Über 500 Kilometer elektrische Reichweite, über 500 PS, Allrad-Antrieb und –Lenkung: Ab 2018 will Audi wieder „Vorsprung durch Technik“ bieten.
Jetzt gibt es kein Zurück mehr. In zweieinhalb Jahren, so verspricht es Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg, wird die Volkswagen-Tochter ein batterieelektrisches „Sport-SUV in der Oberklasse präsentieren“. Die Technikstudie e-tron quattro concept gebe auf der IAA, die am Donnerstag beginnt, einen konkreten Ausblick darauf. Übersetzt: Das ist er. Die finale Modellbezeichnung könnte Q6 e-tron sein.
Die Rahmendaten der SUV-Studie sind beeindruckend. Drei Elektromotoren – einer vorn, zwei hinten – leisten zusammen 320 Kilowatt; kurzfristig sind 370 kW (503 PS) und mehr als 800 Newtonmeter (Nm) Drehmoment möglich. Damit spurtet der 4,88 Meter lange Wagen in 4,6 Sekunden auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei abgeriegelten 210 km/h.
Bei allen Details: Entscheidend ist, dass er tatsächlich gebaut und für jeden zu erwerben sein wird. Nur so kann Audi den Markenslogan „Vorsprung durch Technik“ wieder glaubwürdig mit Leben füllen. Klar ist: Mit dem e-tron quattro concept reagiert Audi – durchaus stellvertretend für die gesamte deutsche Autoindustrie – auf Tesla. Der kalifornische Hersteller liefert bereits Ende September die ersten Exemplare seines SUVs namens Model X aus. In wenigen Monaten werden die Kunden zwischen Füssen und Flensburg die neuen Teslas in Empfang nehmen.
Kein Ladekabel mehr im Kofferraum
Nun nimmt Audi offensichtlich den Kampf auf. Damit das batterieelektrische SUV möglichst selten an der Ladesäule steht, haben die Entwickler ihm einen Akku mit einer Kapazität von 95 Kilowattstunden (kWh) mitgegeben – der e-tron quattro concept hat damit eine größere Batterie als das Model X. Mit Gleichstrom (DC) unterwegs an einer 150-kW-Station ist das Audi-SUV in 50 Minuten wieder vollgeladen. Bis Ende 2017 werden mindestens 100 dieser Stromtankstellen in Deutschland stehen; vermutlich sind es deutlich mehr.
Für zu Hause setzt Audi auf die Komfortvariante des Ladens: Hier wird induktiv, also kabellos, Strom gezapft. Die Leistung beträgt bis zu elf Kilowatt. Es dauert daher rund neun Stunden, bis die Batterie komplett gefüllt ist. Dabei geschieht alles so einfach wie nur denkbar: Das Auto richtet sich automatisch über einer Ladeplatte auf dem Garagenboden aus. Auf Wunsch startet der Vorgang ebenfalls von selbst. Noch simpler geht es nicht.
Ein netter Gag ist das Photovoltaik-Paneel auf dem Autodach. Bei voller Sonneneinstrahlung erzeugt es bis zu 320 Watt, unabhängig davon ob der e-tron steht oder fährt. So kann zum Beispiel der Innenraum beim Parken gekühlt werden.
Damit das Elektro-SUV trotz seines mutmaßlich hohen Gewichts dynamisch ist, haben die Audi-Ingenieure den Begriff quattro neu interpretiert: Bei geringer Last fährt der e-tron nur mit Vorderradantrieb; sobald mehr Kraft angefordert wird, arbeiten auch die beiden Elektromotoren an der Hinterachse. Der Clou dabei ist das sogenannte Torque Vectoring: In Kurven legt das kurvenäußere Rad einen längeren Weg zurück als das innere. Die zwei E-Motoren erlauben es, die Leistung perfekt daran anzupassen. Das hatte Audi zuvor in den Prototypen des Sportwagens R8 e-tron ausprobiert.
Endlich Konkurrenz
Die zweite Maßnahme, die dem e-tron Sportsgeist einhauchen soll, ist die Allradlenkung. Bei niedrigen Geschwindigkeiten schlagen die Hinterräder bis zu fünf Grad entgegen den Vorderrädern ein. Das erhöht die Wendigkeit beim Einparken oder in engen Kurven. Bei höherem Tempo wiederum lenken die hinteren Räder gleichsinnig mit den vorderen – das führt zu Stabilität und Ruhe, wenn ein schnelles Ausweichmanöver erforderlich ist.
Darüber hinaus hat Audi sehr viel Aufwand getrieben, um die Aerodynamik des SUVs zu optimieren – für die Experten: Der Luftwiderstandsbeiwert liegt bei 0,25. Damit auch die Stirnfläche akzeptabel bleibt, ist der e-tron quattro concept nur 1,54 Meter hoch. Das sind lediglich sechs Zentimeter mehr als beim Volkswagen Passat, aber neun weniger als beim Familienvan Touran. Nur so lassen sich akzeptable Reichweiten auch auf der Autobahn erzielen.
Dass auf der Autobahn die modernsten Assistenzsysteme wie das teilautomatisierte Fahren zum Einsatz kommen, ist selbstverständlich. Eine Armada aus Sensoren, Kameras, Laserscannern und Rechnern soll den Betrieb auf langen Strecken noch komfortabler und sicherer machen.
Es ist kaum anzunehmen, dass Audi den kommenden Q6 als Sonderangebot positionieren wird. Schließlich dürften die Preise für das Tesla Model X in Europa wohl sechsstellig sein. Wichtig ist aber nun allein, dass Audi der Ankündigung der Technikstudie Taten folgen lässt. Der siechende Markt der batterieelektrischen Autos krankt unter anderem an zu wenig Auswahl. Dagegen gibt es nur ein Mittel: Konkurrenz.
Bildquelle: Audi
Erschienen am 15. September 2015 bei ZEIT ONLINE.