Hashtag UK1909 Selfridges Edition. Hinter dem kryptischen Kürzel für die erste Kleinauflage des Batterie-elektrischen Morgan EV3 verbirgt sich genau die Mischung aus Tradition und Moderne, die den englischen Autohersteller überleben lässt: UK steht für United Kingdom, also das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland. 1909 ist das Gründungsjahr von Morgan, und die Firma spielt mit diesen Ziffern: Zuerst werden lediglich 19 EV3 in ideeller Kooperation mit neun (also 09) Modepartnern des Kaufhauses Selfridges gebaut, unter denen die Firma Belstaff der Bekannteste ist. Im vierten Quartal läuft die Serienproduktion an.
Dann kann jeder, und das ist der eigentliche Sprung in Gegenwart und Zukunft, einen 3Wheeler kaufen, der statt eines bollernden und vibrierenden V2-Motors eine E-Maschine hat. Und ja, klar dürfen die das, denn schließlich hat Morgan mal vorm 1. Weltkrieg mit Dreirädern angefangen und damit das ewige Copyright. 2012 folgte die Wiedergeburt, und seitdem heißt es wieder: Vorne zwei, hinten eins. Dabei bleibt es auch in der elektrischen Variante.
Die Leistung des Elektromotors beträgt 46 kW (63 PS). Weniger als im 3Wheeler mit 60 kW (82 PS), aber das ist völlig egal. Wer sich jemals in die Zigarre gezwängt hat weiß, dass beides zu viel ist. Die Werte des Autoquartetts wie die Beschleunigung auf 100 km/h in „weniger als neun Sekunden“ sind der Empfindung nach spektakulär, weil der Komfort minimal ist. Alles erfordert Kraft. Das Lenken und das Bremsen ohne zusätzliche Unterstützung. Der Druck des Windes, der durch die Scheibe leicht gemildert und stark verwirbelt wird. Und auch der Verzicht auf die Heizung – wer bitte braucht so einen Unsinn, wenn er eine Belstaff-Jacke trägt? – weist den Morgan als besonders ursprüngliches Fahrzeug aus.
Weniger als 500 Kilogramm
Den Strom bekommt der nach Angaben des Herstellers flüssigkeitsgekühlte E-Motor aus einer Batterie mit einer Kapazität von 20 Kilowattstunden. Das soll für 150 Meilen oder gut 240 Kilometer reichen, was optimistisch erscheint. Angesichts des eher niedrigen Geschwindigkeitsniveaus (nur gefühlt ist man schnell), mit dem man im Morgan unterwegs ist und des Gewichts von „weniger als 500 kg“ dürfte der EV3 allerdings tatsächlich sehr sparsam sein.
Die geringe Masse zieht den Blick aufs Detail: Der Morgan EV3 ist das erste Fahrzeug der Firma, das auf einen noch breiteren Materialmix als bisher blickt, und er ist leichter als der 3Wheeler mit Verbrennungsmotor (circa 525 kg). Den Kern bildet immer noch ein Eschenholzrahmen. Die vordere Haube und diverse Anbauteile sind nun aus „carbon panels“, womit Karbonfaser-verstärkter Kunststoff gemeint sein dürfte. Dazu Aluminiumpedale und Metall und natürlich Leder. Ein spannendes Konzept.
Weil der frei vorm Kühler stehende V2-Motor als Designelement fehlt, ändert sich der optische Gesamteindruck. Der Blick von vorne fällt stattdessen auf die Kühlrippen der Batterie sowie in der #UK1909 Selfridges Edition auf vier Scheinwerfer. Zwei, die eng beieinander in der Karosseriefront sitzen (die Studie vom Genfer Autosalon hatte hier nur einen) und zwei weitere an der Radaufhängung. Die schmalen Pneus sind beim EV3 #UK1909 auf Vollscheibenfelgen aufgezogen, was dem Besitzer das Putzen der Speichen erspart, das ohnehin nie wirklich Freude bereitet hat.
Kein Schalt- und Umlenkgetriebe, kein schwerer Zweizylinder
Auch der Innenraum verändert sich gegenüber dem 3Wheeler. Eine Schaltung ist überflüssig, womit das Geheule des Umlenkgetriebes („gravel box“) entfällt. Wir werden es nicht vermissen. Und dort, wo der „bomb release“ genannte Startknopf saß, kommt nun ein Drehhebel zum Einsatz. Linke Position R, mittlere N, rechte D.
Diese Reduktion passt gut zum Gesamteindruck des elektrischen Engländers. Nur Morgan kann eine so konsequente Durchmischung glaubwürdig herstellen. Die Kritik der Traditionalisten darf indes als sicher gelten. Sie werden sich am fehlenden Schlag des V2-Motors stören und das Geräusch der neuen Zeit mit seinen hochfrequenten Tönen furchtbar finden.
Für sie ist der EV3 ein Frevel und sonst nichts. Es wird aber andere geben, die bereit und in der Lage sind, ab 52.500 Pfund Sterling (etwa 62.500 Euro) auszugeben. Nach dem Abverkauf der Kleinstauflage des #UK1909 soll der Preis sich auf dem Niveau des normalen 3Wheelers einpendeln, der bei etwa 45.000 Euro beginnt. Und vielleicht fällt das Pfund noch ein wenig, und der EV3 wird erschwinglicher.
Erschienen am 1. August bei heise Autos.