Im Dauerlauf

Größe hilft: Je höher die Batteriekapazität eines Elektroautos, desto besser ist die Dauerhaltbarkeit. Wie lange der Speicher einwandfrei funktioniert, ist elementar für die ökonomische und ökologische Bilanz des Elektroautos an sich: Inzwischen verdichten sich die Hinweise, dass etliche 100.000 Kilometer problemlos möglich sind – zumindest unter bestimmten Voraussetzungen.

Grundsätzlich unterscheiden die Hersteller zwischen der kalendarischen und der zyklischen Dauerhaltbarkeit. Das spiegelt sich in den Garantieversprechen: Ein übliches Maß – zum Beispiel beim BMW i3 – sind acht Jahre oder 160.000 Kilometer. Weil Elektroautos erst im vergangenen Jahrzehnt schrittweise und in kleinen Stückzahlen auf die Straße gekommen sind, gibt es für die kalendarische Lebensdauer zu wenig Praxiserfahrung. Anders sieht es bei der zyklischen Belastbarkeit aus.

Problemlos mehrere 100.000 Kilometer

Hier gehen Branchenexperten von 1.500 Ladezyklen bei Premiumfahrzeugen aus. Die erste Generation der Zellen lag noch bei 500. Was aber bedeutet das? Ein Ladezyklus ist das komplette Be- und Entladen einer Zelle von 0 auf 100 Prozent und zurück. Ein Batteriesystem besteht aus vielen einzelnen Zellen, die wiederum in Modulen zusammengefasst sind. Wenn ein Elektroauto mit einer Vollladung selbst unter widrigsten Bedingungen 200 Kilometer schafft, ergeben sich aus 1.500 Ladezyklen also 300.000 Kilometer. Eine Prognose, die sich entsprechend nach oben oder unten verschieben kann, wenn die Gesamtkapazität besonders klein oder besonders groß ist.

So gibt es zunehmend Berichte von Nissan Leaf der allerersten Serie mir 24 Kilowattstunden (kWh), bei denen der Speicher getauscht werden muss; er gilt als verschlissen, wenn nur noch (je nach Hersteller) 66 bis 80 Prozent der Ausgangskapazität und damit der Reichweite vorhanden sind. Anders sieht es bei Elektroautos mit hoher Kapazität aus – die einzelne Zelle wird weniger belastet; das ist ein entscheidender Vorteil. Ein fabrikneues Tesla Model 3 Long Range mit 75 kWh und über 300 Kilometern Aktionsradius könnte eine halbe Million Kilometer erreichen. Könnte, hätte, würde? Darauf haben auch das Softwaremanagement für die Batterie sowie das Nutzerverhalten einen relevanten Einfluss.

Ladefenster verkleinern

Besonders tiefes Entladen zum Beispiel schädigt die Batteriezellen massiv. Übel ist es auch, immer auf 100 Prozent zu laden. Die Autohersteller beugen dem vor, in dem sie von der theoretisch verfügbaren Bruttokapazität nur einen Teil als Nettokapazität tatsächlich freigeben. Durch diese Beschränkung des Ladehubs per Software lässt sich die Dauerhaltbarkeit stark erhöhen. Der Ultraklassiker in dieser Hinsicht ist die Nickel-Metallhydrid-Pufferbatterie in den Toyota-Hybriden. Deren Hub pendelt meistens zwischen einem Ladestand (gebräuchliches Kürzel: SOC für State of Charge) von 40 bis 60 Prozent. Das Ergebnis: Defekte sind so gut wie unbekannt.

Wer das Batteriesystem seines Elektroautos über das Softwaremanagement hinaus schonen möchte, hat also einen simplen Hebel: Verkleinern Sie das Ladefenster. Zum Beispiel auf 20 bis 80 Prozent. Ebenfalls ruinös ist es, eine wegen niedriger Außentemperaturen ausgekühlte Batterie zu laden. Nicht umsonst nutzt Tesla eine Heizung, die zwar einige Kilowattstunden Strom benötigt, aber dies für den guten Zweck der Lebensdauer tut. Und wer einen Audi e-tron bestellt, sollte unter den Komfortextras die „erhöhte Heizleistung“ (380 Euro) anklicken, weil nicht nur der Innenraum, sondern auch die Batterie zusätzlich erwärmt wird. Davon profitiert außerdem die Fähigkeit zum Schnellladen. Das Geld und die Kilowattstunden sind gut investiert.

Flüssigkeitskühlung verbessert Dauerhaltbarkeit

Der Verschleiß einer Batteriezelle findet mit jedem Ladezyklus statt: Vereinfacht gesagt werden die Strukturen beim Be- und Entladen minimal geschädigt, und die Menge des aktiven Materials sinkt. Das passiert mit etwas anderen Wirkmechanismen auch durch die erhöhte Temperatur beim Schnellladen. Käufer sollten also darauf achten, lieber etwas zu viel Batteriekapazität für den eigenen Einsatzzweck zu ordern. Darüber hinaus ist die Wahl eines Autos mit Flüssigkeitskühlung sinnvoll.

Ein Fragezeichen, siehe oben, gibt es bei der kalendarischen Dauerhaltbarkeit. Und es gehört zur Wahrheit, dass die bisher produzierte Zahl Batterie-elektrischer Autos zu gering ist, um sie mit dem Durchhaltevermögen von Pkw mit Verbrennungsmotor wirklich vergleichen zu können. Klar ist: Das Durchschnittsalter der Pkw in Deutschland liegt bei über neun Jahren. Die Karosserie eines modernen Autos ist für mindestens 15 Jahre gut. Vielleicht sogar für 20 Jahre. Es ist also durchaus möglich und keineswegs übertrieben skeptisch, dass ein Refurbishment der Batterie oder ein Neueinbau erforderlich ist.

Wie ist in Zukunft für Ersatz gesorgt?

Das Refurbishment bezeichnet den Ersatz eines Batteriemoduls und die Aufarbeitung der defekten Zellen. Beim Verbrennungsmotor würde man das wohl eine Austauschmaschine nennen. Die zweite Option wird irgendwann der Einbau einer komplett neuen Batterie.

Hierzu können die Hersteller zwei Wege gehen. Der erste ist, eine fertige Batterie im Sinn der klassischen Ersatzteilversorgung bei optimierter Raumtemperatur und Ladestand quasi ins Regal zu legen. Attraktiver ist wohl der zweite Weg: Batteriesysteme sind so konstruiert, dass sie relativ leicht nach unten entnommen werden können. Nun ist es möglich, die umgebende Crashstruktur weiterzuverwenden und die Batteriemodule durch neue mit den aktuellsten Zellen und wahrscheinlich erhöhter Kapazität einzubauen. Die Steuersoftware für die Batterie und die Leistungselektronik muss entsprechend angepasst werden.

Das ist zwar Zukunftsmusik. Dennoch reden die Ingenieure der Autoindustrie in Hintergrundgesprächen darüber. Man macht sich also Gedanken. Und das ist gut so: Ein vorzeitiges und massenhaftes Aus von Traktionsbatterien würde den Erfolg der Elektroautos nachhaltig zerstören. Wenn sie sich dagegen als moderne Marathonfahrzeuge herausstellen, wäre das ein Nachweis für ihre bevorzugte Daseinsberechtigung.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: Audi

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