Option Brennstoffzelle

Das Brennstoffzellen-elektrische Auto kommt. Sagen die einen. Nein, es kommt niemals, weil Batterien preisgünstiger sind. Behaupten die anderen. Oder doch? Kein Antrieb wird so kontrovers diskutiert wie jener, der den Strom für den Elektromotor aus einer Brennstoffzelle bezieht, die wiederum mit Wasserstoff betrieben wird. Zuletzt gibt es vermehrt Hinweise aus Industrie und Wissenschaft, dass das Fuel Cell Electric Vehicle, abgekürzt FCEV, einen kleinen, aber festen Platz neben dem Battery Electric Vehicle (BEV) haben wird. Der Grund dafür ist, dass die eine Technik genau dort stark ist, wo die andere schwach ist. Je nach Einsatzzweck ergibt sich daraus eine ideale Ergänzung.

Ziel der Abkehr vom Verbrennungsmotor ist die Dekarbonisierung des Verkehrs für den Klimaschutz und die Unabhängigkeit von Rohölimporten. Die Voraussetzung für jede Alternative ist, dass sie mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden kann. Beim Batterie-elektrischen Auto, so sagt es eine Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC), kommen von einer produzierten Kilowattstunde Wind- oder Sonnenstrom etwa 70 Prozent am Rad an. Beim Brennstoffzellen-Antrieb, bei dem der Wasserstoff durch Elektrolyse mit grüner Energie gewonnen wird, ist es nach PwC mit 36 Prozent nur gut die Hälfte. Dieser Unterschied im Wirkungsgrad kann sich zwar um einige Prozentpunkte verschieben, bleibt aber prinzipiell bestehen.

Uneingeschränkt langstreckentauglich

Was macht die Autoindustrie daraus? Renault hat im Mai die Studie eines neuen Scenic vorgestellt, die einen optischen Ausblick auf das Jahr 2024 gibt. Der Van werde in der Serienversion, so heißt es bei Renault, mit „rein Batterie-elektrischem Antrieb“ kommen. Die Studie aber kombiniert eine kleine Batterie mit 40 Kilowattstunden (kWh) Energieinhalt sowie eine Brennstoffzelle. Diese hat wenig Leistung, und die braucht sie auch nicht, weil sie auf Langstrecken lediglich als Range Extender arbeitet. Quasi wie ein moderner Reservekanister. Wenn dieser familientaugliche Van auf große Tour geht, spielt er die entscheidende Stärke aus: In fünf Minuten sind die Wasserstofftanks an den Tankstellen gefüllt. Fernreise ohne Stress an der Ladesäule.

Eine extern aufladbare Batterie in Verbindung mit einer Wasserstoff-betriebenen Brennstoffzelle kann zurzeit nur beim Stellantis-Konzern tatsächlich bestellt werden: Es ist der Transporter Opel Vivaro-e Hydrogen, der baugleich unter anderem als Citroen und Peugeot angeboten wird, 400 km Reichweite und das Format eines VW Busses hat. Der Opel hat eine 10,5 kWh große Batterie, die die Brennstoffzelle beim starken Beschleunigen und für die Bremsenergierückgewinnung unterstützt. Die Reichweite aus dem Wasserstofftank kann der Opel gut gebrauchen: Mit der ebenfalls erhältlichen Pkw-Version mit ausschließlich Batterie-elektrischem Antrieb und 75 kWh Energieinhalt haben wir bei ZEIT ONLINE bei bestem Wetter und Tempo 120 nur 250 Kilometer bis zum Zwangsstopp an der Ladesäule geschafft.

Weitere Beispiele aus dem aktuellen Markt der Brennstoffzellenfahrzeuge, allerdings komplett ohne Ladestecker, sind der Toyota Mirai II (Normreichweite 650 km) und der Hyundai Nexo (756 km). Beide können gekauft werden. Hyundai wird, das ist ein offenes Geheimnis, bald den Familien-Van Staria statt mit Dieselmotor wahlweise mit Brennstoffzellen-elektrischem Antrieb anbieten. Der südkoreanische Konzern hat außerdem auf der Jahrespressekonferenz im Februar angekündigt, 2025 und weltweit 670.000 Electric Vehicles bauen zu wollen, und 110.000 davon sollen FCEVs sein. Das entspricht rund 16 Prozent. Die Konzerne Stellantis, Renault, Toyota, Hyundai sowie BMW bekennen sich also öffentlich zu dieser Doppelstrategie. Und auch in China ist man aktiv: Changan hat jüngst den Dark Blue SL03 vorgestellt. China ist ohnehin der stärkste Innovationstreiber der Elektromobilität.

Reichweite bei Brennstoffzellen unabhängig vom Wetter

„Heutige Brennstoffzellen-Pkw wie der Hyundai Nexo schaffen Jahreszeit-unabhängig rund 600 Kilometer“, erklärt Prof. Dr. Markus Hölzle vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg (ZSW). Er leitet den Geschäftsbereich Elektrochemische Energietechnologien am ZSW. Zuvor hatte er die globale Entwicklung für Batteriematerialien bei BASF verantwortet. Ein Fachmann, der aus der Praxis mit seinem Batterie-elektrischen Mercedes EQC berichtet, dass „im Winter weniger als 300 km“ möglich wären. Die reduzierte Reichweite bei Kälte sei „ein unterschätztes Problem“, so Prof. Hölzle. Bei niedrigen Temperaturen dürfen Batterie auch nicht zu schnell geladen werden, weil sich sonst metallisches Lithium abscheidet. Dieses so genannte Plating ruiniert die Dauerhaltbarkeit. Kälte wirkt also mehrfach negativ.

Bei der langfristigen Nutzung gibt es zusätzlich einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Batterien und Brennstoffzellen: Der Verschleiß der Batterie zeigt sich in einer reduzierten Kapazität. Wenn durch die Alterung etwa noch 80 Prozent des ursprünglichen Energieinhalts gespeichert werden können, bleiben von zum Beispiel 250 km beim Neufahrzeug noch 200 km für den Gebrauchtwagen übrig. Bei großer Kälte sinkt die Kapazität wegen der veränderten Viskosität des Elektrolyts um ein weiteres Drittel. Eine aktive Heizung wirkt diesem Effekt entgegen, steigert aber den Stromverbrauch. Bei der Brennstoffzelle dagegen sinkt beim Verschleiß die Spitzenleistung und nicht die Reichweite.

Materialkosten für Batterien steigen stark

Eine Herausforderung für Batterie-elektrische Fahrzeuge sind die deutlich gestiegenen Materialkosten: Der Preis für Lithium hat sich im Jahresvergleich mehr als vervierfacht. Nickel und Kobalt sind um über 60 Prozent teurer geworden. Branchenkreise berichten, dass im Ergebnis die Kosten für eine Kilowattstunde Batteriekapazität nicht mehr sinken, sondern stagnieren oder tendenziell steigen. Wohlgemerkt nach einem Jahrzehnt, in dem genau diese Kosten radikal um über 80 Prozent abgeschmolzen sind. Während bei Brennstoffzellen die Energieeffizienz schwach ist, ist es bei Batterien die Rohstoffeffizienz.

Als gesetzt gilt der Brennstoffzellen-elektrische Antrieb nur im Schwerlastverkehr. Im Verteilerverkehr auf kurzen Strecken ist ein Batterie-Lkw ausreichend. Je größer Distanz und Zuladung werden, desto eher wird die Brennstoffzelle zum Einsatz kommen. Das sehen Mercedes Trucks und Volvo so, und auch bei Traton, der Lkw-Dachmarke von Volkswagen mit MAN und Scania, propagiert man zwar öffentlich die reine Batterielösung, will aber auch den Wasserstoff nicht wirklich aufgeben.

Fazit: Bei Autos oder Nutzfahrzeugen, die größer sind und lange Strecken bewältigen sollen, könnte das Angebot an Brennstoffzellen-elektrischen Antrieben langsam wachsen. Wo die Grenze verläuft, hängt von vielen Faktoren ab, wobei der Einsatzzweck am wichtigsten ist. Und selbstverständlich ist besonders wichtig, was die Kundeninnen und Kunden wollen. Ein 100-prozentiges Batterieszenario jedenfalls ist nach heutiger Einschätzung unwahrscheinlich.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: Renault

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