Die Strompreise an öffentlichen Ladesäulen steigen stark an. Das gilt sowohl für gemächlichen Wechselstrom (abgekürzt AC für Alternating Current) als auch für schnellen Gleichstrom (abgekürzt DC für Direct Current). Während der durchschnittliche Haushaltsstrompreis nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) 2021 bei 32,16 Cent pro Kilowattstunde (kWh) lag, müssen Elektroautofahrer abseits der eigenen Garage mit deutlich mehr rechnen.
Den Anfang bei der Preiserhöhungsrunde hatte der Betreiber EnBW im Juli gemacht. EnBW ist bedeutend, weil das Angebot von ADAC e-charge nichts anders als jenes von der EnBW mit anderem Label ist. Zusammen haben EnBW und ADAC einen großen Kundenstamm.
Gestaffelte Tarifstruktur
Wie die meisten Anbieter gibt es auch bei der EnBW unterschiedliche Tarife. Die Struktur ist repräsentativ: Die niedrigsten Preise zahlen jene, die zugleich Privatkunden für den Haushaltsstrom sind. In diesem so genannten Vorteilstarif kostet der Fahrstrom an EnBW-eigenen AC-Säulen 38 Ct./kWh und DC-seitig 48 Ct./kWh. Bei anderen Betreibern sind es 42 bzw. 52. Ct./kWh. Und bei Ionity, den Schnell-Ladeparks der Autoindustrie, sind es 79 Ct./kWh. Es sei denn, der Ionity-Kunde akzeptiert eine monatliche Grundgebühr in Höhe von 17,99 Euro. Dann sinkt der Preis pro kWh auf 35 Cent. Das klingt zunächst viel, doch schon ab rund 41 kWh im Monat würde sich diese Grundgebühr rechnen – der vergleichsweise große Unterschied zwischen den Tarifen machts möglich.
Wer weder eine monatliche Grundgebühr bezahlen will noch Privatkunde bei der EnBW ist, kommt auf die höchsten Tarife: Pro kWh sind AC-seitig 45 Ct./kWh und an DC-Säulen 55 Ct./kWh fällig. Bei Ionity sind es wie gehabt 79 Ct./kWh. Und auch das gehört bei praktisch allen Ladestromanbietern dazu: Es drohen Blockiergebühren, wenn man zu lange an einer Säule steht. Die Strafzahlungen können sehr hoch sein. Die EnBW zum Beispiel verlangt zehn Cent pro Minute, wenn länger als vier Stunden geladen wird; allerdings gibt es einen Maximalbetrag von zwölf Euro. Jeder Interessent sollte genau auf dieses Detail achten, weil dieser Deckel nicht selbstverständlich ist.
Wie erwähnt steht EnBW keineswegs allein, sondern exemplarisch für die Branche. In Auszügen: Allego erhöht die Preise auf bis zu 69 Ct./kWh an High Power Chargern mit mehr als 50 kW DC-Ladeleistung. Lichtblick verlangt für Haushaltsstromkunden pauschal an AC-Säulen 44 und an DC-Säulen 55 Ct./kWh. Für andere sind es 55 bzw. 75 Ct./kWh. Und auch Tesla hat den Kurs an den Superchargern auf etwa 45 Ct./kWh erhöht.
Die Spanne ist also sehr groß. Elektroautofahrer müssen unbedingt die verschiedenen Bedingungen vergleichen. Zieht man jetzt noch in Betracht, dass einige Menschen selbst Strom produzieren können – zum Beispiel mit der heimischen Fotovoltaikanlage – ergibt sich eine nochmals weitere Spreizung des Preises für elektrische Energie.
Bewusst zu niedrig kalkuliert
Der Hintergrund der massiven Preiserhöhungen ist vielfältig. Der Wichtigste: Die Preise waren zu Beginn klare Lockangebote, die nie kostendeckend waren. Das haben die Infrastrukturbetreiber (Fachjargon CPO für Charge Point Operator) auch immer deutlich gemacht und beklagt. In Hintergrundgesprächen war oft die Rede davon, dass erst zwischen 50 und 60 Cent pro kWh in Verbindung mit einer Mindestauslastung ein auskömmliches Dasein möglich wäre.
Das Nachsehen haben die so genannten EMPs (E-Mobility Provider), die selbst keine Ladeinfrastruktur betreiben und Roaming-Gebühren bezahlen müssen. Die verlangen aber auch die CPOs untereinander, was die Spitzenpreise bei Ionity erklärt.
Ebenfalls bedeutend ist, dass die Betreiber an den Ladepunkten sämtliche Steuern und Abgaben bezahlen müssen, die auch beim Haushaltsstrom verlangt werden. Zum eigentlichen Stromgestehungspreis addieren sich unter anderem die EEG-Umlage und die Netzentgelte.
Allerdings gibt es auch Parameter, die theoretisch für eine Dämpfung oder sogar ein Absinken führen könnten. So beträgt die EEG-Umlage 2022 nur noch 3,72 statt wie im Vorjahr 6,5 Ct./kWh. 2023 soll sie ganz abgeschafft werden.
Einnahmen aus THG-Quotenhandel werden nicht weitergegeben
Besonders schwerwiegend müssten außerdem die Einnahmen aus dem Handel für die Vorgaben aus der Treibhausgasminderungsquote (RED II) sein, die von den Mineralölkonzernen aufgebracht werden muss. Branchenkenner berichten von sechs bis 15 Ct./kWh, die in die Kassen der CPOs fließen.
Johannes Pallasch von der bundeseigenen Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur fordert darum: „Diese zusätzlichen Einnahmen müssen zügig über den Strompreis an den Ladesäulen an die Kundinnen und Kunden weitergeben werden. Dafür wird auch der zunehmende Wettbewerbsdruck an den Ladesäulen sorgen.“ Diesen Wettbewerb will auch die Nationale Leitstelle sicherstellen: Im Rahmen des Deutschland-Netzes werden 1.000 Standorte für DC-Ladeparks ausgeschrieben. Deren Vergabe und Zuschnitt soll verhindern, dass sich Oligopole bilden.
Bei der EnBW ist man an diesem Vorgehen aber nicht interessiert. Auf Anfrage von heise Autos heißt es: „Die EnBW beteiligt sich an der Vermarktung der THG-Quote des von ihr bereitgestellten Ladestroms. Die Erlöse investiert die EnBW in den weiteren Ausbau der bundesweiten öffentlichen Schnellladeinfrastruktur.“
Elektroautofahrer können also weiterhin nicht mit sinkenden Preisen rechnen. So wirkt es im Ergebnis, als hätte sich bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur das Verhalten der Smartphone-Tarifanbieter mit jenem der Mineralölindustrie gepaart. Wer nicht aufpasst, zahlt drauf.
Erschienen bei heise Autos.