Volkswagens Rivale BYD

Vertraulich“ steht auf der Übersicht, die Herbert Diess trotzdem veröffentlicht hat. Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG zeigt, wen er als internationale Konkurrenten bei der Transformation der Autoindustrie wahrnimmt. Zum einen Tesla, das ist bekannt. Neben Tesla aber ist zweimal ein Kürzel zu finden, dass in Deutschland nur Fachleuten geläufig ist: BYD. Das steht für Build Your Dreams, frei übersetzt etwa „erschaffe Deine Träume“. BYD ist ein Mischkonzern, der unter anderem Bauteile für Smartphones produziert. Die Mobilitätssparte des chinesischen Unternehmens war zuletzt vor allem durch elektrische Linienbusse im Gespräch. Neuerdings aber stellen die Ingenieure aus Shenzhen ein Elektroauto nach dem nächsten vor. Was Herbert Diess von Volkswagen und anderen Wettbewerbern Angst machen dürfte, ist die Tatsache, dass BYD die Antriebsbatterien selbst fertigt.

Im ersten Quartal dieses Jahres ist BYD zum drittgrößten Batteriehersteller weltweit aufgestiegen. Der Marktanteil betrug gut elf Prozent. Man hat Panasonic aus Japan überholt. Nur LG aus Südkorea (knapp 16 Prozent) und CATL (35 Prozent), ebenfalls aus China, sind erfolgreicher.

Kostengünstige Batteriezellen ohne Nickel oder Kobalt

Diese Batterien haben mehrere Besonderheiten. Die Zellen kommen ohne Nickel und Kobalt aus. Das senkt die Rohstoffkosten. Außerdem hat BYD für diese Lithium-Eisenphosphat-Zellen (abgekürzt LFP) eine spezielle Form erdacht. Sie erinnert an die Klinge eines Schwerts und wird darum Blade Battery genannt. LFP-Zellen haben nahezu kein Risiko des thermischen Durchgehens; sie können eng ins System gepackt werden und so den prinzipbedingten Nachteil von LFP-Zellen bei der Energiedichte kompensieren. Die daraus abgeleitete Plattform 3.0 arbeitet zusätzlich mit 800 statt 400 Volt Spannung. Diese Entwicklungsleistung ist so interessant, dass sich angeblich Tesla für den Zukauf dieses Bauteils interessiert, obwohl die kalifornische Firma die meisten Zellen vom eigenen Band laufen lässt.

„Es war eine fundamentale Fehleinschätzung der klassischen Autoindustrie, dass die Batteriezellen lediglich ein Zulieferteil sind“, sagt dazu Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor am Center Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Er ergänzt: „BYD wurde lange unterschätzt. Bei den elektrischen Nutzfahrzeugen sind sie der wichtigste Player, und in unserem Innovationsranking der Elektromobilität liegt BYD inzwischen auf Platz 4.“

Jetzt testet das chinesische Unternehmen erstmals das Interesse europäischer Kundinnen und Kunden. Wie bei so vielen Marken passiert das zuerst in Norwegen. Das Gesamtvolumen dort ist vergleichsweise klein, und zugleich ist die staatliche Förderung für Elektroautos extrem hoch. Eine gute Chance, sich auszuprobieren, zumal BYD im Februar die Produktion jener Pkws eingestellt hat, die ausschließlich mit Verbrennungsmotor funktionieren. Es gibt nur noch Batterie-elektrische Autos und Plug-in-Hybride.

Fehlendes Werkstätten- und Händlernetz

Und der Verkauf in Deutschland? „Ich rechne ab 2023 vermehrt mit chinesischen Herstellern, und ab 2025 dürfte das Angebot in die Breite gehen“, spekuliert Professor Bratzel vom CAM. Ein Hindernis für den Markteintritt ist, dass es kein Werkstätten- oder Händlernetz gibt. Aber Elektroautos haben einen geringeren Wartungsaufwand, weil sie zum Beispiel keinen Ölwechsel brauchen. Und Tesla zeigt, dass ein gut gemachter Onlinevertrieb akzeptiert wird.

Die Produkte von BYD jedenfalls sind vielversprechend. So gibt es den Kleinwagen Dolphin, der wie die meisten Elektroautos der Marke auf die PBlade-Batterie setzt. Der Dolphin wäre sehr willkommen im preisgünstigen Segment der Einsteigerautos. In Norwegen wird das SUV Tang verkauft. Der neue Van D9 der Submarke Denza könnte direkt mit dem Volkswagen ID.Buzz konkurrieren. Und die Limousine Seal wird demnächst eine echte Alternative zum Tesla Model 3 werden.

Neue und alte Joint Ventures

Stichwort Denza: Eigentlich war die Marke ein Joint Venture von BYD und der Daimler AG. Im Dezember aber wurde der zuvor gleich große Anteil des deutschen Konzerns auf zehn Prozent zurückgefahren und der des chinesischen auf 90 Prozent gesteigert.

Toyota, der zuletzt größte Autohersteller überhaupt, handelt anders und hat 2020 ein gleichteiliges Joint Venture mit BYD ins Leben gerufen. Wahrscheinlich wird das erste Elektroauto aus dieser Zusammenarbeit die Limousine Toyota bZ Sedan sein, die wiederum technisch mit dem BYD Seal eng verwandt ist. Über den Umweg der japanischen Marke könnte so ein quasi-chinesisches Produkt nach Deutschland kommen. Ein Umstand, der die Kunden bei in China gebauten Elektroautos wie dem Tesla Model 3 oder dem Polestar 2 genauso wenig interessieren dürfte wie beim Apple iPhone.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: BYD

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