Erlaubt ist, was gefällt: 20,4 Prozent aller im Januar neu zugelassenen Autos waren SUVs. Kein Pkw-Segment wächst so kontinuierlich. Zugleich, so weist es die Statistik des Kraftfahrtbundesamts aus, ist der Anteil der Privatkäufer hier mit 44,1 Prozent höher als im Durchschnitt (33,2 Prozent). Beim Kia Sportage sind es sogar 49 Prozent. Vielleicht wegen der 7-Jahres-Garantie. Wir haben den Sportage mit der Modellbezeichnung 2.0 CRDi Eco-Dynamics+ als Testwagen angefragt, weil er einen klassischen Antriebsstrang aus Dieselmotor, Allradantrieb und Wandlerautomatik mit einem 48 Volt-Mildhybridsystem kombiniert. Bringt das was?
Jein. Bevor wir uns dem Antrieb im Detail widmen, schauen wir uns den Kia Sportage unabhängig davon an. Er ist ein direkter Konkurrent des Volkswagen Tiguan, seit 1994 und inzwischen in der vierten Generation im Verkauf. Peter Schreyer, einer der drei Firmenpräsidenten von Kia und Designgesamtverantwortlicher der Hyundai Kia Automotive Group, hat dem Sportage die markentypische Tigernase gegeben und ein insgesamt gefälliges Auto gestaltet. Der Sportage sieht gut aus. Ein Faktor, der subjektiv ist, aber bei der Kaufentscheidung nicht unterschätzt werden sollte.
Wer ein SUV wählt, begründet das im Regelfall mit der Praxistauglichkeit und dem Sicherheitsgefühl. Und in der Tat gehört der Sportage nicht zu jenen Autos, die außen groß und innen klein sind. Das Platzangebot ist großzügig. Das Volumen von Kofferraum (439 statt 480 Liter) und Kraftstofftank (55 statt 62 Liter) ist wegen der Hybridtechnik im Vergleich zu den anderen Dieselvarianten des Sportage allerdings leicht eingeschränkt. Das gilt generell auch für die Übersicht, die einerseits SUV-typisch scheinbar überlegen ist, andererseits aber im unmittelbaren Nahbereich – Vorsicht, Kinder! – die Rundumsicht begrenzt. Beim Einparken und auch sonst empfiehlt sich darum das im Testwagen enthaltene Technologiepaket (bei GT Line 1.890 Euro) inklusive 360 Grad-Kamera und erweitertem adaptiven Tempomat.
1,9 Tonnen Anhängelast, sanfte 8-Gangautomatik
Als 2.0 CRDi 185 AWD darf der Sportage 1,9 Tonnen ziehen. Noch mehr sind es nur in der handgeschalteten Version mit 2,2 t. Wer auf diese 300 Kilogramm verzichten kann, ist mit dem Automatikgetriebe besser bedient. Es schaltet die acht Gänge sanft durch, und bei Richtgeschwindigkeit liegen rund 2.000 Umdrehungen pro Minute an.
Der Vierzylindermotor mit 136 kW (185 PS) Leistung zieht kraftvoll und spontan aus niedrigsten Drehzahlen los, und genau hier spürt man auch die Unterstützung des Elektromotors: Über einen Riemen wirken bis zu 12 kW direkt auf die Kurbelwelle. Ein Effekt, wie er zuvor bei einem Renault Scenic Hybrid Assist feststellbar war. Mit dem Renault teilt der Kia auch eine weitere positive Auswirkung des 48 Volt-Mildhybridsystems, nämlich das sehr gute Wiederstartverhalten. Während andere Selbstzünder sich mühsam ins Leben rumpeln, ist der Sportage-Motor einfach da. Das ist für die erweiterte Start-Stopp-Funktion wichtig, die bereits bei 30 km/h abschaltet. Im Fall des erneuten Beschleunigens muss die Maschine sofort wieder voll einsatzbereit sein, und das ist sie.
Anders als dem Renault können wir dem Kia keine klar feststellbaren Hybrid-Spareigenschaften bescheinigen. Einen Hinweis darauf gibt der Pressetext, der von „bis zu vier Prozent“ im WLTP ausgeht. Dort, wo das Konzept seine Stärken ausspielen soll, also im Stadtbetrieb, nahm der Sportage 7,9 Liter aus dem Tank. Das ist etwas weniger, als die Kollegen im technisch baugleichen Hyundai Tucson mit Schaltgetriebe erhoben haben. Der Unterschied von 0,3 Litern könnte das Resultat des sehr guten Automatikgetriebes oder schlicht der Umstände und des Fahrprofils sein.
Der Gesamtdurchschnitt von 6,9 Litern wiederum ist akzeptabel. In der GT Line-Ausstattung hat der Kia Sportage 245er Winterreifen, das Leergewicht mit viel Ausstattung dürfte am oberen Ende der Werksangabe (1747-1880 kg) liegen, und ab und zu kostet man eben doch von der Kraft der Maschine. Von nichts kommt nichts. Wer es sparsamer will, sollte auf die Hybridisierung des 1,6-Liter-Motors in der zweiten Jahreshälfte warten, der wahrscheinlich auch mit einer Segelfunktion ausgerüstet wird. Hier dürfte die kleine Pufferbatterie (0,44 kWh) besser passen.
Autobahn=Diesel
Zu Hause ist der Diesel abseits der Ortsschilder. Lange Autobahnetappen bei moderaten Verbrauchswerten (130 km/h: 6,7 Liter) oder über Bundesstraßen (5,6 Liter) zeigen, wo das ideale Einsatzgebiet ist. Der Antrieb in diesem Kia ist eben mehr souveräner Selbstzünder als effizienter Hybrid, und hier hat er seine Stärken.
Ein interessanter Aspekt sind die CO2-Emissionen. Zurzeit befinden wir uns in einer gesetzgeberischen Übergangsphase: Im Prospekt sind die Angaben noch im alten NEFZ zu finden, weil das Bundeswirtschaftsministerium es noch nicht geschafft hat, die Pkw-Kennzeichnungsverordnung zu novellieren. Damit wird erst im Mai gerechnet. Nach NEFZ emittiert der Sportage 149-153 Gramm pro Kilometer. Im Fahrzeugschein dagegen muss seit 1. September der WLTP-Wert eingetragen sein, und der ist ausstattungsindividuell. Beim Testwagen sind es 182 g CO2/km, was umgerechnet exakt dem Durchschnittsverbrauch von 6,9 Litern entspricht. Punktladung. Zufall oder nicht, WLTP taugt mehr als NEFZ. Mit Spannung erwarten wir derweil den Toyota RAV4 Hybrid, den wir als Testwagen angefragt haben. Er ist das Gegenkonzept zum Kia Sportage: Leistungsverzweigter Hybrid statt Mildhybrid, Otto- statt Dieselmotor, elektrischer statt mechanischer Allradantrieb.
Bevor wir zum Fazit kommen, fehlt noch der Blick auf die Preisliste: Der Kia Sportage 2.0 CRDi 185 Eco-Dynamics+ AWD mit Automatikgetriebe kostet in der GT Line-Ausstattung 41.690 Euro. Darüber rangiert nur noch die Topversion Platinum. Uns reichte die üppige GT Line plus Technologie- sowie Lederpaket völlig aus. Hier ist wirklich alles drin, und inklusive Metalliclackierung ergab sich ein Bruttolistenpreis von 45.660 Euro. Es ist kein Geheimnis, dass die Nachlässe auf ein Produkt dieser Art höher ausfallen als zum Beispiel auf ein Elektroauto.
Fazit: Mag der Autor dieses Beitrags, verwöhnt von der Vibrationsfreiheit der häufig gefahrenen Elektroautos, zu Beginn irritiert über das Laufverhalten des Dieselmotors gewesen sein, aus einer bestimmten Käuferperspektive ist der Antrieb richtig. Zuerst für alle, die den mechanischen Allradantrieb wollen. Nicht nur, um im St. Peter-Ording vom Strand und in Garmisch-Partenkirchen vom Ski-Parkplatz wegzukommen. Sondern um zum Beispiel einen anständigen Wohnwagen, einen Pferdeanhänger oder einen Kleinkreuzer zu ziehen. Dort, wo lange Strecken komfortabel und mit niedrigen Fahrenergiekosten bewältigt werden sollen, bleibt der Dieselmotor außerdem die verlässliche Wahl. Dass der Kia Sportage kein Sparmeister ist, liegt in der Natur der Spitzenmotorisierung. Mit Allradantrieb findet er seine Käufer eben nicht bei denen, die nur die SUV-Karosserie wollen und mit Frontantrieb und kleiner Maschine zufrieden sind. Vielmehr werden jene zugreifen, die Wert auf eine Mischung aus Kraft und Komfort legen. Weil sie es können – oder weil sie es brauchen.
Erschienen am 11. März bei heise Autos.