Opels Stromstrategie

Ab 29.900 Euro: Der Preis für den Opel Corsa-E ist top. Der Kompaktwagen hat 50 Kilowattstunden (kWh) Batteriekapazität, serienmäßig ein dreiphasiges AC-Ladegerät mit elf Kilowatt (kW) Leistung sowie eine Wärmepumpe an Bord. Ein stimmiges Package in einem sympathischen Auto, das vielen Interessenten gefallen wird. Es ist ein Ergebnis aus der Kooperation der französischen Groupe PSA, die Opel 2017 von General Motors übernommen hat, und Dongfeng aus China. Opel und die anderen Marken von PSA, also Peugeot, Citroen und DS Automobiles, präsentieren binnen Jahresfrist etliche elektrifizierte Produkte, die auf nur zwei unterschiedlichen Plattformen basieren. Eine Strategie, die erfolgversprechend ist, obwohl oder gerade weil e-CMP und EMP2 auch Verbrennungsmotoren aufnehmen können.

Frank Jordan, Director Advanced Engineering bei Opel, erklärt im Gespräch mit ELECTRIVE.net: „Die Konzernplattform CMP (für Common Modular Platform) ist eine Multi-Energy-Plattform, die es ermöglicht, auf einer technischen Basis Benzin-, Diesel- und elektrische Antriebe zu realisieren. Das hat unter anderem den Vorteil, dass wir in unserem spanischen Werk in Saragossa sämtliche Antriebsvarianten des neuen Opel Corsa auf einer Produktionslinie bauen und dadurch flexibel auf wechselnde Anforderungen des Marktes reagieren können.“ Ein stichhaltiges Argument, das mit gleichem Inhalt von Volkswagen über den e-Golf zu hören war, bevor man das Risiko des MEB einging.

Erschwingliche Preise durch Skaleneffekte

In der Szene der Elektromobilität wird viel gestritten über die Frage, ob ein Auto ausschließlich für den Antrieb mit Strom entwickelt wird, von vornherein für unterschiedliche Varianten konstruiert wird oder lediglich ein auf Batterietraktion umgerüstetes Fahrzeug ist. Zumindest für die ersten beiden Optionen gilt: Entscheidend ist die Qualität des Ergebnisses. Der Volkswagen ID.3 kann erst in einem Jahr – wenn die Auslieferungen begonnen haben – beweisen, welchen Fortschritt der MEB tatsächlich bietet. Und Elektroautos wie der Kia e-Niro zeigen, wie attraktiv konventionelle Konzepte sein können. Die Lieferzeit beträgt mindestens ein Jahr.

Zurück zur e-CMP von Opel und PSA. Neben der hohen Modularität, also der Freiheit für die PSA-Marken, jedem Auto den eigenen Charakterstempel aufzudrücken, betont Frank Jordan von Opel die Kosteneffizienz und „erschwingliche Preise“. Vereinheitlichung bei der Plattform bedeutet nicht Simplifizierung, sondern Stückzahl – und die ist elementar, um Skaleneffekte zu erzielen.

Opel Corsa-e, Peugeot e-208 und DS3 Crossback E-Tense basieren auf der gleichen Plattform mit ähnlicher Technik. Auch Citroen arbeitet den Vernehmen nach an einem Batterie-elektrischen Derivat. Und so beliebt Kompaktautos in Europa auch sind, die kleinen SUVs haben die weitaus größeren Zuwachsraten. Es ist darum nur logisch, dass Peugeot bereits den e-2008 vorgestellt hat. Wie gehabt mit 50 kWh Batteriekapazität, Wärmepumpe und dreiphasigem AC-Lader plus DC-seitig CCS. In Wolfsburg wäre man sicher froh, analog dazu das Polo-SUV T-Cross jetzt schon als Stromer anbieten zu können. Und es ist eine plausible Spekulation, dass Opel bald ein elektrisches Mokka-artiges Fahrzeug auf Basis der e-CMP präsentieren wird.

Hybridplattform mit 221 kW (300 PS) Systemleistung

Eine Klasse darüber, beim Opel Grandland X, kommt die EMP2-Plattform aus dem PSA-Konzern zum Einsatz. Hier bleibt es mittelfristig beim Plug-in-Hybridantrieb (PHEV). Zwar könnte auch EMP2 ausschließlich elektrisch fahren. Die Gerüchte aber verdichten sich, dass es zum Beispiel für den nächsten Opel Astra (noch) nicht so kommt. Konkret bedeutet das für den Grandland X Hybrid 4 die Kombination aus einem Vierzylinder-Ottomotor mit 1,6 Liter Hubraum (147 kW Leistung) und zwei Elektromotoren (je 80 kW), die zusammen 221 kW (300 PS) Systemleistung generieren.

Die Batteriekapazität des Grandland X Hybrid 4 liegt bei 13,2 kWh, was für 50 Kilometer im WLTP ausreichen soll. Interessant ist auch der Aufbau des PHEV-Systems: An der Vorderachse wird die Kraft des einen E-Motors über eine Achtgang-Wandlerautomatik übertragen; es handelt sich also um einen Parallelhybrid. An der Hinterachse dagegen arbeitet die zweite E-Maschine alleine. Anders als zum Beispiel im Volkswagen Passat GTE ist eine ruckfreie Beschleunigung erwartbar. Auf der EMP2 wird es weitere PHEV-Derivate geben: Der DS7, die Peugeots 3008 und 5008 sowie der Citroen C5 Aircross folgen wahrscheinlich zeitnah.

Opel, die Marke mit dem Blitz im Emblem, hat dann neben dem weiterhin angebotenen Van Ampera-e also den Corsa-e sowie den PHEV Grandland X Hybrid 4 im Programm. Dazu gesellen sich die Batterie-elektrischen VW-Bus-Wettbewerber Zafira Life (Pkw-Version) und Vivaro (Nutzfahrzeug) als viertes Derivat aus der Allianz von PSA und Toyota. Betrachtet man dieses Portfolio und nimmt noch den ersten Ampera (2012) als Pacemaker dazu, ergibt sich nicht weniger als das Bild einer konsequenten E-Strategie, die durch den Wechsel von General Motors zur Groupe PSA profitiert. Stückzahl, Stückzahl, Stückzahl.

Zusammenarbeit mit Dongfeng stärkt die Weltposition

Aus unternehmerischer Perspektive ist außerdem die Zusammenarbeit der Groupe PSA mit Dongfeng von herausragender Bedeutung. Der Name Dongfeng ist einer breiten Öffentlichkeit in Europa zuerst durch die Teilnehme bei der Segelregatta Volvo Ocean Race bekannt geworden. Dahinter steckt eine Firma, die mit 77 Milliarden Euro einen ähnlich hohen Jahresumsatz hat wie PSA (2018: 74 Mia. Euro). Zum Vergleich: Der VW-Konzern kommt auf 236 Mia. Euro und Toyota auf 248 Mia. Euro.

Schon 1992 wurde das Joint-Venture Dongfeng Peugeot-Citroen Automobile gegründet, das bis heute Autos der französischen Marken produziert und auf dem chinesischen Markt verkauft, der trotz Konjunkturschwäche der mit Abstand größte der Welt ist. Es ist anzunehmen, dass ein positives Verhältnis zu China auch den Zugang zu wichtigen Ressourcen sichert: Von dort kommen 80 Prozent der Seltenerdmetalle, die für den Bau von Synchronmotoren unverzichtbar sind, und auch bei anderen Metallen für die Batterie ist China in einer starken Position.

Den Nutzen aus der Konzentration auf eine Batterie-elektrische (e-CMP) und eine Plug-in-hybridische Plattform (EMP2) hat letztlich der Kunde: Er kann aus einer Vielzahl von Produkten zu vernünftigen Preisen auswählen. Die Marken der Groupe PSA von Opel über Peugeot und Citroen bis DS Automobiles haben in Deutschland und anderen EU-Staaten viele Stammkäufer, die sich die Antriebsalternativen genau ansehen werden. Und der Zugang zum und vom chinesischen Markt über Dongfeng ist vielleicht das, was er auch für Volkswagen ist: Eine Lebensversicherung.

Erschienen bei ELECTRIVE.net.

Bildquelle: Opel

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