Pflicht zum Recycling

Das Recycling von Traktionsbatterien funktioniert. Nur praktiziert wird es bisher nicht oder kaum: In der Vergangenheit mussten lediglich 50 Gewichtsprozent wiederverwertet werden. Jetzt aber hat die Europäische Union eine erhebliche Verschärfung der Vorgaben beschlossen. Ab 2027 müssen zum Beispiel 50 Prozent des Lithiums zurückgewonnen werden. Eine Quote, die aufwendige Verfahren erzwingt.

Man wolle, so sagt es das Mitglied des Europa-Parlaments Malte Gallée, „die europäische Recyclingwirtschaft zu einem weltweiten Paradebeispiel machen“. Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft sei es „unsere Aufgabe, die ökologisch nachhaltigsten Methoden zu forcieren“, sagt Gallée, der zur Fraktion der Grünen gehört.

Was aber passiert hier genau?

Das Recycling der Traktionsbatterien von Elektroautos ist noch nicht sehr wichtig. Ganz einfach, weil es viele Jahre dauern wird, bis relevante Mengen anfallen. Bedeutungslos ist das Recycling aber heute keineswegs: Beim Hochlauf von Fabriken zur Zellproduktion gibt es Ausschuss, und auch bei den Elektroautos im Bestand kommt es zu Ausfällen in der Garantiezeit, die je nach Fahrzeug bis zu einem Prozent betragen können.

Realität der thermischen Verwertung

Die derzeitige Recyclingquote von 50 Gewichtsprozent bezieht sich auf das Batteriesystem. Die Pflichtvorgabe ist im Regelfall erreicht, wenn die Module mit dem Aktivmaterial von der Verpackung – also der crashsicheren Hülle – getrennt werden. Auch das Kupfer in den Kabeln wird selbstverständlich aufbereitet.

Das Aktivmaterial in den Zellen, die zu Modulen zusammengefasst werden, werden derzeit aber meistens „thermisch verwertet“. Das bedeutet nichts anderes als die Verbrennung. Dieser Prozess ist exotherm: Die Mischung aus flüssigem Elektrolyten, dem Lithium, dem Grafit und anderen Materialien setzt bei der Verbrennung Energie frei. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch.

Im Ist-Zustand werden wertvolle Metalle also verschwendet.

Das Ideal des Recyclings konnte sich der Autor dieses Beitrags im Januar 2019 – mithin vor ziemlich genau vier Jahren – ansehen. Das Verfahren, das zu der Zeit von der Firma Duesenfeld bei Braunschweig entwickelt wurde, ist heute Benchmark und exemplarisch. Das Ziel ist immer, alle Metalle für die Produktion neuer Batteriezellen einsetzen zu können.

Zerlegen per Hand

Im ersten Schritt wird die Traktionsbatterie aus dem Elektroauto ausgebaut und tiefentladen. Der Reststrom unterstützt den Betrieb der Anlage. Anschließend wird das Batteriesystem per Hand zerlegt: Die Kabel, der Kühlkreislauf und die äußere Crashstruktur landen sortenrein in Gitterboxen.

Übrig bleiben die Module, in denen mehrere Zellen (zum Beispiel zwölf) inklusive des Aktivmaterials zusammengefasst sind. Bis zu diesem Punkt gleichen sich die Abläufe – und meistens kommt jetzt die thermische Verwertung: Bei 450 bis 500 Grad öffnen sich die Ventile der Zellen, der kritische Elektrolyt verbrennt schlagartig, und der Rest ist vorwiegend Abfall.

Bei Duesenfeld und inzwischen auch bei vielen anderen Betrieben folgt statt der thermischen Verwertung ein mechanischer Zerlegungsschritt: Das Modul wird in einer inerten Stickstoffatmosphäre geschreddert. Es kann nicht zu einer Entzündung kommen, weil der Sauerstoff fehlt. Anschließend wird der Druck stark reduziert, wodurch der Elektrolyt verdampft und durch Kondensation zurückgewonnen werden kann. Die Flüssigkeit hat zwei keinen hohen monetären Wert, aber durch die Abscheidung sind alle weiteren Abläufe viel ungefährlicher.

Black Mass

Die Reste des Batteriemoduls sind jetzt getrocknet und können durch bewährte Prozesse wie Magneten oder Luft weiter getrennt werden. Was übrigbleibt, ist die zerkleinerte Separatorfolie, Eisen- und Nichteisenmetalle und ein schwarzes Pulver.

Dieses schwarze Pulver ist der Kern der neuen EU-Vorgabe. Es beinhaltet das Lithium sowie die Kathodenmaterialien, meistens Nickel, Mangan und Kobalt. Fachkreise nutzen häufig den englischen Ausdruck Black Mass.

Die Black Mass kann in hydrometallurgischen Verfahren zu Lithiumhydroxid sowie Sulfaten von Nickel, Mangan und Kobalt aufbereitet werden. Das ist der eigentliche Fortschritt. Allerdings ist diese Aufbereitung der Black Mass noch nicht in der Breite etabliert, und außerdem lohnt sich das Verfahren betriebswirtschaftlich derzeit nicht. Es ist trotz drastisch gestiegener Rohstoffkosten preisgünstiger, neue Metalle zu gewinnen.

Hier setzt der Beschluss der EU an: Mit der Mindestquote von 50 Prozent des Lithiums für das Jahr 2027, die bis 80 Prozent im Jahr 2031 ansteigt, erzwingt der Gesetzgeber die aufwendige Rückgewinnung. Das ist eine völlig andere Qualität als bisher.

Neue Zellen müssen altes Material enthalten

Die zurückgewonnen Metalle müssen außerdem ab 2031 tatsächlich in neue Zellen eingebaut werden: sechs Prozent des Lithiums, sechs Prozent des Nickels, 16 Prozent des Kobalts und 85 Prozent des Bleis (auch Starterbatterien unterliegen der Quote) müssen aus der Kreislaufwirtschaft kommen. 2036 steigen die Mindestquoten auf zwölf Prozent des Lithiums, 15 Prozent des Nickels und 20 Prozent des Kobalts an.

Zwar gibt es auch Ausnahmen – so werden typische Hybridbatterien bis zwei Kilowattstunden Energieinhalt nicht adressiert – aber die Traktionsbatterien in Plug-in-Hybridautos und reinen Elektroautos unterliegen dem Gesetz. Es umfasst auch die digitale Kennzeichnung sämtlicher Zellen, um die Nachverfolgbarkeit zu gewährleisten.

Ein interessanter Aspekt ist, dass zur Kennzeichnung der CO2-Fußabdruck entlang der gesamten Wertschöpfungskette gehört. Es soll zusätzlich eine CO2-Obergrenze für den Lebenszyklus definiert werden. Eine Zelle, die mit Kohlestrom aus China hergestellt wurde, könnte also erheblich schlechter dastehen als eine, die in Schleswig-Holstein mit Windstrom produziert wurde. Hier eröffnen sich Möglichkeiten, sich von einzelnen Produktionsländern zu emanzipieren, ohne offensichtlich protektionistisch handeln.

Erschienen bei heise Autos.

Bildquelle: Duesenfeld

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