Mokka modern

Breiter und flacher: Der Opel Mokka B hat kernigere Proportionen als sein Vorgänger. Ja, man sitzt immer noch erhöht und steigt bequem ein. Nur der Rentnerlook ist Vergangenheit. Die Form des neuen Mokka kommt gut an, wie Passanten ungefragt klarmachen. Er zeigt das neue Gesicht von Opel. So richtig zeitgemäß ist er aber erst als Mokka-e: Durch die Kraft des 100 kW starken Elektromotor beschleunigt er mit exakt neun Sekunden eine symbolische Zehntelsekunde schneller als der handgeschaltete Vierzylinder mit 96 kW. Und vergleicht man den Grundpreis von 34.110 Euro der Fairness halber mit der Automatikversion, ergibt sich eine Preisdifferenz von 225 Euro zu Gunsten des Stromers. Das liegt an der so genannten Innovationsprämie in Höhe von 9.570 Euro, einer Subvention, die teilweise vom Steuerzahler und teilweise vom Hersteller aufgebracht wird. Der Mokka-e ist leiser, geschmeidiger, kraftvoller und preisgünstiger als der vergleichbare Mokka mit Superbenzin im Kraftstofftank. Alle Fragen sind damit dennoch nicht beantwortet.

Das erste Lob gilt wie eingangs erwähnt dem Design. Es fiel schon beim Peugeot e-2008 in der Öffentlichkeit positiv auf. Er und weitere Elektroautos vom Corsa-e bis zum bis zum Citroen e-C4 basieren auf der Konzernplattform e-CMP. Unabhängig vom subjektiven Geschmacksempfinden lässt sich feststellen: SUV-artige Autos entsprechen dem Zeitgeist. Wer in diesem Segment ohne ein solches Fahrzeug im Portfolio antritt, ist verloren. Die Sitzposition ist im Vergleich zu einem Corsa-e hoch, Plastik an den Radläufen ist eine weit verbreitete Reminiszenz an Geländewagen vergangener Epochen, und die Ladekante des Kofferraums ist niedrig genug für entspanntes Einladen.

Der Innenraum ist luftig breit, und die Armaturentafel ist nicht als wuchtige Trutzburg, sondern etwas entfernt nach vorne montiert. Das verbessert das Raumgefühl. Auch Materialauswahl und Verarbeitungsqualität im Opel Mokka-e, der als Pressetestwagen in der maximalen Ausstattungsversion Ultimate (41.220 Euro vor Prämie) kam, sind überzeugend. Stoff, Leder, Nähte, das alles ist hochwertiger komponiert als beim Volkswagen ID.3.

Erstklassiges Licht im Ultimate

Der Opel Mokka-e Ultimate hat diverse Extras inbegriffen. Zwei davon sind exklusiv und besonders erwähnenswert: Zum einen das Fahrerinfodisplay, das von sieben auf zwölf Zoll wächst. Die breiten Ränder des Basisscreens erinnern ein wenig an die Einsteiger-Notebooks der Jahrtausendwende. Das andere ausschließlich im Ultimate eingebaute Feature ist das Intellilux LED Matrix-Licht.

Das Intellilux LED Matrix-Licht gehört zum Besten, was es zu kaufen gibt. Wie üblich bei Premiumscheinwerfern machen sie die Nacht zum Tag. Und der Gegenverkehr wird auch mit Fernlicht nicht geblendet, weil der Lichtkegel diese Autos in einem schönen Oval ausnimmt. In dieser feingeschliffenen Machart herausragend: Es schaltet nicht einfach ein oder aus, sondern dimmt extrem schnell und fließend. Ein Plus für die Fahrsicherheit und den Komfort.

Wer solche Systeme als überflüssige Gimmicks erachtet, dürfte auch mit der Basisvariante Edition zufrieden sein. Einziger technischer Abstrich: Mit Wechselstrom (abgekürzt AC für alternating current) an der Wallbox oder an öffentlichen Säulen kann nur einphasig geladen werden, also zu Hause wegen der Schieflastverordnung mit rund 4,6 kW und unterwegs mit 7,4 kW. Alle anderen Mokka-e haben serienmäßig ein dreiphasiges Ladegerät mit elf kW Leistung.

Reproduzierbare DC-Ladekurve

Das funktionierte im zweiwöchigen Testzeitraum ebenso verlässlich wie das Laden mit Gleichstrom (abgekürzt DC für direct current) bei bis zu 100 kW Leistung. Es gab weder Abbrüche noch Einbrüche: Die Plattform e-CMP hat eine gewisse Kälteempfindlichkeit, die sich bei den aktuell steigenden Temperaturen aber nicht in niedriger Ladeleistung und folglich geringerer Ladegeschwindigkeit niederschlug. Beim ersten schnellen Zwischenstopp nach rund 150 Kilometern (km) – also mit mutmaßlicher Wohlfühltemperatur im elektrochemischen Speicher – war reproduzierbar die bekannte Ladekurve der PSA-Elektroautos abrufbar.

In der Spitze und bis zu einem Ladestand (abgekürzt SOC für State of Charge) von 20 Prozent der brutto 50 Kilowattstunden (kWh) fassenden Batterie sind etwa 100 kW abrufbar. Weiter geht es bis zu einem SOC von 50 Prozent mit 75 kW und darüber mit 50 kW bis rund 70 Prozent Ladestand. Das wäre gar nicht schlecht, wenn es nicht von einem zu hohen Autobahnverbrauch konterkariert würde.

Weniger als 200 km bei Richtgeschwindigkeit

Opel veröffentlicht wie die anderen Konzernmarken keine Nettokapazität der Batterie; es dürften nach übereinstimmenden Berichten aber circa 45 kWh sein, die real abgerufen werden können. Bei Richtgeschwindigkeit (Vorsicht, der Tachometer weicht nur ein bis zwei km/h ab) und Tempomat lag der beste Messwert bei 23,3 kWh / 100 km, woraus 193 km Reichweite resultieren. An einem kalten Morgen stieg der Stromverbrauch auf einer 130 km/h-Etappe durchs flache Norddeutschland auf 29,4 kWh / 100 km. Es blieben also 153 km. Übersetzt: Gelegentliche längere Strecken sind zumutbar. Man bewegt sich aber klar im Bereich der Mühseligkeit, und aerodynamisch günstigere Limousinen wie ein Tesla Model 3 sind eine andere Elektroauto-Welt. Die Stirnfläche fordert ihren Tribut.

Abseits der Autobahn ändert sich das Bild drastisch. Im Überlandbetrieb oder in der City pendelte der Verbrauch des Opel Mokka-e um 15 kWh / 100, obwohl noch Winterreifen montiert waren. So ergeben sich 300 km Reichweite (WLTP-Normwert: 313-323 km). Im Durchschnitt wurden wegen eines hohen Autobahnanteils 21 kWh / 100 angezeigt. Leider lässt sich wegen Softwaredefekten an zwei Ladesäulen kein Wert für die Ladeverluste errechnen.

Interessenten müssen also wie immer bei Batterie-elektrischen Autos prüfen, ob ihr individuelles Fahrprofil passt. Der Opel Mokka-e besteht aber aus mehr als dem Einzelkriterium Autobahnreichweite.

Opel liefert noch 2021

So ist das Geräuschniveau spürbar niedriger als im Corsa-e. Die Übersicht beim Einparken ist nicht ganz so gut, wie es die schön kalkulierbare Haube vermuten lässt, und der Wendekreis ist groß. Ein Abstrich, der wie die Traktionsschwäche dem Frontantrieb geschuldet ist. So ist es leider bei jenen Elektroautos, die wie etwa der Hyundai Kona auch mit Verbrennungsmotor angeboten werden. Und wo wir bei den funktionellen Schwächen sind: Das ACC ist eine Spur zu nervös abgestimmt, und das Bremspedalgefühl könnte sauberer definiert sein.

Der Alltag im Opel Mokka-e ist trotzdem zutiefst angenehm. Einfach gleiten lassen. Einsteigen und die Stille genießen, die auch vom dezenten und gesetzlich verpflichtenden künstlichen Außengeräusch nicht gestört wird. Oder alternativ feinsten Sound aus der Anlage konsumieren. Der Mokka-e ist ein kompakter und komfortbetonter Begleiter. So, wie sich viele Kunden heute ein Auto wünschen. Wie gehabt werden sich neben den Privatkäufern viele Selbstständige und Dienstwagenberechtigte für dieses Elektroauto interessieren: Die Versteuerung des geldwerten Vorteils der Privatnutzung sinkt auf ein Viertel des üblichen Prozents. Unterdessen verspricht Opel, dass jeder, der jetzt bestellt, in diesem Jahr den Mokka-e bekommt. Man hat auf die hohe Nachfrage reagiert.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: Christoph M. Schwarzer

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