Stellen wir uns einen Augenblick zwei Schritte zurück. Beamen wir uns ein Jahr in die Zukunft. Was bleibt übrig von der aktuellen Abgasdiskussion und der impliziten These, dass der Dieselmotor am Ende ist? Wahrscheinlich wenig. Die deutlichste Konsequenz aus dem Manipulationsskandal werden Autos sein, die eine bessere Reinigungstechnik als heute haben. Wir haben, auch um ums selbst zu provozieren, einen Testwagen geordert, der nach allgemeiner Annahme so nicht mehr lange im Portfolio sein kann. Einen Kleinwagen, bei dem sich der Mehrpreis für den Selbstzünder nur selten rechnet. Es ist der Peugeot 208 BlueHDI 100. Besonderes Merkmal: anders als die Wettbewerber und manches Produkt der oberen Mittelklasse ist der Franzose mit einem aufwändigen SCR-Katalysator ausgerüstet. So wie sämtliche Pkw der Marken Peugeot und Citroen mit Dieselmaschine.
Der PSA-Konzern setzt mit der SCR-Reinigung auf eine Technologie, die lange als zu teuer galt. Es muss ein zweiter Tank für die wässrige Harnstofflösung mit dem Handelsnamen AdBlue eingebaut werden, was raren Bauraum kostet. Und irgendwann muss diese Flüssigkeit nachgefüllt werden, weil der Gesetzgeber das elektronische Liegenbleiben vorschreibt, wenn sie komplett verbraucht ist. In der Theorie bietet der SCR-Katalysator das größte Potenzial zur Entstickung der Abgase, denn darum geht es dabei: um die Stickoxide, welche die Atemwege des Menschen direkt schädigen.
Als Journalisten würden wir gerne genau prüfen, welche Menge der unterschiedlichen Abgase aus dem Auspuff kommt. Das ist zurzeit nahezu unmöglich: Die transportablen Geräte für die Straßenmessung (PEMS für portable emissions measurement system) sind selten. Noch jedenfalls. Die Prüforganisationen, die im Besitz eines PEMS sind, weigern sich bisher, unabhängige Prüfungen ohne Vorbedingungen durchzuführen. Eine Situation, die der Nervosität in der Branche geschuldet ist. Zurzeit sind viele Institute außerdem völlig überlastet, weil Kraftfahrtbundesamt und Industrie Nachprüfungen vornehmen. Was, wenn Volkswagen nicht allein ist, wenn andere Hersteller – ohne dass zwangsläufig eine Manipulationssoftware an Bord ist – ebenfalls außerhalb des Normlabors erhebliche Überschreitungen der Grenzwerte festgestellt werden? Und was passiert, wenn auch der Benzinmotor ins Fadenkreuz gerät, der Partikel in größerer Zahl als der Diesel emittiert und keinesfalls frei von Stickoxidemissionen ist?
Absurd niedriger Kraftstoffpreis
Im Ergebnis bleibt uns also nur, die üblichen Werte der 1228 Kilometer langen Testfahrt im Peugeot 208 BlueHDI vorzutragen. Der Verbrauch lag durchschnittlich bei 4,3 Litern Dieselkraftstoff. Das sind 43 Prozent mehr als der NEFZ-Wert von 3,0 Litern (entsprechend 79 Gramm CO2 pro Kilometer). Trotzdem ist das ein sehr gutes Ergebnis, denn die Umstände waren widrig: Die Temperaturen fielen unter den Gefrierpunkt, die ersten Stürme fegten über die norddeutsche Tiefebene, und Winterreifen waren aus Sicherheitsgründen längst aufgezogen. Das Wetter bremste zwar die Geschwindigkeit, an der Beheizung von Innenraum und Sitzen sowie an anderen Verbrauchern wurde aber nicht gespart. Angesichts des absurd niedrigen Tankstellenpreises von 1,07 Euro pro Liter lagen die Energiekosten bei nur rund 4,60 Euro auf 100 Kilometer.
Dazu addierte sich ein absoluter AdBlue-Verbrauch von 1,1 Litern. Das Verhältnis AdBlue (Literpreis circa 55 Cent) zu Dieselkraftstoff beträgt also ungefähr eins zu 100. Rückschlüsse auf die Qualität der Reinigung lassen sich daraus noch nicht ziehen. Sicher ist dennoch, dass mit dem SCR-Katalysator die nötige Hardware eingebaut ist, um gut zu säubern.
Üppig ist beim Peugeot 208 HDI das Volumen des AdBlue-Tanks von 17 Litern. Zum Vergleich: eine Mercedes C-Klasse hat acht Liter, gegen Aufpreis und bei eingeschränktem Kofferraum sind 25 Liter zu haben. Der Fahrer des 208 muss also selten nachfüllen. Kleiner Abstrich: So wie bei vielen SCR-Fahrzeugen der ersten Generation ist der Stutzen in der Reserveradmulde. Inzwischen scheint es den Konsens in der Autoindustrie zu geben, bei neuen Modellen die Einfüllstutzen für Diesel und AdBlue nebeneinander zu verbauen. Nur so macht es Sinn, denn selbstverständlich kann dem Halter zugemutet werden, abseits der Inspektionsintervalle nachzutanken. Die Gebinde von bis zu zehn Litern sind dabei nur zweite Wahl, einfacher geht es an den AdBlue-Zapfsäulen, die für schwere Lkw lange etabliert sind.
Ach ja, das Zeug ist übrigens tatsächlich farb- und geruchlos. Kippen Sie es dennoch bitte nicht auf die Teppiche oder über die Hose, das gibt Flecken!
„Otto gut, Diesel böse“? Stimmt nicht.
Bevor wir uns endlich dem Peugeot selbst zuwenden, hier noch zwei Werte aus Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA): Dessen Abteilung Verkehr, Lärm und räumliche Entwicklung geht davon aus, dass die Realemissionen eines Diesel-Pkw mit Euro 6-Norm bei rund 200 Milligramm NOx pro Kilometer liegen – der Grenzwert beträgt 80 mg. Allerdings, das sagt das UBA zusätzlich, übertreffen auch die Benziner den Grenzwert (dort: 60 mg / km) mit 100 mg / km deutlich. Die Vorstellung „Otto gut – Diesel böse“ stimmt ergo nicht oder nur bedingt.
Die Reise im „Klein“-Wagen (das Format gleicht dem Golf III) jedenfalls erwies sich als höchst angenehm. Das Fahrwerk ist komfortabel und präzise zugleich, sogar die Lenkung zeigt sich mit direkter Rückmeldung fernab von gängigen Klischees über französische Autos. Dazu kommt die Gelassenheit, die den Dieselmotor so erfolgreich gemacht hat: Bei niedrigsten Drehzahlen – diesseits der Autobahn reichen weniger als 2000 Touren – buckelt die 73 kW (99 PS) starke Maschine mit 1,6-Litern Hubraum den 208 kräftig nach vorne. Das maximale Drehmoment beträgt 254 Newtonmeter bei 1750 Umdrehungen. Wer viel fährt, wird hier glücklich.
Ja, die Laufkultur ist schlechter als in einem 208 mit Ottomotor, und beide können nicht mit der Vibrationsfreiheit eines Elektroautos mithalten. Es wäre aber unzutreffend, den HDI als laut zu bezeichnen, denn er ist gut gedämmt, und bei höheren Tempi überwiegen Abroll- und Windgeräusche.
Zur Neuvorstellung des 208 im Jahr 2012 hatten sich viele Kollegen an der Position des Lenkrades gestört – es ist oben abgeflacht, hat einen kleinen Durchmesser, und man blickt über den Kranz auf die Instrumente statt durch ihn hindurch. Wir können die Kritik daran nicht nachvollziehen. Das Ablesen klappte in unserem Test sehr gut. Uns hat dieses Konzept gefallen, und das kleine Lenkrad verstärkt den Fahrspaß. Jetzt, wo die dunkle Jahreszeit da ist, wirkt auch das Panorama-Glasdach wohltuend auf die Stimmung. Es kostet 490 Euro Aufpreis und lässt sich leider nicht öffnen. Dennoch ist es eine Empfehlung.
In dieser preissensiblen Fahrzeugklasse sind Vollausstattung und Dieselantrieb wie beim Testwagen ein rarer Luxus. Der Peugeot 208 HDI Allure kostet als 5-Türer mindestens 20.100 Euro. Die serienmäßige Ausstattung ist dann bereits reichhaltig, und wie immer geht mehr: Das beschriebene Panoramadach treibt den Kurs ebenso wie die Rückfahrkamera. Das Gros der Kunden greift darum wegen niedriger Jahresfahrleistungen zum Einstiegsmotor mit 50 kW (68 PS)-Dreizylindermotor, dazu vier Türen, Klimaanlage, Radio, ab dafür. Im Internet sind solche Autos als Tageszulassungen für wenig über 10.000 Euro zu haben.
Die Konkurrenz für den teuren Dieselmotor in diesem Segment ist also der billige Otto. Wer tatsächlich Vielfahrer ist, wird wiederum selten zu einem Kleinwagen greifen, sondern zu einer Autobahnlimousine neigen. Das ist die Bedrohung für diese Spezies – die Abgase sind es nicht.
Der Dieselmotor bleibt – in den höheren Fahrzeugklassen
Denn bei den Abgasen gilt, dass zurzeit in der öffentlichen Wahrnehmung zu stark auf den Selbstzünder fokussiert wird. Die CO2-Emissionen sind bei beiden Verbrennungsmotorvariationen in der Realität höher als auf dem Prüfstand, das ist lange bekannt. Es wäre aber fahrlässig, nun zu vergessen, dass moderne Benzindirekteinspritzer sehr viele und sehr kleine Partikel ausstoßen und bei den Stickoxiden auch keine saubere Weste haben. Fachkreise gehen davon aus, dass diese Fahrzeuge mit der Euro 6c-Norm (2017) einen Filter haben müssen.
Und der Energiesteuernachlass von 18,41 Cent pro Liter Kraftstoff? Der steht aller Sinnhaftigkeit zum Trotz nicht zur Disposition; eine Änderung wird von der aktuellen Bundesregierung nicht in Aussicht gestellt. Das Gleiche gilt für den Energieinhalt, der beim Diesel rund 13 Prozent höher ist als bei Benzin.
Was vom Peugeot 208 HDI bleibt, sind die Stärken des Dieselantriebs. Souveränes Fahren bei niedrigen Drehzahlen, niedrige Kraftstoffkosten auf dem Niveau Batterie-elektrischer Autos bei einer Reichweite von locker über 1000 Kilometern. Wer den schnellen Tod dieses Antriebs an sich voraussagt, irrt sich. Er verschwindet Stück für Stück aus den Segmenten, in denen sich die Chemiefabrik im Abgasstrang nicht amortisiert. Ein Prozess, der sehr lange dauern kann.
Bildquelle: Christoph M. Schwarzer
Erschienen am 26. November bei heise Autos.