Lexus-Yacht

Mini Cooper, Smart Fortwo und Range Rover stehen am Straßenrand hintereinander. In den begehrten Stadtteilen Hamburgs macht man sich mit einem Auto entweder besonders klein. Quasi als Parklückenfinder. Oder man fährt ein SUV: Wir stiegen in den Lexus RX450h F-Sport ein um zu prüfen, wo sich der Hybridwagen von der Diesel-Armada der Konkurrenz abgrenzt.

Die Erfinder des Sport-Utility-Booms sind die US-Amerikaner. Und sie lieben die Premiummarke aus dem Toyota-Konzern mindestens so sehr wie BMW, Mercedes und Porsche. Bei uns in Deutschland entfielen zuletzt 28 Prozent der Lexus-Verkäufe auf den RX; er ist damit nach dem NX – ebenfalls ein SUV – das zweitwichtigste Modell des Herstellers, dessen Produkte auch hier höchsten Respekt genießen. Im Straßenbild sind die Autos dennoch selten: 2015 wurden 177 Exemplare des RX als Hybrid verkauft; einen Dieselmotor gibt es nicht. Theoretisch können Kunden die Basisversion 200t (optionaler Frontantrieb, ab 49.900 Euro) mit Vierzylinder-Turbomotor wählen. Praktisch greifen 95 Prozent zur Hybridvariante RX450h, die ab 58.900 Euro minus der Firmen-eigenen Prämie von 3.000 Euro zu haben ist. Und tatsächlich wird der Antriebsstrang dem Luxusanspruch gerecht, den der Name Lexus suggeriert.

Es macht eben doch einen Unterschied, ob aus dem Motorabteil das Geräusch eines Selbstzünders dringt oder einfach gar nichts. Bis rund 60 km/h kann der Lexus RX450h ohne Verbrennungsmotor beschleunigen. Dann treiben ihn ausschließlich die E-Maschinen an: Hinten arbeitet eine mit 50 kW (69 PS) und 135 Nm Drehmoment, vorne eine zweite mit 123 kW (167 PS) und 335 Nm. Wie bei den anderen Hybridautos im Toyota-Konzern begrenzt die Maximaldrehzahl des Letzteren (interner Sprachgebrauch: MG2) die Höchstgeschwindigkeit; im RX450h sind 200 km/h drin, die wir nicht ausprobiert haben. Ein dritter Elektromotor (MG1) funktioniert als Anlasser, als Generator für die Rekuperation sowie um überschüssige Leistung des Verbrennungsmotors zu puffern. Elektrochemischer Speicher ist eine Nickel-Metallhydrid-Batterie, wie sie bei mehr als 8,5 Millionen Hybrid-Fahrzeugen des japanischen Konzerns zum Einsatz kommt.

Sobald die elektrische Energie, die im Schiebebetrieb und beim Bremsen eingesammelt wird, erschöpft ist oder die Leistungsanforderung größer ist als der Akku es hergibt, springt der V6-Benzinmotor ohne jeden Ruck an. Er läuft leise und mit dem für diese Bauart typischen Sound. Erst bei Vollgas, wenn das Planetengetriebe (Lexus: e-CVT) die Drehzahl in die Höhe schnellen lässt, wäre ein Reihensechszylinder noch laufruhiger. Der eigentliche Kontrast ist aber der zu den V6-Dieseln der Wettbewerber, denn die sind schlicht unkultivierter.

Statt ewig den Nachteil des e-CVT, nämlich das Hochdrehen bei Volllast, zu betonen, soll an dieser Stelle auch der Vorteil genannt werden: Das Durchdrücken des Gaspedals ist die Ausnahme. Der Regalfall ist Teillast. Auf der Autobahn zum Beispiel, wenn der Tempomat mit automatischer Abstandsregelung auf 160 km/h gestellt ist. Dann legt das e-CVT gewissermaßen die ganz große Welle auf – und der Benzinmotor macht nur rund 2.500 Kurbelwellenumdrehungen pro Minute.

Der Lexus fährt nicht an, er legt ab

In der Addition aller Motoren kommt der Lexus RX450h auf 230 kW (313 PS) Systemleistung. Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Damit wird das Hybrid-SUV nicht zum agilen Sportwagen, was bereits an der Werksangabe zum Sprint auf 100 km/h von 7,7 Sekunden erahnt werden kann. Der Lexus ist ein schneller Gleiter, der in der weißen Lackierung des Testwagens Assoziationen an eine Yacht weckt. Der RX450h fährt nicht an, er legt ab.

Ursache der klassenüblichen Behäbigkeit ist das hohe Gewicht von mehr als 2,1 Tonnen. Oh ja, es ist möglich, den Lexus um die Ecken zu prügeln, aber das macht man nicht, weil es sich irgendwie nicht gehört, und Freude bereitet es auch nicht. Man sitzt hoch im RX450h, ungefähr auf dem Level eines Mitsubishi Pajero oder Range Rover. Auf BMW X3 und Audi Q5 blickt man herab. Dieses Merkmal und die Souveränität des Fahrens sind das Erfolgsrezept, nicht die Maximaldynamik.

Zurück zum Antrieb. Der V6-Benzinmotor hat keinen Turbolader. Er verfügt über das D-4S genannte System, das die Einspritzung sowohl ins Saugrohr als auch direkt in den Zylinder zulässt. Wer jetzt vermutet, dass der Hybridantrieb wegen der Teilzeitdirekteinspritzung Partikel produziert und darum ein Stück seines Umweltvorteils verspielt, hat mutmaßlich Recht. Die Pressestelle weist darauf hin, dass alle Motoren immer den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und mit der kommenden Euro 6c-Norm angepasst werden. So sauber wie ein Prius, der jüngst beim VCD unter der strengen Führung von Dr. Axel Friedrich geprüft und für gut befunden , kann der Lexus nicht sein – er ist einfach zu viel Auto.

8,8 Liter Benzin im Durchschnitt

Im Testmittel verbrauchte der Lexus RX450h 8,8 Liter Superbenzin (NEFZ: 5,2-5,3 Liter). Der Minimalwert lag auf einer Landstraßentour bei 5,5 Litern; im Bundesstraßenbetrieb stieg der Konsum auf 6,2 Liter, und bei der Stichprobe auf der Autobahn mit 130-160 km/h (Wohlfühlgeschwindigkeit) nahm der Lexus 9,3 Liter aus dem 65 Liter fassenden Tank. Im Stadtverkehr sind – je nach Länge der gefahrenen Strecke – Werte unter acht Litern problemlos möglich. Hier spielt der Hybridantrieb seine Stärke aus, und wäre der Lexus etwas kleiner, würde man sogar von seiner Domäne sprechen: Geräuscharm gleiten, durch die Siedlung schleichen, locker und luxuriös cruisen. Das Zusammenspiel der Motoren funktioniert perfekt.

Weil 4,89 Meter Länge und 1,89 Meter Breite ohne Außenspiegel ziemlich viel sind, raten wir zur 360 Grad-Kamera (im Assistenz-Plus-Paket, nur für F-Sport und Luxury Line). Sie zeigt das Umfeld präziser an, als es die Ultraschallsensoren können. Beide Helfer sind wichtig, denn die Karosserie ist unübersichtlich, und – das findet man bei Touareg und Co. leider genauso – das Raumangebot innen kleiner, als es die Außenabmessungen erwarten lassen.

Seit 2005 hat Lexus über 10.000 RX mit Hybridantrieb in Deutschland verkauft, und weltweit sind es weit über 300.000. SUVs dieser Größenordnung bleiben zumindest zwischen Flensburg und Füssen in absoluten Zahlen selten; ihre Bedeutung schrumpft vor dem Hintergrund der hohen Nachfrage nach kleinen SUVs (gerne ohne Allradantrieb) fast in Richtung „vernachlässigbar“. Das ändert dennoch nichts an den Qualitäten des Lexus RX450h. Er ist gelassen und macht gelassen, und wie bei einer Yacht ist es am schönsten, wenn man segelt.

Erschienen am 29. August bei heise Autos.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

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