Willkommen zu Hause! Reinsetzen und sich wohlfühlen. In der C-Klasse von Mercedes ist der Markenkern spürbar und dominant: Wer den Stern auf der Haube sieht, erwartet Komfort und Sicherheit. Das sind die Stärken dieses Modells; die Qualität ist erstklassig, die Türen schließen tatsächlich mit dem satten Klangbild eines 80er-Jahre-Mercedes, und die Assistenzsysteme markieren die Spitze des Kaufbaren. Die neueste Variante der Erfolgsbaureihe ist der Plug-In-Hybrid C350e mit einem Antrieb, der die klassischen Tugenden unterstreicht. Bis 2017 wird Mercedes zehn Modelle mit diesem Konzept anbieten. Und wie immer bei Plug-In-Hybriden lassen sich zwei Geschichten erzählen: Die eine, die von der Sinnhaftigkeit des kleinen „e“ zeugt. Und die andere.
Die erste Geschichte ist die vom niedersächsischen Landarzt. Er könnte auch in Baden-Württemberg, Brandenburg oder einem anderen Flächenland leben. Entscheidend ist, dass er in seiner Garage und vor seiner Praxis eine Steckdose hat. In gut drei Stunden (mit Wallbox: 1,5 h) ist die Batterie mit einer Nennkapazität von 6,38 Kilowattstunden (kWh) gefüllt. Die Dauer spielt keine Rolle, denn nachts oder während der Sprechzeit vergehen die Stunden unmerklich. Heimlich wünscht sich der Landarzt, dass das induktive Laden bereits Realität wäre. Er hat einfach keine Lust mehr, mit dem Kabel zu hantieren. Es fliegt im Kofferraum herum und poltert, wenn er ausnahmsweise heftig bremsen muss.
Vielleicht hat der Mediziner wie beim Testwagen zum wunderschönen und eleganten Cavansitblau-Metallic gegriffen. Ganz sicher aber wählte er das T-Modell (S205). Ab 52.627,75 Euro steht der C350e als Kombi in der Preisliste. Wichtige serienmäßige Features sind das Automatikgetriebe („7G-Tronic Plus“) sowie die Luftfederung („Airmatic“). Der Bruttoendpreis des von uns gefahrenen, gut ausgestatteten Presseautos betrug 79.956,10 Euro. Den Freiberufler interessiert die Leasingrate, die er mit dem Händler vereinbaren konnte.
Für den Alltag zu viel Kraft
Die Fahrt beginnt auf Wunsch und ebenfalls ohne Aufpreis mit der Vorklimatisierung. Elektrisch und noch leiser als andere – da fiept und jault nichts – setzt sich der Mercedes in Bewegung. 60 kW (82 PS) leistet die Maschine; damit sind 130 km/h möglich. Wenn doch mal Schubrakete erforderlich ist, genügt ein Tritt aufs Pedal über einen definierten Widerstand hinaus. Der Verbrennungsmotor springt an, und was dann kommt, ist eigentlich zu viel: Mit einer Systemleistung von 205 kW (279 PS) und einem Drehmoment von 600 Nm geht es aus jeder Geschwindigkeit monstermäßig nach vorne. In 5,9 Sekunden sind 100 km/h erreicht, Schluss ist bei 250.
Im Gleitmodus wechselt der Mercedes C350e die Zahnradpaare seiner Wandlerautomatik sanft und unauffällig, ganz anders als im Golf GTE, wo die Gangwechsel des Doppelkupplungsgetriebes im E-Modus als unwürdig empfunden werden. Jetzt noch von der Distronic Plus mit Staufolgeassistenten durch den Verkehr ziehen lassen. Zurücklehnen, Musik an, Schiebedach auf. Das ist Mercedes.
Geringe elektrische Reichweite
Geschichte zwei ist die des Autojournalisten, der vergleicht und Zahlen aufschreibt. Und der sich, hier wird es für einen Absatz völlig subjektiv, einen voll-elektrischen Mercedes wünscht. Die Vibrationsfreiheit und Kraft des Fahrens mit Strom würde perfekt zur Marke passen. Vielleicht mit Energie aus der Batterie. Vielleicht aber auch aus einer Brennstoffzelle: Die Stuttgarter hatten den Antriebsstrang so weit entwickelt, dass die Kombination aus E-Motor, Stack und sämtlichen Nebenaggregaten auf das Format des Verbrennungsmotors geschrumpft war. Zusätzlich passte alles bereits in die Aufnahmepunkte der Karosserien von C-, E- und S-Klasse. 2014 hätte man starten können, stattdessen verschob man auf 2017 und verweist auf die Kostenallianz mit Nissan-Renault und Ford. Die Convenience-Version des Elektroautofahrens liefern nun Hyundai und Toyota. Also abwarten und die Brückentechnologie testen.
Die Werksangabe für die elektrische Reichweite des Mercedes C350e liegt bei 31 Kilometern. Im Realitätstest wurden nie mehr als 24 Kilometer angezeigt, was mutmaßlich an der eingeschalteten Klimaautomatik und den breiten Pneus (mit Mischbereifung 245er hinten und 225er vorne) lag. Mit leichtem Fuß, bei trockener Straße und spätsommerlichen Temperaturen war diese Strecke erzielbar. Bei munterem Fahrstil sank die Reichweite auf 14 Kilometer.
Ein Abstrich im E-Modus ist die eingeschränkte Leistung. 60 kW (82 PS) reichen höchstens im Bewusstsein, dass hier bei 1780 Kilogramm Auto (nach Werksangabe, die Wirklichkeit des voll ausgestatteten Testwagens dürfte deutlich darüber liegen) ein Leistungsgewicht in der Nähe eines Mercedes-Benz W124 mit Dieselmotor resultiert. Erschwerend kommt leider hinzu, dass die verfügbare Leistung im unteren Drittel des Ladefensters spürbar nachlässt – schnell ist der Punkt erreicht, an dem man ungewollt den Verbrennungsmotor in Gang setzt.
Über die Verbrauchsformel zur Berechnung von Plug-In-Hybriden ist alles gesagt; der Autor beschränkt sich auf die Nennung des Normverbrauchs (2,4 l bei Breitreifen entsprechend 54 g CO2/km) und gibt im Folgenden alle Angaben jeweils auf 100 Kilometer hochgerechnet an.
Rund acht Liter Benzin im Vollhybridmodus
Inklusive Ladeverlusten gingen maximal 5,7 kWh in die Batterie. Aus den erzielten Reichweiten von 14 bis 24 Kilometern resultiert also ein Verbrauch von 24 bis 36 kWh/100 km. Beim Verbrennungsmotor und ohne Einbeziehung der elektrischen Distanzen aus der Steckdose lag der Durchschnittsverbrauch bei 8,1 Litern Benzin auf 100 Kilometer. Mit der Brechstange waren auch Werte mit einer 6 vorm Komma möglich; dort, wo ein Toyota Prius oben aufhört, fängt der C350e unten an. Allerdings, auch das muss jedem klar sein, die Dynamik des Mercedes hat nichts mit dem „No-Sports“-Phlegma des Japaners zu tun. Wer ein wenig von der immensen Power des Antriebs abruft, sollte mit mindestens zehn Litern kalkulieren. Der provozierte Worst-Case war eine innerstädtische Ultrakurzstrecke von vier Kilometern in der Rush-hour; hier zeigte der Bordcomputer 14,6 Liter an.
Vorsicht übrigens an alle, die bei jeder Geschwindigkeitsbegrenzung automatisch zehn bis 20 km/h draufschlagen, weil ein Tachometer von Gesetzes wegen nie zu wenig anzeigen darf und darum häufig zu viel vorgaukelt: Der Mercedes misst sehr genau. Bei 130 km/h lag der Wert des GPS-Geräts bei echten 128 km/h.
130 km/h sind auch die Marke, bis zu der gesegelt wird. Beim vom-Gas-gehen schaltet der Verbrennungsmotor häufig ab. Der Neustart ist nur durch den Blick auf den Drehzahlmesser nachvollziehbar. Anders ist das im Stadtverkehr: Hier irritiert, dass der Benziner nicht durch die E-Maschine in der Getriebeglocke, sondern durch einen traditionellen Ritzelanlasser gestartet wird. Und das wiederum ist immer wieder hörbar.
Insgesamt macht der Vollhybridmodus einen harmonischen Eindruck. Die Übergänge zwischen Motor aus und Motor an sind ruckfrei, und anders als in einem zuvor gefahrenen C300 Hybrid mit Dieselmaschine gibt es keinen nennenswerten akustischen Kontrast zwischen den Betriebsarten, weil der Benzindirekteinspritzer laufruhig und leise arbeitet. Die Boni des Hybridfahrens sind bekannt: Schleichen in der Siedlung, Geräuschlosigkeit bei der Ortsdurchfahrt.
Nochmal zur Batterie: Sie wiegt rund 100 Kilogramm und besetzt den untersten Teil des Kofferraums. Altgediente Mercedes-Treiber mögen anführen, dass sie sich so den Sandsack für den Winter sparen können. Im Gegenzug schrumpft das Volumen von 490 bis 1510 auf 450 bis 1470 Liter.
Assistenzsysteme, die nicht auffallen
Verdient hat sich dieses Auto einen Absatz zu den Assistenzsystemen. Sie sind unbedingt empfehlenswert. Weil sie exzellent zum Komfort-betonten Charakter des Mercedes C350e passen. Und weil sie gekonnt abgestimmt sind. Kein Konkurrent ist besser; die meisten fallen ab. Vom Staufolgeassistenten über die Kameras mit Rundumblick bis zur Distronic Plus mit Lenkunterstützung funktionierte alles so unauffällig und gut, dass der Knopf zum Abschalten nie gedrückt wurde – und das ist das höchste Lob, das die elektronischen Helfer bekommen können.
Der Mercedes C350e ist eine Einstiegsdroge ins elektrische Fahren. Er überzeugt durch den hohen Gesamtkomfort. Und er ist ein Experimentierfahrzeug für Kunden, die nicht zu viel wagen wollen, aber über viel Neugier, viel Kaufkraft und das richtige Fahrprofil verfügen. Für die anderen Käufer des Mercedes T-Modells der C-Klasse bleibt alles beim Alten. Sie werden in der großen Mehrheit wie gehabt zum Diesel greifen.
Bildquelle: Christoph M. Schwarzer
Erschienen am 7. September 2015 bei heise Autos.