Nun 94 statt 119 Gramm pro Kilometer: Der erlaubte Grenzwert für die durchschnittlichen CO2-Emissionen der tatsächlich registrierten Neuwagen eines Herstellers sinkt 2025 erheblich ab. Zwar hat die Autoindustrie 2024 nach Zahlen des International Council on Clean Transportation (ICCT) mit im Mittel 107 g CO2 / km bereits einen guten Teil der Strecke zum 94 Gramm-Ziel zurückgelegt. Anstrengungsfrei wird es aber nicht möglich sein, die verschärften gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Die Konzerne haben vielfältige Möglichkeiten. Mehr Elektroautos verkaufen ist die simpelste Methode, um besser zu werden. Die Prognose: Weiterhin wird niemand wegen des CO2-Flottenmechanismus auch nur einen Euro Strafzahlung nach Brüssel überweisen. Welcher Hersteller wählt dafür welche Strategie?
Vor der Antwort auf diese Frage soll nochmals das System selbst erklärt werden: Jedem neu zugelassenen Pkw im Europäischen Wirtschaftsraum (EU 27, Island, Liechtenstein und Norwegen) ist ein CO2-Wert pro Kilometer zugeordnet. Dieser wird bei der allgemeinen Typprüfung auf dem Prüfstand am Auspuff gemessen; Elektroautos gehen also mit null Gramm in die Bilanz ein. Der Durchschnitt aller Pkw eines Herstellers ist der maßgebliche CO2-Wert. Zugleich werden die Emissionen der Kraftstoff- und Fahrstromseite über die Renewable Energy Directive (RED) reguliert.
Gemeinsames Bilanzieren im Pool
Jeder Hersteller darf sich mit jedem gemeinsam bilanzieren. Diese so genannten Pools müssen vorab angemeldet werden. Entscheidend ist, dass das Gesamtergebnis stimmt.
Für die Jahre 2021 bis 2024 galt ein Grenzwert von 95 g CO2 /km im abgeschafften Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Umgerechnet in das aktuelle Verfahren Worldwide harmonized Light vehicle Test Procedure (WLTP) waren das die erwähnten 119 g CO2 / km. Für die Abrechnungsperiode 2025 bis 2029 beträgt der vorläufige Grenzwert wie beschrieben 94 g CO2 / km.
Die CO2-Grenzwerte der Flotte eines bestimmten Herstellers sind unterschiedlich hoch, weil es einen Gewichtsfaktor gibt. Der hat in der Vergangenheit zu einem Nachlass für Marken mit besonders schweren Autos geführt: Ein Premiumrabatt für BMW, Volvo und andere.
Gewichtsbezug belastet schwere Flotten
Die gleiche Formel bewirkt nun das Gegenteil. Die Hersteller-spezifischen Grenzwerte für 2025 wurden neu berechnet. Anders als bisher, als schwere Pkw gleichbedeutend mit hohen CO2-Emissionen waren, senken gleich schwere Elektroautos den CO2-Durchschnitt ab – und die wurden von genau jenen Hersteller anteilig häufig zugelassen, die bereits eine Kundschaft mit viel Kaufkraft hatten.
Wenn etwa Mercedes zu einem GLC einen EQC verkauft hat, hat das den mittleren CO2-Wert gesenkt. Diese Reduktion wiederum führt zum erwähnten paradoxen Effekt: Die Flottengrenzwerte sind für alle Hersteller deutlich verschärft worden, die ein besonders gewichtiges Portfolio auf die Straße bringen.
Hierzu zwei Extrembeispiele: BMW hatte 2024 eine individuelle CO2-Vorgabe von 129 statt der durchschnittlichen 119 g CO2 / km. 2025 dagegen werden es 93 g CO2 / km sein. Formal also ein Minus von 36 g CO2 / km. Renault mit einer relativ leichten Flotten musste 2024 111 g CO2 / km erreichen und im laufenden Jahr auf 96 g CO2 / km reduzieren. Macht minus 15 g CO2 / km.
Nach dieser Einleitung folgen die Handlungsmöglichkeiten, Befindlichkeiten und mutmaßlichen Strategien der Herstellerverbünde und Konzerne, um die CO2-Vorgaben 2025 straffrei zu erreichen:
Tesla (Realergebnis 2024 0 g CO2 /km, Soll-Wert 2025 93 g CO2 / km)
Tesla verkauft ausschließlich Elektroautos. Das eröffnet die Möglichkeit, mit anderen Herstellern einen Pool zu bilden und Geld dafür zu bekommen. Anders als vielfach vermutet ist das in Europa bisher nicht passiert; die Summen, die Tesla in der Bilanz für den CO2-Handel ausweist, stammen vorwiegend aus den USA.
Es ist auffällig, welche zwei Konzerne 2025 bei der Europäischen Union formal einen Pool mit Tesla angemeldet haben: Der Vielmarkenverbund Stellantis und Ford. Welche Verträge es zwischen diesen beiden und Tesla gibt, ist unbekannt. Ob Stellantis und Ford lediglich eine Art Option geschaffen oder bereits eine Mindestabnahmemenge vereinbart haben, ist vertraulich.
Die pure Möglichkeit von Stellantis und Ford, mit Tesla zu poolen, ist wichtig für die derzeitige Vermarktungsstrategie.
Volvo und Polestar (73 –> 90 g CO2 / km)
Volvo und Polestar gehören zum Geely-Konzern aus China und haben genau wie Tesla den Grenzwert für 2025 bereits unterboten. Polestar verkauft ohnehin nur Elektroautos, und Volvo weitet das Angebot nach dem beliebten kompakten EX30 mit dem monströsen EX90 aus.
Geely ist zugleich mit rund zehn Prozent der größte Einzelaktionär bei Mercedes. Es ist wenig verwunderlich, dass Mercedes bei der Europäischen Union das Pooling mit Volvo und Polestar beantragt hat. Warum das bei Mercedes nötig sein könnte – dazu gleich mehr.
BMW und Mini (99 –> 93 g CO2 /km)
BMW hat eine besonders erfolgreiche Elektrifizierungsstrategie: Beim Design sind viele Elektroautos identisch mit den Diesel- und Benzin-Pendants. Es hat sich als richtig herausgestellt, dass Elektroautos eben nicht anders aussehen müssen als jene mit Verbrennungsmotor. Das ist mutmaßlich ein Ergebnis der Experimente mit i3 und i8. Nach außen präsentiert sich BMW gerne technologieoffen und handelt faktisch sehr konsequent: Alles wird Batterie-elektrisch, auch wenn das noch nicht alle Kunden begriffen haben.
Nach erfolgreichen Baureihen wie dem iX1 folgt 2025 die Neue Klasse mit einem SUV (NA5) als Ablösung für den iX3 und später mit der Limousine NA0 als elektrischem 3er. Ein Kombi (NA1) kommt kurz danach.
Bis zum 5. März findet in Brüssel der strategische Dialog aus EU-Kommission und Industrievertretern statt. Die Stimmung, so heißt es von Branchenkennern, ist mies. Die Autoindustrie fordert eine Aufweichung der CO2-Ziele. Sollte das passieren, wäre das für den Ehrgeiz von BMW eine Bestrafung.
Mercedes und Smart (106 –> 91 g CO2 / km)
Mercedes ist einerseits auf einem sehr guten Weg, die verschärften CO2-Vorgaben zu erfüllen. Andererseits hat Mercedes mehrere Fehler gemacht, die dazu führen können, dass das erwähnte Pooling mit Volvo elementar wird.
So hat Mercedes mit dem Design von EQE und EQS die europäischen Traditionskäufer überfordert oder verprellt. Zugleich hat die gewollte Anbiederung an den vermeintlichen Geschmack in China dort nicht funktioniert. Dass keine Kombi auf Basis des EQE angeboten wird, kommt belastend dazu. Lieblos wirkt außerdem die Modellpflege der konventionellen Mercedes ECA und EQB.
Die konservativen Käufer in Europa sollen sich vorübergehend mit den Plug-in Hybridautos in allen Baureihen zufriedengeben. Der Haken: Im Flottenmechanismus werden Plug-in Hybride in zwei Stufen 2025 und 2027 abgewertet: Die CO2-Emissionen steigen auf dem Papier deutlich an, wenn die elektrische Reichweite nicht drastisch zunimmt. Das war Mercedes selbstverständlich bekannt – trotzdem kämpft Konzernlobbyist Eckart von Klaeden (ehemals Staatsminister im Bundeskanzleramt, CDU) beim strategischen Dialog in Brüssel für einen Aufschub oder eine Abschaffung dieser schrittweisen Entwertung von Plug-in Hybridautos.
Für Mercedes wird 2025 ein unangenehmes Jahr. Neuheiten wie der gutaussehende CLA mit der überfälligen 800 Volt-Plattform greifen erst 2026 so richtig. Dann wird zusätzlich der elektrische GLC auf der gleichen Basis erhältlich sein, eins der weltweit populärsten Modelle von Mercedes.
Es wird alles absehbar besser – bis es das nicht ist, wird sich Mercedes gegen die Beibehaltung des CO2-Flottenmechanismus in der derzeitigen Form einsetzen. Siehe auch der Absatz zur Flexibilisierung im Kapitel Stellantis.
Toyota (109 –> 94 g CO2 / km)
Toyota würde niemals öffentlich über den CO2-Flottenmechanismus klagen. Der Weltmarktführer aus Japan macht mit der Modellpolitik trotzdem klar, was er von Elektroautos hält: Sehr wenig.
Das war bisher ausreichend. Ein paar SUVs vom Typ bZ4X und vor allem sehr viele Hybrid-Pkw waren 2024 genug, um die CO2-Vorgaben locker zu unterbieten.
2025 ist das anders. Toyota wird einige Urban Cruiser verkaufen müssen. Diese elektrische Interpretation des Themas Yaris Cross könnte wegen des zielgruppengerechten Designs einen Achtungserfolg erzielen. Gebaut wird der Urban Cruiser übrigens in Indien, und er wird mit robusten und preisgünstigen LFP-Zellen ausgeliefert. Das passt gut zum verlässlichen Ruf der Marke.
Toyota hat längst angekündigt, dass eine komplett neu konstruierte Generation von Elektroautos erst ab 2026 auf den Markt kommen. Aus Unternehmenssicht mag das schlüssig sein, es birgt aber die Gefahr, währenddessen Käufer an andere Marken zu verlieren.
Kia (104 –> 93 g CO2 / km)
Ähnlich wie BMW hat sich Kia als Hersteller von Elektroautos etabliert. Das Mittel zur Einhaltung der kommenden CO2-Grenzwerte sind immer mehr Elektroautos.
In den preissensiblen Segmenten – derzeit ist das nur der Kia EV3 – haben die Elektroautos ein Batteriesystem mit 400 Volt Spannung. Ab dem EV6 kommt das erstklassige 800 Volt-System zum Einsatz.
Kia geht in Kürze mit einer Modelloffensive in die Breite: Der Hochlauf des EV3 wird begleitet von der Premiere des EV4 in zwei Karosserieversionen sowie des Kleinwagens EV2. Alle haben 400 Volt Batteriespannung. Eine Ergänzung für Gewerbetreibende ist die Nutzfahrzeugserie PBV.
Stellantis (111 –> 96 g CO2 / km)
Eigentlich hatte der Stellantis-Konzern eine Vielzahl von preisgünstigen Elektroautos vorgestellt. Zum Beispiel den Citroen e-C3 und den e-C3 Aircross. Opel, Alfa Romeo, Fiat und Jeep gehören gleichfalls zu Stellantis. Die Auslieferung im großen Maßstab verzögert sich. Liegt es wirklich an Problemen mit der Software? Oder möchte der Konzern taktisch dokumentieren, dass es für Anbieter im preissensiblen Segment besonders schwierig ist, Elektroautos anzubieten?
Auffällig ist in jedem Fall die hohe Preisdifferenz zwischen hybridisierten Verbrenner-Pkw mit Automatikgetriebe und Elektroautos auf der gleichen Basis. Beim Peugeot 208 etwa sind es rund 10.000 Euro. Ein Unterschied, der angesichts rapide verfallender Batteriekosten übertrieben sein dürfte. Der Verdacht: Es wird gemauert.
Kreise aus Brüssel berichten, dass Stellantis sich für eine Flexibilisierung einsetzt. Gemeint ist, was Bundeswirtschaftsminister Habeck im Dezember skizziert hatte: Sollte ein Hersteller 2025 die CO2-Vorgaben verfehlen, könnte er einen Kredit auf die Jahre 2026 und 2027 aufnehmen.
Mit dieser Idee, die in ähnlicher Form im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland in Kraft ist, wäre es möglich, straffrei zu bleiben, wenn ein CO2-Plus 2025 durch ein entsprechendes Minus 2026 und 2027 kompensiert wird.
Von allen Vorschlägen, die zurzeit im strategischen Dialog in Brüssel diskutiert werden, ist dieser am wahrscheinlichsten. Aber Vorsicht: Ab 2030 muss die CO2-Reduktion im Vergleich zu 2021 55 Prozent betragen. Der Hochlauf in der zweiten Hälfte der Dekade ist also umso steiler für jene Hersteller, die müde anfangen.
Ford (119 –> 94 g CO2 / km)
Die Pkw-Sparte von Ford ist ein Problemfall. Ford hat eine große Lücke bis zum 2025er Ziel und keinen tragfähigen Plan, um diese zu schließen. Zwar ist mit dem Explorer ein formvollendetes elektrisches SUV entstanden. Der Explorer kostet im Vergleich zum gleich großen Skoda Elroq jedoch etliche tausend Euro mehr, obwohl beide die MEB-Plattform teilen.
Der kleinere elektrische Puma ist gleichfalls schlicht zu teuer für ein sichtbar umgerüstetes Verbrenner-Auto. Auf die notwendigen Marktanteile kann Ford so kaum kommen. Ford wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Option des Poolings mit Tesla nutzen, um die CO2-Vorgaben einzuhalten.
Mittelfristig ist offen, welche Modellpolitik Ford in Europa verfolgt. Auch in Großbritannien, wo die Marke besonders beliebt ist, fordert die Politik mehr Elektroautos; das Zero Emission Mandate (ZEV) ist nochmals aggressiver im Hochlauf gestaltet als die Limits in der EU.
Es ist nicht vollständig ausgeschlossen, dass Ford den europäischen Markt langfristig aufgibt.
Volkswagen (117 –> 95 g CO2 / km)
Volkswagen versucht’s: Der Konzern mit Marken von VW bis Porsche will den Anteil der Elektroautos drastisch steigern. Das Ergebnis sind befristete Sonderangebote wie zuletzt beim ID.3, der mit der mittleren von drei Batteriegrößen für 249 Euro Leasingrate vertickt wurde. Die Bestellbücher haben sich schnell gefüllt.
Solche Aktionen kann Volkswagen mehrfach in diesem Jahr initiieren. Dem Vernehmen nach ist die Marge geringer als im Durchschnitt, aber es wird mit jedem Elektroauto Geld verdient.
Offensichtlich hat der Volkswagen-Konzern den Modularen Elektrifizierungsbaukasten MEB inzwischen auch bei den Kosten im Griff. Davon zeugt unter anderem der Skoda Elroq. Kaum ist das Kompakt-SUV auf dem Markt, werden bereits Nachlässe eingeräumt.
Für Volkswagen ist das die kostengünstigste Möglichkeit, die CO2-Auflagen einzuhalten. Bequemer wird es erst 2026, wenn im Segment ab 25.000 Euro der Cupra Raval, der Volkswagen ID.2 und der Skoda Epiq in die Verkaufsräume kommen. 2027 soll der ID.1 erscheinen, der in der Basisversion unter 20.000 Euro kosten soll.
Es klingt paradox, dass ausgerechnet Volkswagen mit einer Mischung aus allgemeiner Kostensenkung in allen Bereich plus frischen Elektroautos aus der Krise fahren könnte.
Hyundai (110 –> 94 g CO2 / km)
Hyundai und die Konzernmarke Kia treten einzeln zur CO2-Prüfung an. Hyundai handelt wie das Gros der Hersteller und verkauft zunehmend Elektroautos. Die neusten Beispiele sind der Kleinwagen Inster, der das Zeug zum Kult hat, und der überarbeitete Ioniq 5 mit dem erstklassigen 800 Volt-Ladesystem. Beide werden analog zu Volkswagen zu günstigeren Preisen als in der Liste vermarktet.
Zum Jahresende kommt das große SUV Ioniq 9, und in der Golf-Klasse wird der Ioniq 3 vorgestellt. Die Studie Initium gibt einen Hinweis auf die kommende Designsprache. Die Südkoreaner haben sich einen guten Ruf erarbeitet und verstehen es, den zu behalten.
Renault mit Nissan und Mitsubishi (111 –> 96 g CO2 / km)
Renault ist in der Offensive: Mit den elektrischen Scenic, Megane, R5, R4 und ab 2026 dem Twingo bieten die Franzosen ein breites Portfolio an. Vermutlich wird Renault die Preise zwischen Elektroautos und Verbrennern so einpendeln, dass der Absatz ausreichend ist.
Ab 2026 werden nach dem Kangoo die größeren Nutzfahrzeuge elektrifiziert: Der Trafic wird elektrisch, und für den Lieferverkehr wird der Name Estafette wiederbelebt. Dieser Kasten ist hoch und dabei nicht allzu lang oder breit. So passt der Meldegänger, so die ungefähre Übersetzung von Estafette, in europäische Städte – und später für die Vanlifer, die sich über die Stehhöhe freuen.
Fazit
Bei den meisten Herstellern wird es mit den verschärften CO2-Limits klappen, weil sie sich frühzeitig auf die Notwendigkeit von mehr Elektroautos eingestellt haben. Knapp könnte es bei Mercedes und Stellantis werden, wo das Pooling als Ausweg bleibt. Das ist auch bei Ford so, wo das Pooling mit Tesla notwendig ist. Ford ist mittelfristig in der Bredouille und hat keine klare Strategie für den Antriebswechsel.
Erschienen bei heise Autos.