Kein Perpetuum mobile

Der Sono Sion erzeugt die Illusion eines Perpetuum mobiles: Das Batterie-elektrische Auto kann nicht nur mit Strom aus dem Netz geladen werden. Es produziert auch über Photovoltaik-Paneele in der Karosserie elektrische Energie. Auf dem Dach, auf den Türen und der vorderen Haube. Bis zu 34 Kilometer Reichweite täglich, so verspricht es das Startup, könnten so generiert werden. Genug für viele Kurzstrecken, für die das Elektroauto ohnehin prädestiniert ist. Pures Herumstehen in der Sonne sorgt für neue Kraft. Das Problem: Der Sono Sion wird noch nicht ausgeliefert. Und im Rest der Autoindustrie ist die Zahl der integrierten Photovoltaikflächen inzwischen fast bei null angekommen.

Immerhin ist es Sono Motors gerade gelungen, die weitere Finanzierung über eine Crowdfunding-Kampagne zu sichern: Über 50 Millionen Euro sind zusammengekommen. Wenn alles klappt, soll der Sono Sion mit 255 Kilometern Reichweite, 650 Liter großem Kofferraum und 750 Kilogramm Anhängelast bald für 25.500 Euro verkauft werden. Allerdings gibt es Zweifel am Gelingen, weil die Konkurrenz durch die großen Autokonzerne hart ist. Was für die Fertigung zumindest einer Kleinserie des Sion spricht, ist seine Funktion als Prestigeprojekt: Etliche Unternehmen aus der deutschen Zulieferindustrie wie ElringKlinger beim Batteriesystem sind bereit, ihren Teil zum Erfolg beizutragen.

Alleinstellung des Toyota Prius Plug-in-Hybrid

Neben Sono Motors kündigt Fisker im Batterie-elektrischen SUV Ocean ein Solardach an. Verkaufsstart in Europa: Frühestens 2022. Wenn das Geld für die Serienproduktion ausreicht. Hätte, wäre, könnte? Während der Ansatz, Sonnenenergie fürs Auto direkt einzusetzen, auf Showcars häufig vorkommt, ist zurzeit nur ein einziges Produkt tatsächlich erhältlich: Für 3.000 Euro Aufpreis produziert der Toyota Prius Plug-in-Hybrid selbst Strom. „Bis zu 1.000 Kilometer“ pro Jahr sollen möglich sein. Laut Toyota haben die Zellen im Dach eine Leistung von 180 Watt. In einem Erprobungsträger mit höherem Wirkungsgrad und mehr Fläche haben die Japaner 860 Watt gezeigt. Bei einem Durchschnittspreis von 30 Cent pro Kilowattstunde (kWh) ist eine finanzielle Amortisation über die Lebensdauer also nicht vorstellbar: Für den Mehrpreis ließen sich rund 10.000 kWh bezahlen, während der theoretisch mögliche jährliche Ertrag je nach Verbrauchsannahme bei 100 bis 200 kWh liegen.

Volker Quaschning, Professor für Energiesysteme an der HTW Berlin, findet es positiv, dass Solarzellen auf dem Autodach die Aufmerksamkeit für die Energiewende an sich erhöhen, obwohl sie bei nüchterner Betrachtung lediglich „ein nettes Gimmick“ sind. Dennoch plädiert Professor Quaschning stark für den Einsatz einer Photovoltaikanlage – allerdings nicht auf dem in der Fläche begrenzten Autodach, sondern auf der viel größeren Garage, dem Carport oder dem Hausdach: „Für 10.000 Kilometer Fahrleistung braucht man rund 2.000 kWh an elektrischer Energie“, rechnet Quaschning vor. „Dafür benötigt man etwa 2.000 Watt an Solarleistung, wofür bei Hochleistungsmodulen rund 10 Quadratmeter ausreichen.“ Prinzipiell könne rein rechnerisch demnach so viel installiert werden, wie ein Durchschnitts-Pkw mit Elektroantrieb im Jahr bräuchte.

Tagsüber ist das Auto oft nicht zu Hause

Kritiker werden sofort monieren, dass abgesehen von der ohnehin niedrigen Gesamtzahl Batterie-elektrischer Autos der Solarstrom meistens dann anfällt, wenn der Fahrer unterwegs ist. Also zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeitsstelle. Dazu gehört es zur deutschen Lebenswirklichkeit, dass der Ertrag von der eigenen Photovoltaikanlage übers Jahr stark zwischen viel zu viel und viel zu wenig schwankt.

 

Die Idee, so ein System direkt auf dem Autodach zu haben, ist darum weiterhin charmant: Wenn ein Sonnenstrahl vorhanden ist, kann er genutzt werden. Dass dennoch so wenige in der Karosserie integrierte PV-Module zu finden sind, fällt auf.

Grundsätzlich kann der Strom nicht nur in einem Elektroauto für den Vortrieb in der so genannten Traktionsbatterie verwendet werden, sondern auch bei konventionellen Fahrzeugen in der Bordnetzbatterie. Audi etwa hatte ein Schiebedach im Angebot, dass im Stand die Lüftung betätigt hat. Das hat die Innentemperatur bei einem in der prallen Sonne stehenden Pkw auch ohne Einsatz der Klimaanlage deutlich verringert. Beim Einsteigen traf die Passagiere also nicht der Hitzschlag, und die Klimaanlage musste weniger arbeiten – was wiederum dem Kraftstoffverbrauch gesenkt hat.

Insgesamt zu teuer

Das Solarschiebedach war also eine Technik, die den Benzin- oder Dieselverbrauch gemindert und Strom genau dann produziert hat, wenn er gebraucht wurde. Nur im gesetzlichen Messzyklus war kein Effekt feststellbar, weil die Rahmenbedingungen im Prüflabor nicht von einem im Sommer geparkten Auto ausgehen.

Die Europäische Union als zuständige Instanz hat für Technologien, die einen merklichen Effekt haben, der sich aber im gesetzlichen Normzyklus nicht niederschlägt, den Begriff Eco Innovations geprägt. Eco Innovations sind wichtig, weil diese bei der Berechnung der CO2-Flottenemissionen berücksichtigt werden. Wenn ein Hersteller im laufenden Jahr den Durchschnitt von 95 Gramm CO2 pro Kilometer überschreitet, sind Strafzahlungen nach Brüssel fällig.

Das Geld ist letztlich auch der Grund für die geringe Verbreitung von Solarmodulen auf dem Auto. Zur Senkung der Flottenemissionen durch Eco Innovations sind sie aber nicht billig genug, und auch sonst rechnet sich der Einsatz offenbar nicht. Zu teuer. Anders sieht es für jene aus, die ihren eigenen Strom auf dem Hausdach produzieren: Sie streben eine möglichst hohe Eigenverbrauchsquote an. Und so ergibt es Sinn, ein Batterie-elektrisches Auto zu laden. Umweltfreundlicher als ein rohölbasierter Kraftstoff ist das in jedem Fall.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: Sono Motors

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