Autonomer Frühstarter

Rimac statt Musk: Das Robotaxi Verne zeigt sechs Wochen vor Tesla, wie autonomes Fahren aussehen kann. Mit zwei Sitzen, einem Kofferraum, aber ohne Lenkrad oder Pedalerie. Lediglich den Median gibt es, einen Schalter zwischen den Passagieren, mit dem das Stoppen oder Losfahren bestimmt werden kann. Mate Rimac, das Wunderkind in der Szene der Elektroautos, ist Mitgründer des Unternehmens, in dem Marko Pejkovic der CEO und Adriano Mudri der Designer ist. Mudri hatte bereits den Supersportwagen Nevera gestaltet. Ab 2026 sollen viele Vernes in Zagreb unterwegs sein. Vorerst als autonomes Robotaxi für jeden, der in der kroatischen Hauptstadt mobil sein will. Und es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass das Können und die Erfahrung mit dem Verne in ein Produkt für Gewerbe- und Privatkunden überführt werden.

Dass der Verne elektrisch fährt, ist selbstverständlich. Die Formensprache wiederum ist zurückhaltend: Kein Mad Max-Style wie beim Tesla Cybertruck. Eher bieder und mit praktischen Schiebetüren. Das erleichtert den Einstieg zum Beispiel in engen Parklücken oder – wie bei Taxis üblich – am Straßenrand. Der Komfort und die Sicherheit der Menschen steht im Vordergrund. Sie sollen sich wohlfühlen: Ein 43 Zoll großes Display sorgt für Unterhaltung. Über ein rundes Dach namens Halo scheint die Sonne auf Wunsch herein.

Kameras, Radar und Lidar als Gegenentwurf zu Tesla Vision

Elon Musk wird sich das Werk des Teams um Mate Rimac genau ansehen. Klar ist, dass Tesla ein offensiveres Design für das Robotaxi zeigen muss. Im Grundkonzept ist die Ähnlichkeit groß: Zwei Menschen, ein Kofferraum, weder Lenkrad noch Pedale. Franz von Holtzhausen, Designchef bei Tesla, hatte bereits scheinbar zufällig eine experimentelle Sitzkiste gezeigt. Darüber hinaus ist es plausibel, dass Tesla wie von FSD 12.x (Full Self Driving) bekannt eine ausschließlich kamerabasierte Steuerung nutzt.

Im Rimac Verne ist die Sensorik anders aufgebaut: Neben mehreren Kameras kommen Radar und Lidar zum Einsatz. Im Verne ist diese Hardware zwar unauffällig, aber keineswegs unsichtbar integriert. Ein Nebeneffekt beim autonomen Robotaxi: Nicht nur die Rückspiegel fallen weg, sondern auch der Scheibenwischer.

Mobileye mit Intel als Zulieferer

Das System aus Hard- und Software kommt nicht von Rimac selbst, sondern vom bedeutendsten Unternehmen bei Kameraerkennung und Sensorik: Mobileye. Mehr als 170 Millionen Fahrzeuge weltweit sind mit Systemen von Mobileye ausgestattet. Die israelische Firma wurde 2022 von Intel übernommen und ist an etlichen Kooperationen beteiligt.

Wenn der Rimac Verne ab 2026 in Zagreb als Robotaxi fährt, wird es auch die Notwendigkeit zum Laden und zum Reinigen geben. Das passiert in so genannten Motherships, die nichts anderes als Wartungszentren sind.

Verlierer Linienbus

Verne kündigt an, dass auf Zagreb weitere Städte folgen, und zwar zuerst in Deutschland und Großbritannien. Elf Verträge sind unterschrieben. Das passt gut zu einer Nachricht aus Hamburg: Die Freie und Hansestadt möchte 2030 mindestens 10.000 autonome Taxis auf den Straßen haben. Zurzeit experimentiert Volkswagen mit autonomen Varianten des Sammeltaxis MOIA und noch ohne Fahrgäste in Hamburg. Der Rimac Verne wäre eine sinnvolle und luxuriösere Ergänzung. Verlierer dieses Fortschritts wären die unwirtschaftlichen Linienbusse, die bei der Route unflexibel, zur Rush-Hour überfüllt und sonst zu wenig ausgelastet sind.

Der Stadtverkehr ist für autonome Fahrzeuge wie den Rimac Verne das anspruchsvollste Terrain. Im Gegensatz zur Autobahn gibt es in den urbanen Zentren Radfahrer und Menschen vom Kind über den Touristen bis zum Betrunkenen, es gibt Ampeln, viele Fahrspuren und chaotische Alltagssituationen. Wenn das System von Verne hier perfekte Funktionalität beweist, schafft es das überall.

Später für Gewerbe- und Privatkunden

Der Rimac Verne ist ein nüchterner Gegenentwurf zum Robotaxi von Tesla: Kein Bohei, keine Musk-Show, einfach nur eine Fahrkapsel mit konkretem Zeitplan für den Rollout. Die Kernfrage ist, ob Rimac oder ein assoziierter Autokonzern wie Volkswagen (Porsche ist an Rimac beteiligt) den Schritt vom Robotaxi in eigener Hand zum tatsächlichen Verkauf wagt.

Wenn in Zagreb autonome Taxis fahren, lassen sich Fehler leicht identifizieren und unauffällig abstellen. Ganz anders wäre das nach dem Verkauf oder dem Verleasen an gewerbliche oder private Kunden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Versuchsflotte lediglich die Vorbereitung auf einen späteren Einsatz exakt dafür ist. Sollte es gelingen, den normalen Gewerbe- und Privatkunden ein autonomes Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, wäre das nicht weniger als eine Revolution im Straßenverkehr.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: Rimac

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