Freiheit vom Kohlenstoff

Akio Toyoda, Präsident des weltgrößten Autokonzerns Toyota, hat Mitte Dezember angekündigt, 30 Batterie-elektrische Autos zu bauen. 16 davon brachte er als Prototypen mit. Das Ziel: Im Jahr 2030 sollen statt ursprünglich geplanten zwei nun 3,5 Millionen Elektroautos verkauft werden. Das würde nach heutigen Zahlen ungefähr einem Drittel des Absatzes entsprechen. In der anschließenden Pressekonferenz sagt Toyoda aber einen Satz, der entscheidend für das Verständnis der Dekarbonisierungs-Strategie von Toyota ist: Um CO2-Neutralität im Auto zu erreichen, sei die Energiequelle entscheidend, nicht der Antriebsstrang. So erklärt sich, dass Toyota einerseits Batterie-elektrische Fahrzeuge anbieten wird. Und andererseits die Entwicklung des Verbrennungsmotors mit Wasserstoff als Kraftstoff vorantreibt. Kann es irgendeinen Sinn ergeben, Wasserstoff in einer Hubkolbenmaschine zu verwenden?

Knapp zwei Wochen vor der Modelloffensive bei den Elektroautos hatte Toyota einen Rallye-Yaris präsentiert, der einen Wasserstoff-betriebenen Dreizylinder-Turbomotor hat. Dieser ist dem Verbrennungsmotor im serienmäßigen Yaris GR ähnlich, hat aber ein modifiziertes Einspritzsystem und die Tankanlage der Brennstoffzellen-elektrischen Limousine Mirai. Man habe, so Akio Toyoda, den ersten Schritt getan, um „unseren Wasserstoff-betriebenen Verbrennungsmotor konkurrenzfähig zu machen und stetig weiterzuentwickeln“. In zehn Jahren würden die Dinge ein wenig anders aussehen, fügt er kryptisch hinzu.

Energie an preisgünstigstem Standort produzieren

Diese Initiative erscheint zuerst absurd. Wenn man davon ausgeht, dass Strom aus erneuerbaren Energien – und den müsste man einsetzen, um CO2-neutralen Wasserstoff zu produzieren – ein knappes Gut ist, wird er am effizientesten in einem Batterie-elektrischen Auto eingesetzt. Genau dieser Grundannahme der Limitierung aber folgt Toyota nicht. Langfristig (so plant der japanische Konzern gerne) könnte es gelingen, weltweit einen Überschuss an elektrischer Energie und folglich an Wasserstoff zu schaffen. Das gilt besonders für Standorte, an denen viel Wind weht oder viel Sonne scheint und wo im Vergleich zu Deutschland geringe Steuern und Abgaben gezahlt werden müssen, was nahezu überall der Fall ist. Sehr preisgünstig hergestellter, CO2-neutraler Wasserstoff ist jedenfalls die Voraussetzung, um überhaupt über den Einsatz im Verbrennungsmotor spekulieren zu können.

Aber welche Vor- und Nachteile hat ein solcher Verbrennungsmotor? Wir sprachen mit Prof. Dr-Ing. Stefan Pischinger vom Institut für Thermodynamik an der RWTH Aachen, um diese Frage zu klären.

Wasserstoff verbrennt CO2-frei. Der Plan der vollständigen Dekarbonisierung wäre also erfüllt. Als direkte Emissionen entstehen Wasserdampf und Stickoxide (NOx). Diese können wie im Ottomotor üblich über einen Drei-Wege-Katalysator, aber auch über die vom Selbstzünder bekannten SCR-Katalysatoren reduziert werden.

Höherer Wirkungsgrad mit steigendem Luftüberschuss

Wasserstoff hat ein anderes stöchiometrisches Luftverhältnis als Benzin. Das Verhältnis von Luft- zu Kraftstoffmasse, das gebraucht wird, um den Kraftstoff vollständig zu verbrennen (Lambda 1) beträgt bei Wasserstoff 34 zu 1 statt 14,7 zu 1 bei Benzin.

„Grundsätzlich steigt der Wirkungsgrad, je magerer man den Motor betreibt“, erklärt Prof. Pischinger, „dann gehen auch die Rohemissionen der Stickoxide stark zurück“. Ein Wasserstoff-Verbrennungsmotor ließe sich sogar bei Lambda 3 problemlos betreiben, so Pischinger. Die RWTH Aachen forscht selbst an dieser Technik. Ein Entwicklungsziel ist es, den Wirkungsgrad auf über 45 Prozent zu steigern, um letztlich mit der Brennstoffzelle konkurrieren zu können.

„Wasserstoff hat eine extrem hohe Brenngeschwindigkeit und benötigt eine geringe Zündenergie. Das Gas brennt auch bei hohem Luftüberschuss homogen“, erklärt Stefan Pischinger von der RWTH Aachen.  Die ideale Homogenisierung sei die Basis für niedrige Stickoxidrohemissionen. „Bevorzugt würden wir den Wasserstoff schnell und mit viel Druck einblasen“, so Pischinger. Zwar müssten diverse Komponenten wie z. B. die Kurbelgehäuseentlüftung angepasst werden. In der geringen Notwendigkeit der Anpassung gegenüber heutigen Otto- oder Dieselmotoren liegt zugleich die Chance von Wasserstoff als Kraftstoff. Die Fertigungsstraßen können mit kleinen Modifikationen angepasst werden, und die Kosten sind leicht kalkulierbar.

Einsatz bei Non-road Machinery

„Ich bin mir sicher, dass wir CO2-neutralen Wasserstoff in Zukunft sowohl in der Brennstoffzelle als auch in Verbrennungsmotoren sehen werden“, sagt Prof. Pischinger und ergänzt: „Aus meiner Sicht ergibt der Einsatz im Verbrennungsmotor insbesondere bei konstant hohen Leistungsanforderungen Sinn. Zum Beispiel in Baumaschinen oder landwirtschaftlichen Fahrzeugen, die nicht an die Straße gebunden sind wie etwa einem Mähdrescher.“

Eine Schwäche von Wasserstoff-betriebenen Verbrennungsmotoren ist, dass die Leistung im angestrebten Magerbereich geringer ist. Das kann wie im Fall des von Toyota gezeigten Yaris durch höhere Aufladung kompensiert werden – oder durch die Hybridisierung, die der japanische Konzern ohnehin perfektioniert hat. Was als Problem bleibt, sind die Kosten und das Bauvolumen der Tanks; diese Herausforderung besteht jedoch auch für Brennstoffzellen-elektrische Fahrzeuge.

Deutschland bleibt Energieimporte angewiesen

Kommen wir zurück zum Ausgangspunkt der Überlegungen bei Toyota: Um CO2-Neutralität im Auto zu erreichen, sei die Energiequelle entscheidend, nicht der Antriebsstrang („Achieving carbon neutrality depends on the energy the car uses, not on the powertrain“).

Für 2021 hat die AG Energiebilanzen in Deutschland einen Anteil von 16,1 Prozent aus erneuerbaren Energien berechnet. Hierbei bezieht die Arbeitsgemeinschaft nicht nur den Strom (dort nach Energy Charts: 45,8 Prozent aus EE), sondern den gesamten Energiebedarf der Republik ein. Angesichts des viel zu langsamen Ausbautempos von Photovoltaik- und Windkraftanlagen ist offensichtlich, dass Deutschland langfristig auf Importe angewiesen ist. Falls diese Importe CO2-neutral in Ländern produziert werden, in denen die Kosten niedrig sind, könnte so ein wichtiger Beitrag zur Dekarbonisierung geleistet werden. Nur unter dieser Voraussetzung sind Wasserstoff-betriebene Verbrennungsmotoren vorstellbar.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: Toyota

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