Womit der Lkw der Zukunft fährt

Der Dieselmotor regiert die Welt der Nutzfahrzeuge. Besonders bei den schweren Lastkraftwagen, die inklusive Zuladung bis zu 40 Tonnen wiegen. Die Energiewende beim Antrieb steht bei den international tätigen Speditionen am Anfang. Bei Pkws in einer Industrienation wie Deutschland dagegen ist eine Entwicklung erkennbar: 2021 wurden 13,6 Prozent der Neuwagen als Batterie-elektrische Autos zugelassen. Wie genau der Lkw der Zukunft fährt, steht noch nicht fest. Unterschiedliche Systeme konkurrieren. Sicher ist nur, dass der Kraftstoff ohne fossile Ressourcen produziert werden muss. Zum einen, um den Antrieb zu dekarbonisieren, also um ihn ohne zusätzliche Kohlendioxidemissionen zu betreiben. Und zum anderen, um unabhängiger von Rohölimporten aus Staaten zu werden, die eben diese Abhängigkeit als Machtinstrument missbrauchen.

Wie üblich bei Fragen, die das Morgen betreffen, haben sich die Interessenvertreter in Position gebracht, um die jeweiligen Vorteile ihrer Dekarbonisierungslösung zu betonen. Jeder Akteur ist überzeugt, die einzig richtige Antwort zu haben. Sie alle müssen die speziellen Gesetze des Nutzfahrzeugverkehrs beachten: Die Kosten sind entscheidend, und Zeit ist auch Geld.

Die Konfliktlinien zum kommenden Lkw-Antrieb werden vor allem bei den Infrastrukturinvestitionen sichtbar. Wer zahlt zum Beispiel dafür, wenn von Gibraltar bis nach Trondheim und von La Rochelle bis nach Kattowitz aufwendige Ladepunkte errichtet werden sollen, die ein leistungsstarkes Stromnetz erfordern – der Steuerzahler in den jeweiligen Nationen?

ZEIT ONLINE gibt eine Übersicht über den Wettbewerb der Systeme. Ihnen ist immerhin eins gemeinsam: In allen Fällen muss der Energieträger mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden! Das ist der Ausgangspunkt und der Hebel.

Dieselmotor mit e-Fuels

 

Dieselkraftstoff lässt sich mit Strom aus erneuerbaren Energien herstellen. Power-to-Liquid (PtL) ist der Oberbegriff für solche Verfahren. Die Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH etwa produziert im sächsischen Freiberg in einer Demonstrationsanlage rund 100 Liter synthetisches Superbenzin pro Tag, und in einem ähnlichen Verfahren kann das auch mit Dieselkraftstoff funktionieren. Dieser e-Diesel kann in jedem vorhandenen Selbstzünder eingesetzt werden; das klappt auch als Beimischung.

Allerdings wird je nach Berechnungsgrundlage rund sechs Mal so viel elektrischer Strom eingesetzt wie bei einem Batterie-elektrischen Lkw, um einen Kilometer zurückzulegen. Realistische Chancen ergeben sich also dann, wenn die Herstellung dort erfolgt, wo Wind- und Sonnenkraftanlagen mit extrem niedrigen Kosten errichtet und betrieben werden können. Wegen den nicht immer idealen Bedingungen und der hohen Steuer- und Abgabenlast liegt dieser Standort wahrscheinlich nicht in Deutschland.

Verbrennungsmotor mit Wasserstoff

Was zuerst völlig absurd klingt, ist der Ansatz, Dieselmotoren auf den Betrieb mit Wasserstoff umzurüsten. MAN, Teil der Dachmarke Traton des Volkswagen-Konzerns, hatte im letzten Jahr diese Idee präsentiert. Auch die RWTH Aachen forscht an Verbrennungsmotoren, die mit Wasserstoff betrieben werden und einen Wirkungsgrad von 45 Prozent erreichen sollen. Und Toyota, 2021 mit einem Vorsprung von über 15 Prozent vor Volkswagen der größte Fahrzeughersteller der Welt, zeigt sogar experimentelle Pkw mit diesem Antrieb.

Die vorhandenen Fertigungslinien für Motoren müssten lediglich verändert und nicht abgerissen werden. Ein Durchbruch dieses Ansatzes ist aber wenig wahrscheinlich, weil er zu viele Schwächen vereint: Bei Tankstellen und den Tanks im Lkw fallen die Kosten an, die auch bei Brennstoffzellen-Lkw gezahlt werden müssen – mit dem Nachteil, dass wegen des geringeren Wirkungsgrads mehr Wasserstoff verbraucht wird.

Brennstoffzellen mit Wasserstoff

Geht es nach den Marken MAN und Scania von Traton, der Lkw-Sparte von Volkswagen, hat der Brennstoffzellen-Antrieb nur eine Berechtigung als „Nischenanwendung“. Die Begründung ist laut MAN die geringere Effizienz  gegenüber Batterie-elektrischen Schwerlastfahrzeugen. Eine einseitige Behauptung, sagt Daimler Truck in einer Reaktion auf die Mitteilung von MAN: Die Effizienz sei nur ein „Teilaspekt“, und darum „sind wir [bei Daimler Truck] der Überzeugung, dass eine zügige und kostendeckende Abdeckung“ nur sowohl mit Batterie- als auch mit Brennstoffzellen-elektrischen Lkw möglich wäre.

Daimler Truck argumentiert, dass die Kunden in Gestalt der Spediteure „keine Kompromisse bei Alltagstauglichkeit, Tonnage und Reichweite“ akzeptieren würden und ergänzt, „im wichtigen Segment des schweren Fernverkehrs können wasserstoffbasierte Antriebe die bessere Lösung“ sein. Das sehen neben Daimler und dem Kooperationspartner Volvo auch der südkoreanische Riesenkonzern Hyundai, Renault und Toyota so. Hyundai zum Beispiel setzt in der Schweiz bereits eine Testflotte ein. Brennstoffzellen-elektrische Antriebe sind so flexibel wie Dieselmotoren, haben aber im Vergleich zu Batterie-Lkw den höheren Stromaufwand wegen der Elektrolyse zur Produktion des Wasserstoffs sowie die Infrastrukturkosten als Nachteil.

Batterie-elektrische Lkw

Die größte Energieeffizienz hat der Batterie-elektrische Lkw. Daran besteht kein Zweifel. Um den auf langen Strecken schnell laden zu können, wird derzeit das Megawatt Charging System (MCS) standardisiert. Es soll nicht nur für Lkw, sondern auch für Schiffe und Flugzeuge eingesetzt werden: Ein einheitlicher Stecker, der bis zu 3.000 Ampere Stromstärke bei bis zu 1.250 Volt Spannung übertragen kann. Diese Maximalwerte werden im Nutzfahrzeug nicht erreicht werden; Branchenkenner gehen von 700 bis 900 Kilowatt Ladeleistung aus, was mehr als fünf Mal so viel wäre wie etwa in einem Elektroauto Volkswagen ID.3.

Die Investitionen in die Infrastruktur wären sehr hoch. So reicht es zum Beispiel perspektivisch nicht mehr aus, Ladeparks für Batterie-elektrische Lkw wie bei den Pkws ans Mittelspannungsnetz anzuschließen. Es sollte schon Hochspannung sein, um die Standzeiten zu minimieren. Die Grundfrage im europäischen Zusammenhang bleibt, auf wen die Kosten externalisiert werden und ob die Speditionen die Ladestopps akzeptieren. Die deutsche Politik jedenfalls ist stark interessiert am Megawatt Charging System und fördert es ebenso wie den Aufbau von Wasserstoff-Tankstellen.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: Daimler Trucks

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