Die Ladeverhinderer

Die Angstzone beginnt unterhalb von zehn Kilometern Restreichweite. Dann werden auch gestandene Besitzer von Batterie-elektrischen Autos langsam nervös – zumindest, wenn sie gerade auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen sind. Die Erfahrung zeigt: Der Zugang zum Strom ist manchmal unmöglich und oft erschwert. Das ist ärgerlich, und außerdem ist es überflüssig.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zählen wir die vier wichtigsten Ladeverhinderer auf und zeigen, wie das Problem beseitigt werden könnte:

Schnarchlader

Der Begriff Schnarchlader wird umgangssprachlich für Fahrzeuge mit geringer Wechselstrom-Ladeleistung gebraucht. Bis die Batterie voll ist, dauert es die ganze Nacht. Zu Hause ist das egal, an öffentlichen Säulen nicht: Der Parkplatz davor ist rar und sollte so schnell wie möglich freigemacht werden, damit auch andere ihren Akku stärken können.

Ein typisches Beispiel für Schnarchladung ist der Smart electric drive. Er wurde meistens mit lediglich 3,7 kW Leistung ausgeliefert; nur wenige Kunden haben sich das 22 kW-Ladegerät für 3.060 Euro Aufpreis bestellt. So wird die Säule für viele Stunden zum Parkplatz umfunktioniert, was im Zentrum der Ballungszentren für den Besitzer angenehm und für die Wartenden eine Zumutung ist.

Wahrscheinlich werden die durchschnittlichen AC-Ladeleistungen bald steigen, vielleicht ist ein dreiphasiger elf kW-Lader ab 2020 üblich. Einen Schritt weiter gedacht stellt sich für verdichtete urbane Räume die Frage, ob AC-Ladung im öffentlichen Raum überhaupt noch zukunftsfest ist oder ob dieses Konzept gescheitert ist. Schnelle Gleichstrom-Säulen (DC) kosten mehr Geld, erlauben jedoch einen viel höheren Energieumsatz, damit kürzere Standzeiten und eine höhere Fahrzeugzahl.

Plug-In-Hybride

Plug-In-Hybride sind anders als Batterie-elektrische Autos nicht auf Strom angewiesen. Schließlich ist immer Benzin und in Einzelfällen Diesel im Tank, um das Fortkommen zu sichern. Dennoch blockieren PHEVs (für plug-in-hybrid electric vehicle) gerne den Platz vor der Säule, um mit meistens sehr geringer AC-Ladeleistung (siehe Punkte 1) einen bequemen und zentralen Parkraum zu besetzen.

Wären PHEVs mehr als die heutige Alibi-Veranstaltung, also konsequent auf große elektrische Reichweiten ausgelegt, könnte man vielleicht noch darüber hinwegsehen. Das Gegenteil ist der Fall: Nur ein Fahrzeug dieser Gattung schafft einen dreistelligen Kilometerwert mit Strom – nämlich der BMW i3 –, und wenn die Bayern weiter fleißig die Batterie vergrößern, ist der missratene Range Extender ohnehin unnötiger Ballast.

Immerhin: Der Mitsubishi Outlander ist als ehrenwerte Ausnahme sogar DC-ladefähig nach dem Chademo-Standard, er ist schnell wieder weg. In der Realität aber ist es größter Unsinn, wenn PHEVs mit geringer AC-Ladeleistung den Platz vor einem teuren DC-Multicharger blockieren.

Aus heutiger Sicht gibt es hierfür nur eine Lösung: PHEVs haben an öffentlichen Säulen nichts zu suchen. Das Problem wird sich verschärfen, sobald die Zahl der BEVs (für battery electric vehicle) eine bestimmte Mindestzahl überschreitet und der Konflikt offen ausbricht.

Ladeplatzblockierer

Der öffentliche Raum ist begrenzt und gehört prinzipiell allen. Dass er überhaupt privilegiert vergeben wird, ist umstritten. Besonders dort, wo die Besiedlung dicht und jeder Parkplatz umkämpft ist. Das denken sich offenbar auch viele Halter von konventionellen Autos mit Verbrennungsmotor. Es ist üblich, dass sie sich – teils unwissend, teils sich dumm stellend – auf dem Ladeplatz niederlassen. Ich geh doch nur zur Apotheke, die dringenden Medikamente abholen. In einer Stunde bin ich wieder da.

Beispiel Hamburg: Hier gab es vor drei Jahren noch keine Handhabe für die Polizei. Die Beamten konnten Knöllchen verteilen. Abschleppen war nicht drin, weil die Rechtslage unklar war. Das hat sich radikal verändert. Inzwischen lässt die Polizei Hamburg Falschparker konsequent und auch unaufgefordert räumen.

Leider ist das die einzig sinnvolle Lösung. Leider, denn es trägt nicht zur Akzeptanz der Elektromobilität bei, wenn das eigene Altauto mit Verbrennungsmotor plötzlich weg ist. Wir dürfen nicht vergessen: Für die meisten Menschen sind BEVs eine seltsame Besonderheit, ein Modephänomen oder irgendwas mit Öko, jedenfalls weit weg von der Lebensrealität. Wer sich nicht mit Autos befasst, könnte tatsächlich überrascht sein.

Identifikations-Chaos

Besonders frustrierend ist die Erfahrung, eine freie Ladesäule zu finden und dann keinen Strom zu bekommen. Der Grund: Der Fahrer als Kunde muss sich erst identifizieren. Die Situation aus der Vergangenheit ist bekannt – die lokalen Betreiber haben RFID-Karten ausgegeben, die vor einen Lesebereich an der Säule gehalten werden mussten. Klick, es geht los.

Um durch die Republik zu kommen, waren Dutzende Identifikationskarten notwendig. Schnee von gestern? Ja, in großen Teilen. Inzwischen gibt es etliche praxistaugliche Lösungen vom SMS-Payment über fast universelle RFID-Dongles (meistens auf der Plattform von Hubject basierend), mit denen man sehr weit kommt. Und in Baden-Württemberg nehmen die Autobahn-Säulen übrigens EC- und Kreditkarten.

Auch der Gesetzgeber hat das Problem erkannt. So schreibt das Bundesverkehrsministerium für das am 1. März gestartete 5.000 Säulenprogramm vor, dass jeder Kunde den Strom irgendwie bezahlen können muss. Bar, mit EC-Karte, anders. Sonst gibt es keine Förderung mit Staatsknete. Nur so geht es und nicht anders.

Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. In Braunschweig etwa, wo Volkswagen einer der wichtigsten Arbeitgeber ist, betreibt man weiterhin eine Insellösung. Man hat mit Unterstützung des Steuerzahlers 17 DC-Charger errichtet – viel für eine Stadt mit nur rund 250.000 Einwohnern. Freischalten lässt sich der Strom aber nur mit der Karte der lokalen Stadtwerke oder der von Volkswagen. Die Begründung: „Um eine detaillierte Nutzungsanalyse durchführen zu können, war es technisch notwendig, die Stromabgabe über eine Autorisierung zu regeln.“ Haben Sie verstanden, warum das nicht mit europaweiten Identifikationssystemen und entsprechendem IT-Backend funktionieren kann?

Faktisch stehen vor den DC-Säulen gerne Volkswagen-Automobile und ziehen langsam Wechselstrom. Kennzeichen WOB.

Erschienen am 6. April bei heise Autos.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

2 Gedanken zu „Die Ladeverhinderer

  1. Bei normalen Parkplätzen sind alle gleich privilegiert, ein Mercedes SL genauso viel vie ein Smart, das ist klar. Ihr Artikel vermittelt mir aber nun, dass ich mit einem E-Auto, das ladetechnisch vielleicht nicht dem allerneuesten technischen Stand entspricht, an einer Ladesäule schon unerwünscht bin. Ist es korrekt, hier ein ein reines E-Auto über ein PHEV zu stellen? Wo zieht man denn dann die Grenze? Es wird immer jemanden geben, der schneller laden kann als man selbst, da ständig neue Fahrzeuge mit besserer Technik nachkommen. Hat nun der Tesla-Fahrer Vorrang, weil sein Fahrzeug eine 3x so große Batterie hat wie der Fahrer eines VW Golf-E? Wir brauchen mehr Ladeinfrastruktur, keine Bevormundung.

  2. Ja, es sieht nicht gut aus in Hamburg!
    Da sind die Parkplätze ohnehin zu sehr knapp
    – wie wäre es mal mit einer öffentlichen Tiefgarage? –

    Na ja, zum Glück sind die reinen E-Autos noch nicht so zahlreich.
    Trotzdem sehe ich zu, dass ich meinen PHEV nicht die ganze Nacht an der Ladesäule „nuckelt“, obwohl es zulässig wäre, sondern fahre das Fahrzeug auf eine reguläre Parkplatz, wenn der Akku einigermaßen voll ist.
    Das gehört doch zum guten Ton, oder?!
    Falschparkern ohne Lademöglichkeit klemme ich gerne mal ein „Pseudo-Ladekabel“ an.
    Mal sehen wer sich traut, sein Fahrzeug noch anzufassen, wenn da ein eingestecktes Stromkabel dransteckt …
    So eine Bordbatterie kann auch mal eine gelegentliche Auffrischung vertragen …

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