Der e-Golf von Tesla

Grünheide wird der härteste Konkurrent von Wolfsburg: Tesla baut in der brandenburgischen Gigafactory ein Elektroauto für 25.000 Euro. Es könnte ab 2027 auf die Straßen rollen – nahezu zeitgleich mit dem neuen Volkswagen e-Golf. Und wie so oft bei Tesla, ist das keine offizielle Information. Vielmehr berichten das Nutzer auf X , die sich wiederum auf Quellen in der Gigafactory berufen. Trotzdem gilt es in der Community als Fakt: Der 25.000 Euro-Tesla kommt. Aber wie kann es funktionieren, ausgerechnet in Deutschland ein preisgünstiges kompaktes Elektroauto zu bauen? Schließlich ist hier mit dem Model 3 Highland derzeit kein Tesla unter 45667,50 Euro exklusive Förderung zu haben.

Dass es grundsätzlich möglich ist, bezahlbare Elektroautos in Europa zu fertigen, hat zuletzt der Stellantis-Konzern gezeigt: Der Citroen e-C3 ist ab 23.300 Euro zu haben. Sechs weitere Modelle, unter anderem von den Marken Opel und Peugeot, werden auf der gleichen technischen Basis folgen. Der Citroen soll 320 Kilometer weit kommen und wird vier Meter lang sein.

Sehr wahrscheinlich aber orientiert sich Tesla nicht an den Autos im B-Segment, die nach der üblichen Einteilung Kleinwagen genannt werden. Stattdessen ist das Ziel, das C-Segment anzugreifen, also die Kompakt- oder Golf-Klasse.

Der Gegner ist Toyota

Das jedenfalls würde die bisherige Logik von Tesla bestätigen: Strategisches Ziel ist nicht Volkswagen, sondern der Weltmarktführer Toyota. Das Unternehmen hatte zuletzt die Gewinnprognose angehoben. Zum Ende des japanischen Geschäftsjahrs im März 2024 rechnet Toyota mit 28 Milliarden Euro durch den Verkauf von etwa 11,4 Millionen Autos. Niemand überzeugt mehr Menschen.

Allerdings könnte der Toyota RAV4, der meistverkaufte Pkw überhaupt, in diesem Jahr durch das Tesla Model Y abgelöst werden. Das ist kein Zufall: Tesla greift Toyota in den volumenstarken Segmenten an. Während das Model Y die SUVs attackiert, konkurriert das Model 3 mit Limousinen wie den Camry. In Kalifornien hat es die ideelle Position des Prius eingenommen – wer hip sein will, fährt Model 3. Und demnächst will der Cybertruck den Pick-ups von Toyota wie dem Hilux oder dem Tundra Marktanteile streitig machen.

Was Tesla fehlt, ist ein Wettbewerber zum Corolla. Der Corolla war über viele Jahre das international beliebteste Auto, bis es 2022 vom RAV4 überholt wurde. Die meisten Menschen finden den typischen Hybridantrieb besser als ein Elektroauto – noch. Toyota verhält sich gegenüber dem Elektroauto trotzig. Die Japaner wissen aus der Erfahrung mit über 20 Millionen Hybridautos eigentlich genau, wie eine Batterie produziert und gesteuert wird. Aber Toyota baut nicht mehr Elektroautos als notwendig. Dieses zögerliche Vorgehen ist die Chance für den 25.000 Euro-Tesla.

Wie teuer wird der kompakte Tesla?

Die konkrete Summe sollte mit Vorsicht bewertet werden. Vielleicht liegt hier schlicht ein Übersetzungsfehler oder zumindest ein Missverständnis vor: In der Vergangenheit war immer wieder vom 25.000 Dollar-Elektroauto die Rede. Im Regelfall sind damit die US-Preise ohne Mehrwertsteuer gemeint. Außerdem waren solche Ankündigungen bei Tesla immer zu optimistisch. Wer angesichts des kolportierten Preises euphorisch wird, sollte sich innerlich bremsen: Es ist plausibel, dass in der Realität 30.000 bis 35.000 Euro aufgerufen werden.

Ein Tesla im C-Segment, also der Kompaktklasse, die früher nach dem Golf benannt war, würde damit immer noch den Volvo EX30 unterbieten. Der wird bisher in China produziert, kostet ab 36590 Euro und bietet dafür 344 Kilometer Reichweite. Ab 2025 rollt der 4,24 Meter lange Volvo übrigens auch im belgischen Gent vom Band.

Gigacasting drückt die Kosten

Tesla wird bei der Konstruktion des kompakten Elektroautos außerdem das so genannte Gigacasting weiterentwickeln: Die Hilfsrahmen für die Fahrwerksaufnahme sind bei Model Y und Model 3 nicht aus vielen Einzelteilen geschweißt. Das kostet Zeit und verursacht Kosten. Stattdessen kommt eine riesige Presse des italienischen Zulieferer IDRA zum Einsatz: Die Hilfsrahmen bestehen aus jeweils einem einzigen Aluminiumdruckguss. Spekulationen besagen, dass in Zukunft der komplette Unterboden auf diese Weise gebaut könnte. Zweifel bestehen lediglich an der Reparaturfähigkeit nach einem Unfall.

Gefühlt genauso wichtig für Tesla ist, dass Toyota dieses Verfahren ebenfalls anwenden wird. Die Japaner sind das Vorbild bei der Autoproduktion an sich; es ist das höchstmögliche Kompliment, wenn Toyota diesen Prozess übernimmt.

Klar ist: Ein konsequentes Wachstum von Tesla geht nur über Elektroautos, die preisgünstiger sind als bisher. Die hochautomatisierte Fertigung ist in Deutschland gut umsetzbar; hier liegt weiterhin eine Stärke des Standorts. Von Grünheide aus wird der gesamte europäische Markt bedient werden. Tesla wird kein Vorreiter im C-Segment sein; hier gibt es bereits ein Angebot. Das größte Kapital der Marke ist weniger das tatsächliche Können der Elektroautos. Hier haben sich Wettbewerber wie der Hyundai Ioniq 6 längst abgesetzt. Vielmehr ist es das Vertrauen, dass einige Menschen inzwischen haben: Wenn Elektroauto, dann Tesla.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: X

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