Der Welpenschutz ist vorbei. Batterie-elektrische Autos müssen auch im Winter beweisen, dass sie ohne Abstriche funktionsfähig sind. Der Hyundai Kona EV bringt die Voraussetzungen dafür mit: Der Testwagen hat die optionale Batterie mit 64 statt 39,2 Kilowattstunden (kWh) Energiegehalt und einen 150 Kilowatt (kW) starken Elektromotor. Ab der mittleren Style-Ausstattung (42.500 Euro) ist eine stromsparende Wärmepumpe für die Heizung serienmäßig. Und immerhin blieben von den 449 Kilometern (km) Reichweite nach gesetzlicher WLTP-Norm im gemäßigten norddeutschen Klima rund 300 km übrig. Ein guter Wert für ein Batterie-elektrisches Auto in dieser Jahreszeit. Trotzdem konnte der Hyundai Kona EV nicht in jeder Hinsicht überzeugen.
„Elektromobiler Lifestyle trifft SUV-Power“, so heißt es auf der Webseite des Herstellers. Und tatsächlich hat kaum ein Segment so starke Wachstumsraten wie das der kompakten SUVs. Hyundai hat den i20 im Angebot. Aber so, wie der Volkswagen T-Cross den Polo kannibalisiert, werden viele Hyundai-Kunden lieber den Kona als den konventionellen i20 wählen. Unabhängig von der eigenen Bewertung dieses Zeitgeisttrends bringt ein City-SUV eine erhöhte Sitzposition mit sich. Das ist bequem beim Einstieg, und einige Fahrer behaupten, dass die Übersicht besser wäre – das ist nur bedingt richtig: So sind Kinder im Nahbereich kaum zu erkennen, und ohne Sensoren wäre das Einparken wegen des eingeschränkten Rundumblicks mühselig. Die Rückfahrkamera hilft serienmäßig; die vorderen Ultraschallpiepser dagegen sind nur bei der Premium-Ausstattung wie im Testwagen (ab 45.600 Euro) aufpreisfrei.
Beim Fahren stellt sich dann das Erlebnis ein, dass die Käufer Batterie-elektrischer Autos suchen: Geschmeidiger und ruckfreier Antritt. Leises Dahingleiten. Gelassenheit. Besonders gelungen bei Hyundai ist die vierfach über Schaltwippen verstellbare Bremsenergierückgewinnung. In Stufe Null rollt der Kona EV wunderbar, und wenn eine Kurve oder eine Ampel kommen, genügt es oft, die Rekuperation auf Stufe 3 ändern. Im Display ist dann eine Bremsleistung von über 60 kW ablesbar. Und selbstverständlich verzögert der Kona EV auch beim Pedaldruck erst über den Elektromotor und später über die Scheibe.
Exzellente Assistenzsysteme
Herausragend sind wie üblich bei Hyundai die Assistenzsysteme. Es ist auffällig, wie sich von Modelljahr zu Modelljahr die Details verbessern. Beispiel Wiederbeschleunigen: Ein typischer Schwachpunkt bei adaptiven Geschwindigkeitsregelungen ist eine Gedenksekunde, wenn das vorausfahrende Auto schneller wird. Anders der Kona EV: Er nimmt an der Ampel oder auf der Autobahn rasch und entschlossen Fahrt auf. Keiner hupt.
Die Spurführung ist ebenfalls top. Sie arbeitet umsichtig und ohne Fahrstreifen-Ping-Pong. Gleichzeitig lässt sie sich mit sanftem Druck übersteuern. Auch wenn diese Systeme noch nicht perfekt sind, ist absehbar, dass der Fortschritt von Rechner- und Sensorleistung zu immer mehr Sicherheit und Komfort führen wird. Nur die Hands-off-detection ist zu sensibel: Der Fahrer wurde zu oft ermahnt, die Hand ans Steuer zu legen, obwohl sie genau dort war.
In der Gesamtabstimmung des Kona EV offenbarten sich aber auch Schwächen. Die 150 kW Leistung lassen sich wegen eines Traktionsdefizits kaum abrufen. Der Hersteller hat die Kennlinie des Strompedals bereits sehr zurückhaltend ausgelegt, und dennoch verlieren die breiten 215er-Winterreifen beim Beschleunigen früh an Haftung. Ein weiterer Malus ist die Geräuschdämmung. Es ist schön, wenn der Motor keine Vibrationen produziert – Fahrwerk und Wind sollten akustisch besser entkoppelt sein.
Mit 64 kWh wird das Laden weniger wichtig
Zur Reichweite und zum Laden: 64 kWh sind eine fette Ansage. Eine Batterie mit so viel Kapazität in diesem Segment war noch vor wenigen Jahren ein euphorisches Versprechen. Jetzt zeigt sich, dass rund 50 kWh zur Standardgröße bei den Kompakten werden. Bei Außentemperaturen von minus zwei bis plus fünf Grad war die Klimaautomatik – eine App zur Fernbedienung hat Hyundai leider nicht – auf 20 Grad gestellt, und an weiteren Verbrauchern wie der Sitzheizung wurde nicht gegeizt.
Der Kona EV hat in einem Submenu des Zentraldisplays ein Anzeigeinstrument für die Aufteilung des Stromverbrauchs zwischen Vortrieb, Klimatisierung und Elektronik. Hier wird das Logische sichtbar: Wie bei anderen Elektroautos mit Wärmepumpe sinkt die erforderliche Heizleistung sehr schnell ab. Eine Stichprobe bei drei Grad ergab zum Start 3,1 kW Bedarf, nach fünf Minuten Fahrzeit noch 1,9 kW und weitere sieben Minuten später (Strecke dabei: 4,3 km) noch 1,1 kW. Sobald der Innenraum auf Temperatur ist, war noch etwa ein halbes kW nötig. Angesichts der Batteriekapazität ist das vernachlässigbar.
Dass der Durchschnittsverbrauch mit 21,5 kWh exklusive Ladeverlusten relativ hoch war, hat mehrere Ursachen. Hyundai gibt optionsabhängig bis zu 1818 (!) kg nach EU-Norm, also inklusive 75 kg für Mensch und Gepäck, an. Der Testwagen in Vollausstattung dürfte nahe an diesem Wert liegen – das ist schlicht zu viel für ein Auto der Polo-Klasse. Der Kona EV teilt das Schicksal des Übergewichts mit vielen Batterie-elektrischen Autos, was diese Antriebsart für bestimmte Einsatzzwecke fragwürdig macht. Der Ballast ist der Spiegel des massiven Materialeinsatzes. Auch die Aerodynamik ist nicht erstklassig: Der Luftwiderstandsbeiwert liegt bei cW 0,29, und eine Angabe zur Stirnfläche macht Hyundai nicht. Es liegt auf der Hand, dass der Kona EV hier schlechter abschneidet als der zwölf Zentimeter flachere und sehr windschlüpfige (cW 0,24) Ioniq electric.
Das Fahrprofil im Testzeitraum war geprägt von Stadtstrecken oder von Autobahntouren, die meistens mit gemäßigtem Tempo bis zur Richtgeschwindigkeit bewältigt wurden. Bei echten 130 km/h (der Tacho zeigt dann 135 km/h an) lag der Verbrauch zwischen 23 und 24 kWh. Energieschonende Landstraßenfahrten waren die Ausnahme. Wer sich für ein Batterie-elektrisches Auto interessiert, muss für sich prüfen, ob ihm der Aktionsradius von rund 300 Kilometern im Winter ausreicht. Gegenüber der ersten Generation wie etwa einem Volkswagen e-Golf oder Nissan Leaf mit 24 kWh Kapazität ist das sensationell und fast eine Verdreifachung, und die macht das Leben leichter.
Ladestrategie nur Mittelmaß
Das lässt sich über die Ladestrategie des Hyundai Kona EV nur teilweise sagen. Vorweg: Je größer die Batteriekapazität, desto unwichtiger ist es, wie schnell der Strom ins Auto kommt. Hier gilt also wieder, dass jeder Neugierige rational überlegen muss, wie er sein Fahrzeug nutzen will. Sollten City-SUVs tatsächlich nur für die Distanz aus dem gepflegten Suburbia in die nächste Großstadt eingesetzt werden, ist das Laden völlig gleichgültig. Dann genügt schon die Basisbatterie mit 39,2 kWh (Style: ab 38.100 Euro). Häufige Urlaubsfahrer kommen eher ins Grübeln.
Mit Wechselstrom (AC für alternating current) kann der Kona EV 4,6 kW ziehen. Weil im Test ausschließlich auf die öffentliche Infrastruktur zurückgegriffen wurde, blieben davon 3,7 kW übrig. Der Grund: Das Kabel (ab Style serienmäßig, bei Trend 389 Euro) lässt nur 20 Ampere zu. Die lokalen Säulen bieten eigentlich 32 Ampere an, regeln in diesem Fall jedoch auf 16 Ampere runter. Geschenkt. Die große Batterie gleicht es aus. Übrigens: Während des Zweiwochentests war keine Säule zugeparkt oder disfunktional, und die Identifikation mit einem Hubject-basierten RFID-Chip von The New Motion arbeitete reibungslos. Einzige negative Ausnahme war ein frech abgestelltes Baustellen-Klo.
Bei der Gleichstromladung (DC für direct current) nach dem CCS-Standard hatten einige Kona EV-Fahrer wie der bekannte Youtuber und Tesla-Besitzer Björn Nyland eine Reduktion der Geschwindigkeit bei Kälte festgestellt. Analog zu den frühen Versionen des Nissan Leaf 2, der von Überhitzung betroffen war (#Rapidgate), prägten sie den Begriff #Coldgate. Dem Autor dieses Beitrags erscheinen diese Skandalisierungen übertrieben.
Nach einer kurzen Kaltstartphase mit 20 kW hangelt sich die Ladeleistung über 40 auf knapp 60 kW. Zu Gunsten der Dauerhaltbarkeit reduziert der Kona EV schon ab einem State of Charge (SOC, Ladestand) von 70 Prozent auf 36 kW und kurz danach auf 25 kW. Der Pressetext spricht von „54 Minuten bis auf 80 Prozent an einer 100 kW-Schnellladestation“. Das könnte im Sommer, wo andere Nutzer von bis zu 75 kW Peakleistung berichten, durchaus möglich sein. Jetzt waren es rund zehn Minuten mehr.
Ärgernis Abrechnungspauschalen
Wer mit einem Elektroauto unterwegs ist, will wie jeder andere zügig von A nach B kommen. Entscheidend ist also nur, wie viel Strom nachgeladen werden muss, um sicher ans Ziel zu gelangen. Für 100 Kilometer Autobahn sollte eine runde halbe Stunde eingeplant werden.
Ärgerlich sind die Pauschaltarife, die von vielen Anbietern an DC-Säulen verlangt werden. Je nachdem, wie viel Geduld man hat und wie viel Strom die Batterie fassen kann, ist ein Preis von zum Beispiel acht Euro niedrig oder unverschämt. Der Versorger EnBW macht vor, in welche Richtung sich der Markt bewegen muss: Ab 1. März wird im Vorgriff auf die erwartbare Eichrechtskonformität nach Kilowattstunden abgerechnet. Der Tarif an Schnell-Ladestationen liegt dann bei 49 Cent pro kWh. Das ist fair und transparent. Aber wie gesagt, mit 64 kWh Batteriekapazität spielt die ewige Ladediskussion eine untergeordnete Rolle.
Das Fazit zum Hyundai Kona EV fällt zwiespältig aus. Er entspricht als kleines SUV exakt dem Stil und Geschmack dieser Auto-Epoche. Weil es den Kona auch mit Benzin- und Dieselmotoren gibt, hat er eine Karosserie im Conversion Design. Die theoretischen Bauraumvorteile eines E-Antriebs kann er darum nicht umsetzen.
Kaufen – oder auf den Ioniq warten?
Die empfehlenswerte Ausstattung ist die mittlere. Ab 42.500 Euro ist die Style-Version erhältlich. Davon können 4.000 Euro Prämie abgezogen werden, es bleiben also 38.500 Euro. Als Optionen sind nur das Glasschiebedach (600 Euro) und die Wunschfarbe (590 Euro) zu haben. Der Rest ist sowieso drin. Die Premium-Ausstattung bietet zusätzlich das gut gemachte Head-up-Display, elektrisch verstellbare, beheizte und belüftete Ledersitze sowie vordere Ultraschallsensoren.
Das ist viel Geld, wenn man den Kona EV mit seinen verbrennungsmotorisch betriebenen Geschwistern vergleicht. Dort werden haufenweise Tageszulassungen im Budgetrahmen bis 20.000 Euro verkauft. Das ist nicht das Gleiche? Stimmt. Dennoch müssen sich Batterie-elektrische Autos, siehe Anfang, diese Rechnung gefallen lassen. Sie bleiben sehr teuer.
Für die Interessenten ist das im Regelfall kein gültiges Argument. Sie vergleichen die Elektroautos untereinander. Also den Kona EV mit einem Kia e-Niro, einem Opel Ampera-e oder einem Nissan Leaf 62. Erlaubt ist, was gefällt, und so wird der Kona EV mit seinem üppigen elektrochemischen Speicher und den exzellenten Assistenzsystemen viele Freunde finden. Es lohnt sich allerdings, bei Hyundai selbst die Alternativen zu betrachten: Den Brennstoffzellen-elektrischen Nexo mit viel mehr Platz und ohne Einschränkung durchs Laden. Oder den Hyundai Ioniq mit der in Kürze erscheinenden 40 kWh-Batterie. Der Ioniq ist subjektiv stimmiger als der Kona EV. Und er ist effizienter.
Erschienen am 14. Februar bei heise Autos.