Gemeinschafts-I.D.

Der Volkswagen I.D. könnte der härteste Konkurrent des Golfs werden. Nicht nur, weil er elektrisch fährt, während alle Golf VIII einen Verbrennungsmotor haben werden. Der I.D. wird Spaß machen, denn er hat – back to the roots! – Heckmotor und Heckantrieb. 125 kW (in alter Währung 170 PS) treiben den I.D. durch Kurven und über die Autobahn. Das Raumkonzept ist ebenfalls attraktiv: Mit 4,10 Meter Länge ist er außen gut 15 Zentimeter kürzer als ein aktueller Golf, hat aber 13 Zentimeter mehr Radstand. Das verspricht Platz. Überhaupt ist der I.D. ein Versprechen des weltgrößten Autokonzerns: Wir bauen ein Elektroauto für die Masse. Wir zeigen, was wir im Fahrzeugbau können. Und wir produzieren ihn vorwiegend in Deutschland. Quasi als Volkswagens Gemeinschafts-I.D.

ELECTRIVE.net zeigt, an welchem Standort was passiert.

Im Stammwerk Wolfsburg arbeiten rund 62.300 Menschen. Sie montieren den Golf und den e-Golf, den Tiguan und den Touran. Wolfsburg ist das Gehirn von Volkswagen: Hier sitzen Forschung und Entwicklung. Der I.D. wurde hier erdacht und konzipiert. Und wahrscheinlich hat er auf dem streng gesicherten Testgelände in Ehra-Lessien bei Wolfsburg längst tausende von Kilometern hinter sich gebracht.

Die wichtigste Fertigungslinie aber entsteht in Zwickau. Zur Volkswagen Sachsen GmbH gehören auch die Gläserne Manufaktur in Dresden sowie das Motorenwerk in Chemnitz. Etwa 9.850 Menschen arbeiten an diesen Standorten für Volkswagen. Obwohl die Auslieferung des I.D. erst Anfang 2020 beginnt, darf als sicher gelten, dass die Produktionslinie geplant ist. Funktioniert der Materialfluss? Wie schnell kann die Stückzahl nach Vor- und Nullserie hochgefahren werden? Wie gut nehmen die Kunden den I.D. an? Es wird spannend für Sachsen: Jürgen Stackmann, Mitglied des Markenvorstands, verriet jüngst, dass neben Zwickau die Gläserne Manufaktur in Dresden für die Montage geeignet ist.

Im Getriebe- und Komponentenwerk Kassel (ca. 16.500 Mitarbeiter) hat unterdessen der Strukturwandel begonnen. Ganz offiziell startet im September die Fertigung des Modularen Elektrifizierungsbaukastens MEB. Kassel entwickelt sich zunehmend zum Kompetenzzentrum für den elektrischen Antrieb: Für den Motor selbst und die Untersetzung. Das ist kein Ersatz für die vielen Doppelkupplungsgetriebe. Aber der Umbruch erfolgt nicht binär von 1 auf 0, sondern sukzessive und fließend.

Ähnliches gilt für das Komponentenwerk in der Löwenstadt Braunschweig. Braunschweig wird mit dem Batteriesystem ein Kernelement für den I.D. fertigen. In Halle 23 an der Porschestraße bauen einige hundert der insgesamt 7.000 Menschen am Standort die elektrochemischen Speicher für e-Up, e-Golf, Golf GTE und Passat GTE.

Für den I.D. wird es mehrere Akkugrößen geben. Noch ist nicht öffentlich, ob zum Beispiel die Basisversion bereits flüssigkeitsgekühlt sein wird oder nicht. Klar ist, dass den Batteriesystemen, also dem Packaging von Zellen, Leistungselektronik, Klimatisierung, Managementsoftware und schützender Hülle, eine weiterhin große Bedeutung zukommt. Es zeigt sich außerdem exemplarisch an diesem Bauteil, dass ein Batterie-elektrisches Auto nicht ansatzweise so simpel aufgebaut ist, wie es vielfach vermutet wird. Das Elektroauto ist komplex – und die Prozesse perfekt zu kontrollieren, könnte eine Stärke der deutschen Traditionsstandorte bleiben.

In Braunschweig, neben Wolfsburg eins der 1938 gegründeten Ur-Werke, werden unter anderem Achsteile und Lenkungen gebaut – und das wohl auch für den I.D. Es ist eine plausible Spekulation, dass der Stahl für die Karosserie aus dem nahe gelegenen Hüttenwerk der Salzgitter AG kommt. In Salzgitter steht heute das bekannteste TDI- und TSI-Motorenwerk. Volkswagen analysiert hier in einem speziellen Zentrum („Center of Excellene“) die Zukunft in Form von Batteriezellen. Eine Pilotanlage, in der Zellen mit alternativer chemischer Zusammensetzung in kleinen Stückzahlen gebaut werden können, befindet sich im Aufbau.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt die räumliche Nähe der Standorte. Zwickau, Braunschweig, Kassel, alle Städte sind per Lkw und Bahn gut angebunden. Ebenfalls sehr gut erreichbar wäre eine weitere, potenziell wichtige Stadt: Erfurt.

Volkswagen kauft Batteriezellen von Samsung SDI, LG Chem und Panasonic ein. Jetzt hat der chinesische Konzern Contemporary Amperex Technology (CATL) bekannt gegeben, bei Erfurt ein sehr großes Zellwerk zu errichten: Die Jahreskapazität beträgt bis zu 14 Gigawattstunden (GWh). Im Tesla-Sprech wird das also eine Multi-Gigafactory.

Ob Batteriezellen von diesem Standort im I.D. verbaut werden, ist angeblich noch nicht final entschieden. Möglich ist, dass die unterschiedlichen Akkugrößen im I.D. mit Zellen verschiedener Zulieferer bestückt werden. Es ist viel Bewegung im Batteriegeschäft.

Der Golf ist das meistverkaufte Auto in Europa. Die Karosserieform, die im Englischen Hatckback heißt, funktioniert bei den Millionen Kunden zwischen Norwegen und Spanien am besten. Eine große Heckklappe ist einfach praktisch, und die Verkehrsfläche ist in vielen europäischen Regionen begrenzt.

Wie groß der Erfolg des I.D. werden wird, hängt entscheidend vom Preis ab. Dass das Produkt an sich sehr gut wird, darf von Volkswagen erwartet werden. Gelingt es dem Konzern, die Kosten ausreichend zu reduzieren, entsteht mit dem I.D. nicht nur ein Golf-Schläger, sondern ein Fahrzeug, dass eine neue Ära einleiten könnte.

Erschienen am 24. Juli bei ELECTRIVE.net.

Bildquelle: Volkswagen

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