Länge läuft (elektrisch)

Über Berlin scheint die Sonne. Bei neun Grad plus fließt der Strom aus der Ladesäule Veteranenstraße 25 in die Batterie des Volkswagen Passat Variant GTE. Das dauert hier gut zwei Stunden. Nach dem Start in Richtung Westen, einmal durch die ganze Stadt und bis zur Autobahn A2, fährt der GTE ohne Verbrennungsmotor. Das macht er automatisch, sobald Energie im Speicher ist. Erst hinterm Dreieck Nuthetal springt der Vierzylinder-TSI an. Nach 41,8 Kilometern. Immerhin, genug um in Deutschlands größter Stadt keine direkten Abgase zu erzeugen. Aber kann das Konzept des Plug-In-Hybrids aufgehen in einem Auto, das eigentlich für die lange Reise gemacht ist? So viel vorweg: Auch der Passat GTE bringt alle Vor- und Nachteile dieser Antriebsmischwesen mit sich. Dennoch wirkt er in sich stimmiger und harmonischer als zum Beispiel der Golf GTE.

Die kühlen Rechner brauchen an dieser Stelle nicht mehr weiterlesen. Mit einem Grundpreis von 45.250 Euro (Testwagenlistenpreis: 60.346 Euro) ist eine monetäre Amortisation gegenüber einem TDI beim aktuellen Dieselkurs nicht darstellbar. Denn die Realität hinterm Normverbrauch von 1,6 Litern ist ernüchternd: Der Benzinverbrauch lag – alle Werte in diesem Bericht sind jeweils auf 100 Kilometer hochgerechnet – bei durchschnittlich 7,2 Litern Super, und der Stromkonsum betrug inklusive Ladeverlusten im Mittel 26,5 Kilowattstunden (kWh). Das ist weniger als bei einem im Spätsommer gefahrenen Mercedes C350e, den der VW auch in der elektrischen Reichweite spürbar übertrifft, aber trotzdem schwach in Relation zu Autos, die entweder auf den Ladestecker verzichten (Toyota Prius Plus bei www.spritmonitor.de: 5,6 Liter) oder ausschließlich Batterie-elektrisch unterwegs sind.

Die eingangs genannten 41,8 Kilometer waren im Test der beste Wert. Dieser wurde auf Winterreifen und grundsätzlich mit eingeschalteter Klimaautomatik (21 Grad) sowie ohne Verzicht auf andere Verbraucher gefahren. Die niedrigste elektrische Reichweite von 30,6 Kilometern war das Ergebnis einer bewussten Provokation: Der Passat GTE wurde nachts und bei null Grad auf der Straße geparkt; die Aufheizphase forderte also ihren Tribut.

Exzellenter Gesamtkomfort

Anders als beim Golf GTE fiel das 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe im elektrischen Betrieb nicht durch unangenehme Schaltrucke auf. Auch im Hybridbetrieb, also beim häufigen Ein- und Ausschalten des TSI-Motors, waren die Übergänge sanft; hier hat Volkswagen – anders als beim Verbrauch – inzwischen mit den Toyota-Hybriden gleichgezogen, wobei die Geräuschdämmung des VWs den Japanern und auch dem kleinen Bruder Golf GTE überlegen ist.

Der exzellente Gesamtkomfort macht den Passat GTE zu einem gelassenen Gleiter. Er giert geradezu nach der langen Strecke, nach dem Kilometerfressen auf der Autobahn. Mag ihm der aggressive Vorwärtsdrang des Mercedes C350e (205 kW / 279 PS Systemleistung) fehlen – seine 160 kW / 218 PS sind jederzeit mehr als ausreichend. In 7,4 Sekunden (Werksangabe) sprintet der GTE auf 100 km/h. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 225 km/h.

Schauen wir nochmal genauer auf den elektrischen Betrieb. Volkswagen hat dem Testwagen zwei Ladekabel beigelegt. Eins für Wallboxes und Ladesäulen (Typ 2) und eins für die Haushaltssteckdose. Neben dem VW-Logo im Kühlergrill ist die Buchse. Kabel rein, Kabel raus, alles ganz einfach? Ja, aber es nervt. Über vier Stunden Wartezeit (an der Haushaltssteckdose bei einer gemessenen Ladeleistung von circa 2,2 Kw) für 30 bis 40 elektrische Kilometer, da ist es keine gewagte Spekulation, dass einige Fahrer komplett verzichten und den GTE im reinen Benzinbetrieb nutzen werden. Abhilfe könnte hier eine automatisierte induktive Aufladung schaffen. Alle Autohersteller arbeiten daran. Keiner hat bisher ein Serienprodukt vorgestellt.

Auf den ersten Blick irritierend war die Differenz zwischen der Werksangabe für die Batteriekapazität von 9,9 Kilowattstunden und dem tatsächlich geladenen Strom von 8,68 bis 8,94 kWh (inkl. Ladeverluste). Der Unterschied geht mutmaßlich auf den Teil der Batterie zurück, der als Puffer für den Hybridbetrieb ausgelegt ist und darum den Ladehub begrenzt; hier wird es also immer kleine Unterschiede geben.

Parallelhybrid bisher als Randphänomen

Der Passat GTE ist als Parallelhybrid konstruiert. Vereinfacht gesagt ist zwischen dem 1,4 Liter-Verbrennungsmotor (115 kW / 156 PS) und dem 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe eine E-Maschine (85 kW / 115 PS) eingebaut. Durch eine zusätzliche Kupplung kann der TSI komplett abgekoppelt werden, was auch bei hohen Autobahntempi passiert. Neustart? Der geschieht ruckfrei und akustisch kaum merklich, aber der Drehzahlmesser hilft. Der Parallelhybrid funktioniert erfreulich gut und wird ohne aufladbare Batterie – also als reine Bremsenergieverwertungsmaschine – nur im Jetta Hybrid angeboten, der wiederum in homöopathischen Dosen verkauft wird. Vielleicht bringt Hyundai mit dem Ioniq, der im Grundsatz genauso aufgebaut ist, frischen Wind in den Markt.

Ebenfalls gute Laune machte die Charge & Fuel Card von Volkswagen Financial Services, die dem Testwagen beigelegt war. Wobei das Spannende natürlich nicht die Fähigkeit zum Tanken von Superbenzin, sondern die von Strom an den Ladesäulen verschiedenster Anbieter war. Die Karte versammelt viele Verbundnetze von Ladenetz.de über Stromnetz Hamburg bis RWE, wobei – Elektroautoprofis wissen das – bei RWE mangels RFID-Identifikationsmöglichkeit die Charge & Fuel App notwendig war. Entscheidend ist: Es funktioniert. Auf dem langen Weg, es endlich so gut wie Tesla zu machen, ist man also einen Schritt weiter.

Überhaupt, Tesla Motors: Elon Musk hat Plug-In-Hybride mehrfach verflucht, und zu jedem Bericht über ein Auto mit diesem Konzept gehört die Frage, ob und welchen Sinn das ergibt. Die Antwort ist vielschichtig.

Zum einen macht der Passat GTE vieles besser als der Golf GTE, er wirkt in schnellen Kurven nicht so hecklastig, und die Batterie schränkt den Kofferraum lediglich unterhalb der Laderaumabdeckung ein wenig ein – so ein Passat Variant ist wirklich groß. Dazu kommt die sehr gute Geräuschdämmung, die den Unterschied zwischen vollelektrischem und verbrennungsmotorischen Betrieb verwischt. Zum anderen kommt trotzdem der Gedanke auf, wie sich ein Passat wohl fahren würde, der überhaupt keinen TSI mehr an Bord hätte.

Oder doch lieber mit Brennstoffzelle?

Wahrscheinlich nicht weit genug. Denn ein Passat wird häufig als Langstreckenauto genutzt. Und bei allem, was man Lobenswertes über Teslas Model S sagen kann, darf man nicht vergessen, dass ein Batterie-elektrisches Auto von der Flexibilität eines TDI oder TSI weit entfernt ist. Selbst die 90 oder bald 100 kWh Kapazität des kalifornischen Luxusautos werden einen echten Dienstwagenfahrer nicht zum Umstieg bewegen.

Nähert man sich also der Frage an, wie man einen Passat Variant elektrifiziert, landet man vorerst beim Plug-In-Hybrid. Mittelfristig wird also entweder die Batteriekapazität deutlich anwachsen, oder die Brennstoffzelle zieht in den Passat ein – oder es bleibt noch lange, lange beim Verbrennungsmotor.

E-Kennzeichen leider vergessen

Genug Gerede über den Antriebsstrang. Zum Abschluss noch ein paar Anmerkungen über den Passat Variant als Auto. Der Testwagen war – anders als ein früher gefahrener TDI – bei Haptik und Verarbeitung bis ins Detail qualitativ hochwertig. Leider hat Volkswagen vergessen, den Wagen mit einem E-Kennzeichen zuzulassen. Das ist in Hamburg die Voraussetzung für freies Parken bis zur erlaubten Höchstzeit.

Außerdem fiel der Spurhalteassistent negativ auf: Anders als die perfekte Abstandsregelung des Tempomaten kam es hier immer wieder zu Fehlfunktionen. So mahnte die Handsoff-Detection häufig, das Lenkrad in die Hand zu nehmen, obwohl das der Fall war. Und die Spurführung selbst ließ ebenfalls zu wünschen übrig. Zu oft wurden die Fahrbahnmarkierungen nicht oder falsch erkannt, und generell war die Lenkunterstützung durch den Assistenten zu nervös. Dass es besser geht, zeigt der schon mehrfach erwähnte Mercedes C350e. Kleinigkeiten? Ja.

Es ist banal, dem Passat GTE vor dem Hintergrund der modelleigenen Konkurrenz durch den Dieselmotor ein Randdasein zu prophezeien. Entscheidend ist das Potenzial. Volkswagen kann hier die Hybridisierung für den Massenmarkt vorbereiten. Weil Hyundai und Toyota und die Abgaslimits der EU Druck machen.

Erschienen am 17. März bei heise Autos.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

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