Das Photovoltaik-Dach macht den Toyota Prius Plug-In zum gefühlten Perpetuum Mobile. Strom für bis zu fünf Kilometer täglich könne die Sonne liefern, so heißt es. Bei der ersten Ausfahrt in Frechen ließ sich das aus Zeitmangel nicht überprüfen. Die bereitgestellten Exemplare hatten keine Gelegenheit, einfach in der Sonne herumzustehen – zu viele Journalisten waren neugierig, wollten einsteigen und loslegen. Ein erstaunliches Interesse bei einem Auto, für das Toyota 2017 nur 500 Verkäufe in Deutschland erwartet. So waren wir also zu dritt, zwei Kollegen und ich: Nach 42,4 Kilometern Batterie-elektrischer Tour sprang der Verbrennungsmotor zum ersten Mal an. Ein im Vergleich zu den meisten anderen Plug-In-Hybriden sehr guter Wert. Mit einem Basispreis von 37.550 Euro (minus 3.000 Euro staatlicher E-Prämie gleich 34.550 Euro) ist der Toyota außerdem ein preisgünstiges Angebot dieser Gattung. Nur der Volkswagen Golf GTE ist mit 36.900 Euro billiger.
Die Unterschiede zum Vorgänger sind sofort spürbar. Der hatte 37 kW elektrische Leistung, und ich wusste nie, bei welchem Gaspedaldruck der Verbrennungsmotor anspringt. Jetzt stellen die zwei (dazu später mehr) E-Motoren 68 kW zur Verfügung. Ich kann durchtreten und bewege den Toyota trotzdem ohne Benzin. Erst, wenn ich mit etwas Kraft den Kickdownpunkt überschreite, was zum Beispiel in einer Notsituation wichtig sein kann, schickt auch der bekannte Vierzylindermotor seine Kraft übers Planetengetriebe zu den Rädern. Das wiederum war auf den Strecken im Rheinischen Braunkohlerevier unnötig. Die 68 kW reichen nicht nur aus, sie wirken sogar lebendig, und erst bei 135 km/h (alte Generation: 85 km/h) ist Schluss.
Toyota: 50 Kilometer Reichweite
Zu den Eckdaten: Die Lithium-Ionen-Batterie hat eine Kapazität von 8,8 Kilowattstunden. Die Normreichweite nach NEFZ beträgt 63 km, Toyota spricht – vielleicht wegen des kommenden WLTP – von 50 km. An der Steckdose liegt die Ladezeit bei 3,5 Stunden, an der Wallbox sind es zwei Stunden. Das Photovoltaik-Dach liefert die elektrische Energie bis zu einem Ladestand (SOC) von 80 Prozent. Nicht direkt, sondern über eine zwischengeschaltete kleine Nickel-Metallhydrid-Batterie (da ist sie wieder!) als Puffer und zur Überwindung der unterschiedlichen Spannungsebenen.
Der Toyota Prius Plug-In heizt den Innenraum dank serienmäßiger Wärmepumpe bei bis zu minus zehn Grad ohne den Einsatz des Verbrennungsmotors auf. Eine Vorklimatisierung ist sowohl mit als ohne Stecker am Netz möglich. Und auch die Batterie selbst wird geheizt – der rein elektrische Vortrieb endet erst bei unter minus 20 Grad.
Alles kein Thema bei den erstklassigen Bedingungen am Testtag. Die Straßen waren trocken, die Route führte nicht über Autobahnen, wir gleiten dahin, und das macht seit dem Erscheinen der vierten Generation des Prius sogar Spaß. Die Lenkung gibt eine sehr gute Rückmeldung, die Geräuschdämmung ist besser als früher, und der Federungskomfort stimmt ebenfalls. Beim Plug-In ist allerdings das höhere Gewicht (1.605 kg nach EU-Norm, also inklusive 75 kg für den Standard-Fahrer) in engen Kurven bemerkbar. Und das Abrollen gelingt dem Plug-In nicht so geschmeidig wie der Normalvariante des Prius, obwohl die Reifendimension 195/65 R15 anderes erwarten lässt.
Wechsel der Betriebsmodi über „HV-EV“-Knopf
Nach der ersten Runde schnappe ich mir ein anderes Testauto, fahre alleine los und probiere den HV-EV-Knopf in der Mittelkonsole aus. Durch einfachen Druck wechselt der Antrieb in den Hybridmodus, dann gleicht der Plug-In (US-Markt: „Prius Prime“) dem normalen Prius. So lässt sich der Batterieladestand halten, was mit Blick auf zukünftig denkbare Fahrverbote für Verbrennungsmotoren interessant ist. Zurück im EV-Modus fällt mir wieder die subjektive Munterkeit auf: Im Unterschied zum Prius ohne Ladestecker treibt neben dem großen E-Motor („MG2“) zusätzlich der kleine („MG1“) das Auto voran. Damit das funktioniert, hat Toyota ein Schwungrad mit Freilauf konstruiert. Ein kleiner Trick mit Wirkung.
Bei längerem Druck auf den HV-EV-Button geht der Prius Plug-In in den „Charge“-Modus. Der Verbrennungsmotor produziert also Strom, um die Batterie zu laden. Das ist natürlich energetischer Unsinn, aber in den meisten Plug-In-Hybriden als Option eingebaut.
Im HV-Modus ergab die Verbrauchs-Stichprobe 3,6 Liter auf 100 km. Nein, hier ist kein elektrischer Anteil eingerechnet. Jeder Fahrer sollte mit einem Toyota Prius in der Lage sein, abseits der Autobahn, bei trockener Straße und 17 Grad eine drei vorm Komma zu erzielen, das gelingt mühelos.
Hoher Privatkundenanteil, steigende Absatzzahlen
Es ist bekannt, dass ich kein Freund von Plug-In-Hybriden an sich bin. Zu oft habe ich erlebt, dass die Hoffnung auf „das Beste aus zwei Welten“ sich ins Gegenteil verkehrt hat. Und mit Einschränkungen trifft das auch auf den Toyota zu: Der Kofferraum schrumpft erheblich (VDA-Norm: 360 Liter), weil die Bodenplatte 16 Zentimeter höher liegt. Die Zuladung leidet unter dem hohen Gewicht und reduziert sich auf 325 kg. Die Höchstgeschwindigkeit sinkt von 180 auf 161 km/h. Der Preis dagegen steigt drastisch: Der Einstiegskurs des Prius ohne Ladestecker liegt bei 25.150 Euro. Die Topversion Executive (Lederausstattung, JBL-Soundsystem etc.) kostet 29.150 Euro. Zum Vergleich die Executive-Linie beim Plug-In: Ab 40.650 Euro minus E-Prämie, also 37.650 Euro.
Immerhin gibt es dafür einige exklusive Features. So ist die Heckklappe aus CFK gefertigt, und deren geschwungenes Profil setzt sich bis in die hintere Dachlinie fort. Der größte unter den Kollegen (1,94 Meter) stieß mit seinem Kopf noch nicht oben an. Dazu kommen ein größeres Infotainment-Display (acht Zoll) sowie die Matrix-LED-Scheinwerfer, die an den Mirai erinnern.
Die deutlichste Abgrenzung zu anderen Plug-In-Hybriden ist der niedrige Verbrauch bei entleerter Batterie. Hier versagen etliche Marktbegleiter, was durch die bekannte NEFZ-Formel vertuscht wird. Der guten Ordnung halber: Nach EU-Norm kommt der Toyota auf 1,0 Liter oder 22 Gramm CO2 pro Kilometer. Ein Auszug der Werte mit entleerter Batterie aus meiner Testwagenliste: Volkswagen Passat GTE 7,2 Liter, BMW 225 xe 8,2 Liter und so weiter, es ist viel Luft nach oben. Und schade, dass Opel den neuen Chevy Volt nicht als Ampera II nach Europa gebracht hat, der wäre ein würdiger Konkurrent des Prius Plug-In.
Vom ersten Prius Plug-In hat Toyota weltweit 77.912 Exemplare verkauft, davon 1.044 nach Deutschland. Die ersten Reaktionen der Händler auf den Neuen sind dem Vernehmen nach überraschend positiv. Vielleicht ist jetzt die Übergangszeit gekommen, in der viele Kunden und besonders die privaten Käufer (Prognose des Vertriebs: 60 Prozent Anteil) Lust haben, das elektrische Fahren auszuprobieren. Auf die Solarversion werden nach Einschätzung von Toyota aber nur 15 Prozent entfallen. Der Aufpreis von 2.050 Euro ist hoch, und zugleich ist die Ausstattung um Details wie das Head-Up-Display gemindert. Ein Verzicht dürfte für viele Kunden kein Problem sein – sie haben bereits auf dem Hausdach eine Photovoltaik-Anlage.
Erschienen am 29. März bei heise Autos.