Das ist der Buzz

Im Schuppen 52, einer Lagerhalle auf der Hamburger Elbinsel, steht der Volkswagen ID.Buzz. Am Eingangstor müssen die Journalisten die Linsen ihrer Smartphone-Kameras abkleben lassen: Die Weltpremiere findet erst am 9. März statt. Über das finale Design des ID.Buzz als 5-Sitzer und des ID.Buzz Cargo lässt sich trotzdem sagen, dass es gelungen ist. Die Proportionen sind stimmig, und die Formensprache ist eine gute Mischung aus Retro-Elementen und modernem Van. Volkswagen Nutzfahrzeuge hat die Presse eingeladen, um die technischen Daten bekannt zu geben. Und eine erste Ausfahrt ist bei Sturm und Regen ebenfalls möglich.

Wer sich mit dem Modularen Elektrifizierungs-Baukasten (MEB) von Volkswagen auskennt, dürfte vom Antrieb nicht überrascht sein: Der 150 Kilowatt (kW) starke Elektromotor treibt die Hinterräder an. Die Traktionsbatterie hat einen verfügbaren Energieinhalt von 77 Kilowattstunden (kWh). Und die Spitzengeschwindigkeit ist auf 145 km/h begrenzt, um die Reichweite nicht zu ruinieren – aus 1,99 Meter Breite und 1,94 Höhe ergibt sich eine Kastenwagen-typisch sehr große Stirnfläche.

Eine Traktionsbatterie mit mehr Kapazität folgt genauso wie eine Langversion (vorerst: kompakte 4,71 Meter) und eine mit Allradantrieb. Wann genau die Derivate kommen, ist unklar; es sollte nach unserer Einschätzung frühestens Ende 2023 damit gerechnet werden.

170 kW Ladeleistung, V2G-fähig

Fast beiläufig erwähnt Volkswagen zwei interessante Details: Die Ladeleistung beträgt bis zu 170 kW. Mehr als bei ID.3 und ID.4. Und sämtliche MEB-Elektroautos mit der 77 kWh-Batterie sollen V2G-fähig (Vehicle To Grid) sein, also Strom zum Beispiel aus der heimischen Photovoltaikanlage speichern und wieder ins Hausnetz abgeben können. Das Problem: Volkswagen will das System nur in Verbindung mit einer Gleichstrom(!)-Wallbox anbieten. Und die ist ungleich teurer und seltener als die gängigen Wechselstrom-Exemplare.

Der Radstand des Volkswagen ID.Buzz ist mit 2,99 Meter nahezu exakt so groß wie beim T6 TDI, der übrigens bis 2024 weitergebaut wird. Dem Anschein nach ist der Innenraum des ID.Buzz dennoch knapper. Die elektrische Plattform kann die fehlenden circa 20 Zentimeter Außenlänge nicht komplett kompensieren. Gut dagegen: Der Wendekreis des ID.Buzz ist mit knapp elf Metern wirklich klein.

Wer jemals in einem ID.3 oder ID.4 gesessen hat, wird sich im ID.Buzz sofort heimisch fühlen. Der Bedienhebel für die Fahrstufen ist etwas schlanker und schöner geschnitten, aber der Rest ist ähnlich. Auch die Sitzposition ist zwar deutlich höher als im ID.3 oder ID.4, erinnert im Grundsatz jedoch eher an diese Pkws als an den aufrechten Stuhl des T6. Die Gusseisernen unter den Fans könnte das stören. Die anderen werden es kaum bemerken. Großgewachsenen fällt sofort eine weitere ergonomisch vorteilhafte Lösung auf: Die Sensorik am Innenspiegel ist teilweise nach unten in die Windschutzscheibe gewandert. Wer über 1,90 Meter ist, guckt also nicht über den Innenspiegel oder auf ein allzu raumgreifendes Plastikgehäuse.

Die Ausfahrt in Hamburg fand mit Prototypen statt, die mit Resttarnung versehen waren. Auch der Bordcomputer war nur rudimentär aktiviert; eine Stichprobe zum Stromverbrauch können wir leider nicht nennen. Aber wir können den Eindruck vermitteln, den der ID.Buzz macht.

Zwischen vorgestern und übermorgen

Und der ist wie erwartet ein scharfer Kontrast zu dem im traditionellen T6 TDI. Der T6 wirkt völlig veraltet, was angesichts der Grundfesten aus dem Jahr 2003 – damals debütierte er als T5 – kaum verwunderlich ist. Beim ID.Buzz rumpelt kein Dieselmotor unter den Füßen, er federt erheblich komfortabler, hat eine ungleich geringere Wankneigung in Kurven und ist insgesamt viel leiser. Dass die Lenkung präziser ist und der Heckantrieb auch bei nasser Fahrbahn keine Traktionsschwäche zeigt, kommt hinzu. Wie schnell der ID.Buzz beschleunigt, ist noch nicht bekannt. Subjektiv ist es so wie im ID.4, nämlich für ein Elektroauto etwas müde. Objektiv dürften die Werte gar nicht schlecht sein, vor allem im direkten Vergleich zum T6.

Die Konkurrenten des Volkswagen ID.Buzz sind ohnehin eher der Mercedes EQV oder der elektrische Stellantis-Van, der unter anderem als Opel Zafira-e Life zu haben ist. Der Opel hat eine Bruttokapazität von 75 kWh und damit etwas weniger als der ID.Buzz mit 82 kWh. Im Praxistest sind wir bei Tempo 120 rund 250 km weit gekommen. Überschlägig dürfte der ID.Buzz bei etwas mehr Geschwindigkeit – nennen wir es 130 – also ebenfalls bei etwa 250 km auf der Autobahn landen. Im Idealfall auf Bundesstraßen und in der Stadt gehen wir von gut 400 km Reichweite aus; eine Homologation nach WLTP liegt noch nicht vor.

Adaptive Rekuperation

Auffällig gut auf der Testtour funktionierten der Travel Assist und der Eco Assist. Travel Assist bezeichnet bei Volkswagen die Kombination aus radarbasierter Abstandsregelung und Spurführung, wobei die automatische Geschwindigkeitserkennung und Übernahme in den Tempomat eingeschaltet war und verlässlich gearbeitet hat. Wir werden das in einem ausführlichen Test nach dem Auslieferungsstart im September überprüfen.

Eco Assist ist die automatische adaptive Rekuperation, die Volkswagen seit dem e-Golf kultiviert. Der ID.Buzz rollt nahezu widerstandslos weiter, wenn man vom Fahrpedal geht. Es sei denn, es werden Vorausfahrende erkannt oder eine Kurve kommt. Dann steigt der Grad der Bremsenergierückgewinnung an. Das alles funktioniert intuitiv und logisch. Ein ähnlich gutes System kennen wir sonst nur von Mercedes, wo es einst beim Smart ed eingeführt wurde. Und wer keine Lust darauf hat: Abschalten.

Topversion ab circa 62.000 Euro

Gibt es Abstriche? Ja. Die überschaubare Reichweite, der im Vergleich zum T6 weniger luftige Innenraum und die geringe Anhängelast (eine statt der beim T6 üblichen zwei Tonnen) beweisen, dass Volkswagen aus gutem Grund an den Baureihen T6 und T7 festhält. Der ID.Buzz ist fraglos der technisch neuste Wurf, aber er wird ganz sicher nicht alle Profile abdecken. Nicht vergessen: Er gehört zur Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge.

Inoffiziell nennt Volkswagen auch Richtwerte für die Preise: Der ID.Buzz Cargo startet bei rund 45.000 Euro. Und der gut ausgestattete ID.Buzz Pro als 5-Sitzer könnte um 62.000 Euro kosten. Viel Geld? Ja, aber nicht mehr als beim oben genannten Opel Zafira-e Life. Und wer erwartet schon, dass ein Bulli aus Hannover plötzlich ein Schnäppchen ist.

Fazit: Volkswagen hält mit dem ID.Buzz das Versprechen ein, dass 2017 auf der Detroit Motor Show gemacht wurde. Ein Surfbus fürs 21. Jahrhundert, ein Familientransporter für Wohlhabende, ein täglicher Arbeiter für Betriebe. Alles wie gehabt, nur eben zeitgemäß und elektrisch. Die Kunden werden sich in Europa und den USA darauf freuen. Und jene, denen er entweder nicht gefällt oder für die ein Batterie-elektrischer Antrieb untauglich ist, haben mit T6 und T7 Alternativen von Volkswagen im Angebot.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: Volkswagen Nutzfahrzeuge

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