die einen Hinweis auf das spätere Gesetz geben: So solle bei allen Pkw mit Ladestecker die elektrische Reichweite bei voller Batterie angegeben werden. Und bei Plug-in-Hybriden sollen der „kombinierte gewichtete Energieverbrauch“ sowie die entsprechenden CO2-Emissionen ausgewiesen werden.
Hinter diesen dürren Sätzen verbergen sich mehrere Konflikte. Was zum Beispiel ist der Vergleichsmaßstab für Batterie-elektrische Autos untereinander? Wenn das der absolute Stromverbrauch wäre, könnte man kaum erklären, warum dieses System nicht auch für Pkw mit Verbrennungsmotor gelten müsste. Würde man aber einen Gewichtsbezug mit einbeziehen, könnten über zwei Tonnen schwere Elektro-SUVs plötzlich zu staatlich anerkannten Ökomeistern werden.
Gesamtkette der CO2-Emissionen
Noch deutlicher ist das Problem bei Plug-in-Hybriden. Der kombinierte Verbrauchswert, der vom BMWi vorgeschlagen wird, verschleiert den Kraftstoffkonsum bei leerer Batterie. Der ist nämlich ziemlich hoch. Zwar wird dieser Wert bei der Typzulassung eines Autotyps erhoben und anschließend in die Konformitätsbescheinigung (CoC) aufgenommen. Es wäre also leicht, diese Verbrauchangabe in ein Label zu übernehmen. Aber damit wäre der letzte Rest des sauberen Images der Plug-in-Hybride vernichtet.
Mit Blick auf Batterie-elektrische Autos ergänzt Müller-Görnert, dass sie „nicht per se Nullemissionsautos sind. Je nach Stromherkunft entstehen indirekt CO2-Emissionen. Darum wäre es sinnvoll, bei Elektroautos die CO2-Emissionen bezogen auf den deutschen Strommix als zusätzliche Information anzugeben.“ Gleichermaßen wären die Emissionen bei der Produktion von Benzin und Diesel auszuweisen, so Müller-Görnert. Trotzdem sei belegt, dass Elektroautos nach 20-40.000 Kilometern klimaschonender als vergleichbare Pkw mit Verbrennungsmotor unterwegs wären, und der Strommix wird jährlich besser.
Das Bundeswirtschaftsministerium setzt sich mit der aktuellen Empfehlung über die Verpflichtung der Europäischen Union hinweg. Dabei wäre es gerade in dieser Umwälzungsphase besonders wichtig, die Käuferinnen transparent und korrekt zu informieren. Dass das nicht passiert, lässt Schlechtes erahnen: Es wird einen Minimalkonsens geben, der weder dem Fahrer noch der Umwelt nutzt.
Erschienen bei ZEIT ONLINE.