China ausgeliefert

Buy American ist das Motto, das in den USA für Elektroautos zur Vorschrift gemacht wurde – zumindest wenn Käuferinnen und Käufer eine Steuergutschrift von bis zu 7.500 Dollar erhalten wollen. Die gibt es ab 2023 nur, wenn 40 Prozent der Rohmaterialien für die Batterie aus den USA oder einem Land stammen, das ein Freihandelsabkommen mit den USA unterzeichnet hat. Deutschland gehört nicht dazu, denn TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, ist weiterhin nicht in Kraft. Das Ziel ist nicht etwa rein protektionistisch. Vielmehr geht es darum, sich industriell unabhängig von bestimmten Lieferketten zu machen. Vor allem von China. Der Mindestanteil an heimischen Rohstoffen steigt laut dem US-Gesetz jährlich um zehn Prozentpunkte auf 80 Prozent im Jahr 2027. Ab 2025 sind Elektroautos auf keinen Fall förderfähig, wenn Rohstoffe für die Batteriezellen aus China, Russland und anderen Countries of Particular Concern – frei übersetzt etwa: bedenklichen Herkunftsländern – kommen.

Das führt zu Kritik, weil die Liste der förderfähigen Elektroautos kurz geworden ist: Der Chevrolet Bolt erfüllt die Voraussetzungen, der Pick-up-Truck Ford F-150 Lightning und der Ford Mustang Mach-E auch. Beim Tesla Model 3 profitieren nur die Käufer des Basismodells von einer Steuergutschrift, beim SUV Tesla Model Y werden ebenso nur bestimmte Ausstattungsvarianten subventioniert. Und ein Volkswagen ID.4, direkter Konkurrent des Tesla Model Y, muss aus Tennessee kommen statt aus Sachsen, wenn es Staatsgeld geben soll.

Batteriesysteme: Ansammlung von Metallen

Hinter dieser scheinbar radikalen Maßnahme steht die Idee, sich vor einer Bedrohung zu schützen. Viele Materialien, die für Batteriezellen gebraucht werden, kommen aus chinesischen Minen. Ein Batteriesystem besteht vorwiegend aus Metallen: Stahl oder Aluminium fürs Gehäuse. Kupfer für die Kabel. Lithium als Grundelement praktisch aller heutigen Zellen. Dazu kommt an der Anode, einem Pol der Batterie, meistens Graphit, bei dem China nahezu eine Monopolstellung hat. An der Kathode, dem anderen Pol, sind Kobalt, Nickel, Mangan oder Eisen üblich.

Selbst wenn die Rohstoffe nicht in China gefördert werden, werden sie häufig dort veredelt; ein Aspekt, der oft übersehen wird. So könnte zum Beispiel Lithium aus Australien in China zu Lithiumhydroxid verarbeitet werden, das man für die Batterieherstellung benötigt. Und auch die fertigen Batterien kommen häufig aus China: CATL und BYD, der größte und der drittgrößte Batteriezellhersteller der Welt, produzieren über die Hälfte der weltweiten Gesamtkapazität. Sollte es zu politischen Spannungen kommen, könnte bereits der Ausfall einzelner, besonders wichtiger Materialien zum Stillstand deutscher und anderer europäischer Fabriken führen.

Außerdem ist ein Elektroauto nur ökologisch sinnvoll, wenn es mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben wird. Auch hier ist China dominant: Silizium, das für Photovoltaikanlagen gebraucht wird, kommt ebenso von dort wie die Seltenerdmetalle, die für bestimmte Generatoren in Windkraftanlagen und einige Antriebsmotoren in Elektroautos eingesetzt werden.

BDI: Diversifizieren und Lagerhaltung aufbauen

„Die USA bauen eine eigene Versorgungskette auf. Das ist klug“, sagt Matthias Wachter, Abteilungsleiter beim Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). In den Vereinigten Staaten würde die Produktion auch unter dem Aspekt der Sicherheitspolitik gesehen.

Der BDI ruft dazu auf, dringend vorzusorgen. So wäre es sinnvoll, wenn es eine Vorratshaltung geben würde, um Lieferunterbrechungen überbrücken zu können: „Die Lagerhaltung aber wird steuerlich benachteiligt“, erklärt Wachter, „das sollte geändert werden.“ Am wichtigsten ist aus Sicht des BDI jedoch, verschiedene Bezugsquellen zu haben. Dafür sei man auf ungebundene Finanzkredite angewiesen. Mit diesen sichern Banken Rohstoffvorhaben gegen wirtschaftliche und politische Risiken ab, die Bundesregierung sichert wiederum den Kredit ab. Dieses Instrument unterliegt allerdings dem BDI zufolge zu strengen Vorgaben, so dass es zu wenig Wirkung entfalte. Ein Beispiel: Ein Vertrag zwischen dem deutschen Kupferhersteller Aurubis und einer Mine in Panama sei wegen überzogener Nachhaltigkeitsvorstellungen nicht abgesichert worden; jetzt liefert die Mine nach China.

Über neue, nicht-chinesische Lieferanten hinaus könnte Deutschland unabhängiger werden, wenn hier im großen Stil Batterien recycelt und die Rohstoffe zurückgewonnen würden. Das ist technisch möglich, wird aber bislang kaum praktiziert. Zum einen, weil es nur teilweise wirtschaftlich ist. Zum anderen wird es noch Jahre dauern, bis große Mengen anfallen.

So bleibt es vorerst dabei: Deutschland und die anderen europäischen Staaten haben sich politisch von einzelnen Ländern in der Lieferkette – allen voran China – erpressbar gemacht. Und die Abhängigkeit wird mit zunehmender Verbreitung der Elektroautos noch größer. Ab 2035 will die EU nur noch Pkw ohne direkte CO2-Emissionen zulassen.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Verwandte Beiträge

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen