Die Zukunft des Kleinstwagens

Ausgerechnet das Segment der Kleinstwagen, wo es auf jeden Cent ankommt, könnte bald ausschließlich elektrisch unterwegs sein. Dem Verbrennungsmotor dagegen droht in dieser Fahrzeugklasse das Aus. Das ist dem Anschein nach ein Widerspruch. Wie kann der teure Antrieb mit Batterie, Gleich- und Wechselrichter sowie Ladegerät aus der Perspektive der Autohersteller finanziell attraktiver sein als ein simpler Dreizylindermotor? Die Ursache liegt in den CO2-Flottengrenzwerten, die von den Staaten der Europäischen Union beschlossen wurden: Die Strafen für konventionelle Kleinstwagen sind so hoch, dass sie endgültig unwirtschaftlich werden. Und gleichzeitig belohnt das System den Verkauf von Elektroautos massiv.

Eigentlich haben viele Konzerne schon lange keine Lust mehr auf die Minis. Exemplarisch dafür steht Volkswagen: Nach dem beliebten Lupo versuchten es die Wolfsburger mit dem Import des brasilianischen Fox. Ein preisgünstiges, aber glückloses Auto. Ende 2011 kam der Up, der baugleich als Skoda Citigo und Seat Mii vom Band lief und läuft. Einerseits verlangen die Kunden einen Kleinstwagen: Das Spektrum reicht von den betrieblichen Nutzern in Gestalt von Pflegediensten und Bringservices über den Fahranfänger bis zur Familie, wo der liebe Kleine als Allzweckzweitwagen dient. Andererseits bleibt das Grundproblem: Sowohl die absolute als auch die relative Gewinnmarge sind in dieser Klasse sehr gering, und der Verbrauch ist zu hoch.

CO2-Strafzahlungen vernichten die Gewinnmarge

So liegt die Werksangabe eines Volkswagen Up mit 44 kW (60 PS) Basismotor bei 4,4 Litern Superbenzin. Das entspricht 100 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Der Grenzwert für den Durschnitts-Pkw in der EU aber liegt für das Jahr 2020 bei 95 Gramm. Dieses Limit wiederum ist nicht für alle Autos gleich hoch; es hat zusätzlich eine Gewichtskomponente: Der Up wiegt mit 980 Kilogramm 412 kg weniger als im EU-Mittel. Er darf deswegen nur 81 g CO2 / km ausstoßen. Pro Gramm Abweichung und Auto sind 95 Euro Strafzahlung fällig – das macht 1.805 Euro. Viel zu viel bei einem Verkaufspreis ab 12.960 Euro. Es bliebe also nur, die Produktion einzustellen.

Ähnlich sieht es bei den Wettbewerbern aus. Ein Renault Twingo hat fast identische technische Daten; auch hier müssten 1.805 Euro pro Auto überwiesen werden. Der Einstiegspreis liegt mit 10.390 Euro allerdings nochmals niedriger als beim Volkswagen Up.

Die Lösung dieses Problems ist entweder die Streichung des Produkts – oder der Ersatz des Verbrennungs- durch einen Elektromotor. Denn Batterie-elektrische Autos stoßen im Laborprüfstand keine Emissionen aus und gehen mit null Gramm in die Flottenbilanz ein. Für das Jahr 2020 zählen sie als besondere Belohnung sogar doppelt („Supercredit“). Die Autoindustrie wird versuchen, überhöhte CO2-Werte in anderen Fahrzeugklassen durch Elektroautos auszugleichen und so jeder Sanktion zu entgehen.

Fortschritte bei der Batteriefertigung

Damit das aber funktionieren kann, müssen die Preise runter. Volkswagen hat den elektrischen e-Up seit 2014 im Programm. Er startete mit absurden 26.900 Euro und einer Batteriekapazität von netto 16,4 Kilowattstunden (kWh). Durch ein technisches Facelift im letzten Jahr hat sich dieser Wert auf 32,3 kWh nahezu verzweifacht. Gleichzeitig sank der Basispreis auf 21.975 Euro. Von diesem Kurs kann seit dem Erstzulassungsdatum 5. November zusätzlich der so genannte Umweltbonus in Höhe von 6.000 Euro abgezogen werden; diese Summe bringen Unternehmen und Staat je zur Hälfte auf. Es bleiben 15.975 Euro. Die Differenz zum Up mit Dreizylindermotor sinkt weiter, wenn man bedenkt, dass der e-Up serienmäßig vier Türen und eine Klimaautomatik hat.

An diesem Beispiel lässt sich der Fortschritt bei der Batterie gut zeigen: Bei gleichem Bauvolumen haben sich die Kapazität und die Reichweite fast verdoppelt, wobei das Gewicht mit 21 Kilogramm nur minimal wuchs. Im Test von ZEIT ONLINE lag die Verbrauchsspanne von 12,8 kWh / 100 km im Stadtverkehr mit bereits aufgeheiztem Innenraum und bis 20,8 kWh / 100 km auf der Autobahn. Daraus ergeben sich 155 bis 252 km Praxisreichweite. Der Vorteil gegenüber dem Standard-Up ist das ungleich komfortablere und leise Fahren ohne Schalten sowie mit viel Kraft. Der Nachteil ist, dass die Langstreckentauglichkeit stark eingeschränkt ist: Selbst an einer Schnell-Ladesäule (CCS-Buchse dazu: 625 Euro Aufpreis) braucht der e-Up laut Werk eine Stunde, um auf einen Ladestand von 80 Prozent zu kommen. Ein Wert, der im Wintertest teilweise erreicht wurde. Manchmal dauerte es noch länger.

Nachziehen – oder den Kleinstwagenverkauf einstellen

Für den Volkswagen-Konzern könnte die Rechnung aufgehen, weil die elektrischen Kleinstwagen eben auch die CO2-Werte verbrauchsintensiver SUVs ausgleichen. Es ist nur konsequent, dass Skoda Citigo und Seat Mii einzig als Elektroautos angeboten werden. Ähnlich macht es die Daimler AG: Die Autos der Marke Smart fahren nur noch mit Strom. So hatte es sich Nicolas Hayek, der geistige Vater des Smart EQ Fortwo, immer vorgestellt: Ein lokal emissionsfreier Stadtflitzer für zwei Personen. Den EQ gibt es auch als längeren Viertürer mit vier Sitzen unter der Bezeichnung Forfour. Dieser wiederum basiert auf dem Renault Twingo. Die französische Marke wird, auch das ist folgerichtig, den Twingo in der zweiten Jahreshälfte ebenfalls mit Ladestecker anbieten.

Andere Marken könnten mittelfristig nachziehen. Fiat etwa mit einem 500e. Hyundai mit der Elektroversion des i10. Oder auch Toyota mit dem Aygo, obwohl die Japaner dem Batterie-elektrischen Antrieb skeptisch gegenüberstehen.

Die Mischung aus EU-seitig vorgegebenen Grenzwerten, sinkenden Batteriekosten und einem Nutzungsprofil, das ohnehin nur selten hohe Reichweiten verlangt, verschafft dem elektrischen Kleinstwagen also Auftrieb und könnte für die konventionellen Antriebe in dieser Klasse das Ende bedeuten. Sollte dieser Ansatz erfolgreich sein, müssten in den Großstädten aber mehr Ladesäulen aufgebaut werden.

Erschienen bei ZEIT ONLINE. Ein ausführlicher Fahrbericht zum Volkswagen e-Up lief bei heise Autos.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

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