Tesla Model Y

Regionale Produktion führt zu positiver Identifikation: Wenn irgendwo auf der Welt eine Autofabrik steht, bekommt das jeweilige Fahrzeug im Umkreis besonders viel Aufmerksamkeit. So ist es auch beim Tesla Model Y, das bald im Brandenburgischen Grünheide vom Band läuft. Fast wirkt es, als wäre das Batterie-elektrische SUV ein deutsches Auto. Das öffentliche Interesse ist riesig. ELECTRIVE.net hatte Gelegenheit, das Model Y über zehn Tage und 1.024 Kilometer zu testen.

Das Presseauto kommt noch aus China. Die Fertigungsqualität von dort hat einen deutlich besseren Ruf als die Exemplare aus dem kalifornischen Fremont. Und vielleicht kann Grünheide nochmals hochwertiger sein: Nach einer verregneten Nacht unter freiem Himmel zeigte sich, dass die Türdichtungen nicht perfekt waren und die Armauflage des Fahrers nass wurde. Schwamm drüber.

Das Tesla Model Y richtet sich an zwei Kundengruppen: Zum einen an all jene Käufer:innen, die auf jeden Fall einen Tesla wollen, denen das Model 3 aber zu klein ist. Die Limousine hat eben nur einen Stummeldeckel statt einer weit und elektrisch öffnenden Heckklappe. Theoretisch gibt es demnächst sogar eine 7-Sitzer-Option fürs Model Y. Vergessen Sie’s. Die dritte Reihe passt wirklich nur für Kleinkinder, und die sitzen beengter als auf den in US-Manier gegen die Fahrtrichtung montierten Kofferraumsitzen des Model S. Trotzdem gilt: Das Model Y hat ein großzügiges Platzangebot inklusive Frunk (117 Liter). Und der lässt sich mit einem Tipp auf den Screen oder die App entriegeln statt wie bei der Konkurrenz über einen oder mehrere mechanische Hebel.

Die Fülle des Raums ist das wichtigste Argument für die zweite Zielgruppe neben den Tesla-affinen: Alle, die ohnehin ein SUV wollen. Und das sind eine ganze Menge. Kein Segment ist so erfolgreich wie das der so genannten kompakten Sports Utilities, und das bedeutet konkret 4,75 Meter Länge, 1,92 Meter Breite ohne Spiegel und 1,62 Meter Höhe. Ein fettes Teil? Ja, im Vergleich zum Model 3. Nein, im Vergleich zur Konkurrenz. Diese Klasse ist durchgehend üppig. Im Innenraum des Model Y kneift nichts, und auch Hochgewachsene haben es bequem.

Damit unterscheidet sich das Model Y nicht vom Wettbewerb. Überhaupt muss bei nüchterner Betrachtung festgestellt werden, dass es kaum noch Alleinstellungsmerkmale gibt. Auch der Stromverbrauch und die Reichweite – dazu später mehr – liegen auf dem Niveau der anderen.

Überlegene Routenplanung und Convenience

Was Tesla weiterhin am besten kann, ist die Einfachheit der Bedienung auf längeren Strecken. Dieser Faktor kann für jene Menschen entscheidend sein, die eben nicht ständig in Ladekurven und Kilowattstunden denken. Mit keinem Elektroauto lassen sich Touren so leicht und verlässlich bewältigen wie in einem Tesla.

Weil’s so schön ist, hier nochmal die Beschreibung: Ziel eingeben. Gerne auch per Sprachsteuerung. Das Navigationssystem will keine dreimalige Bestätigung wie bei einigen Konkurrenten („wollen Sie diese Adresse ansteuern? Ja / Nein“). Es berechnet zügig die Route. Es zeigt die Standorte der Supercharger an, und es prognostiziert den Ladestand (abgekürzt SOC für State of Charge) bei Ankunft sowie die notwendige Wartezeit mit hoher Präzision. Dass die Batterie zu Gunsten einer hohen Ladeleistung automatisch vorkonditioniert wird, ist selbstverständlich – auch wenn die im Pressetext avisierten bis zu 250 kW auch bei niedrigem SOC nicht ansatzweise erreicht wurden; bei maximal 150 kW war Schluss.

Am Supercharger angekommen muss der Fahrer keinen lappigen Gummischutz von der CCS-Buchse entfernen. Ein Druck auf den Stecker des Superchargers, und der Deckel öffnet sich in sanftem Schwung. Einstöpseln, fertig. Die Identifikation und der Start erfolgen automatisch und ohne jede App oder RFID-Karte. Auf dem Zentralscreen wird der Preis für die Kilowattstunden angezeigt. Einschub: Neuerdings lassen sich händisch auch markenfremde DC-Säulen suchen. Das alles funktioniert wunderbar und vorbildlich. Es ist und bleibt erstaunlich, dass die anderen Autohersteller den Wert dieser Convenience nicht erkannt haben oder nicht in der Lage sind, ein ähnlich reibungsloses System zu implementieren.

Bei allen anderen Eigenschaften ist das Tesla Model Y ein Elektroauto, das Mühe hat, sich von der Konkurrenz positiv abzuheben. Nur der immense Schub – bei „Maximale Reichweite“ vergehen fünf Sekunden bis 100 km/h – erinnert noch an die Frühzeit der Elektromobilität, als die Social Media-Kanäle mit Videos von Tesla-Passagieren geflutet wurde, denen im Drag Race an der Ampel nur noch ein Hargh- oder Quietsch-Laut blieb. Der Rest ist Durchschnitt oder sogar weniger.

Mäßiger Fahrkomfort, unglückliche Abstimmung

So muss leider festgestellt werden, dass der Komfort insgesamt mäßig ist. Wer zuletzt 2005 in einem Neuwagen saß oder gar aus einem Diesel-Pkw kommt, wird das Model Y als angenehm leise empfinden. Im Vergleich zu einem Volkswagen ID.4 oder einem BMW iX3 aber fällt es bei der Geräuschdämmung ab. Sowohl der Wind als auch die Arbeit des Fahrwerks sind lauter.

Überhaupt, das Fahrwerk: Es ist in sich nicht stimmig. Eigentlich macht das Model Y wegen des kleinen Lenkrads und der direkten Lenkübersetzung einen handlichen Eindruck. Aber für die schnelle Kurvenhatz ist es zu schwer. Und die Federung ist zu hart. Auch mit 19-Zoll-Winterreifen ist der Abrollkomfort hölzern. Bei Geschwindigkeiten oberhalb von 130 km/h wiederum (Spitze: 217 km/h) ist das Model Y unterdämpft und wirkt unpräzise. Das beeinträchtigt das Sicherheitsgefühl. Alles in allem ist dieser Tesla weder ein komfortbetonter Cruiser – das würde ihm vom Wesen her entsprechen – noch ein dynamischer Sportler. Vielleicht hat Tesla zu viel an der Hardware gespart; eine aufwändige und teure Mehrlenkerhinterachse wie bei Polestar oder BMW hat das Model Y nicht.

Der Sparzwang scheint an vielen Stellen durch. Warum müssen sich Tesla-Besitzer im Markenshop oder dem Zubehörhandel einen Sonnenschutz fürs Panoramadach bestellen? Und auch, wenn die Materialauswahl und die Verarbeitungsqualität für sich betrachtet gut sind: Hier sind nicht nur klassische Premiummarken wie Audi oder Mercedes überlegen.

Stromverbrauch und Reichweite sind klassenüblich

Zum Stromverbrauch: Im Durchschnitt nahm das Model Y 21,6 kWh / 100 km aus der laut Fahrzeugschein 77 kWh fassenden Batterie. Das ist weniger als bei einem zuvor geprüften Hyundai Ioniq 5 (22,3 kWh / 100 km), aber mehr als bei einem im Sommer gefahrenen Volkswagen ID.4 (18,6 kWh / 100 km). Der Vergleich zum ID.4 ist allerdings nicht valide, weil die Wetterbedingungen für den VW ideal waren, während das Model Y und der Ioniq 5 mit Winterreifen und bei nasskalten, einstelligen Temperaturen raus mussten. Von der Effizienz eines Model 3 ist das Model Y naturgemäß weit entfernt. Rund 19 Zentimeter mehr Höhe fordern bei der Stirnfläche einen aerodynamischen Tribut. Das ist der Preis, den die Physik von jedem SUV verlangt.

Das macht sich im Autobahnbetrieb besonders bemerkbar. Bei Richtgeschwindigkeit zeigte der Bordcomputer 25,2 kWh / 100 an. Daraus resultieren rechnerisch 306 km Reichweite. Das ist das gleiche Level, das die Konkurrenz erreicht. Ob das viel oder wenig ist, kommt auf die Betrachtungsweise an: Der Stromverbrauch ist relativ hoch, wenn man bedenkt, dass ein einzelner Journalist ohne Gepäck bei 130 km/h (Tachoanzeige dabei: 132 km/h) unterwegs war und dass Batterie-elektrische Limousinen erheblich sparsamer sind. Im Vergleich zu SUVs mit Verbrennungsmotor wiederum zeigt sich die Effizienz dieser Antriebsart.

Startpreis unter 60.000 Euro, LFP-Version folgt

Der Bruttolistenpreis des Tesla Model Y Maximale Reichweite bleibt mit 59.965 Euro knapp unter der magischen Schwelle von 60.000 Euro, ab der die Dienstwagensteuer von einem Viertelprozent auf ein Halbes ansteigt. Im Konfigurator von Tesla steht wie gehabt ein anderer Preis, weil der Herstelleranteil der so genannten Innovationsprämie bereits abgezogen und die Bearbeitungsgebühr aufgeschlagen wird. Nach Abzug der BAFA-Prämie bleibt ein realer Einstiegspreis von 52.970 Euro.

Viel Geld für viel Elektroauto? Wer etwas Geduld und weniger hohe Ansprüche an die Reichweite hat, kann auf das Basismodell warten, das im Jahresverlauf erwartet wird. Es wird, so hat es Elon Musk für alle Model 3 und Model Y verkündet, robuste und kostengünstige LFP-Zellen bekommen und keinen Allradantrieb haben.

Tesla gehört mit dem Model Y endgültig zu den etablierten Autoherstellern. Das ist seit Jahrzehnten keiner Marke gelungen. Das Model Y ist der Tesla für Menschen mit großem Platzbedarf, sei es wegen der Familie, dem Hobby oder dem Beruf. Die Stärke bleibt die Einfachheit der Routenplanung. In vielen anderen Aspekten bietet das Model Y nur Durchschnittliches, und der Komfort ist mäßig. Das wird die Freunde der Marke aber nicht vom Kauf abhalten. Sie wollen einen Tesla und sonst nichts.

Erschienen bei electrive.net.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

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