Der unangenehme Rest

Der Pedelec-Boom hält an: 2019 hatte jedes dritte in Deutschland verkaufte Rad einen Elektromotor. Und das, obwohl die Preise hoch sind und es selten staatliche Förderung gibt. Der grundsätzliche Umweltnutzen von Pedelecs ist unumstritten: Wer das Auto stehen lässt und stattdessen das Fahrrad mit E-Antrieb wählt, verbraucht viel weniger Energie (rund eine Kilowattstunde auf 100 Kilometern) und bewegt sich an der frischen Luft. Das einzige kritische Bauteil am Pedelec ist die Batterie: eine Ansammlung von wertvollen Metallen inklusive des Konfliktmaterials Kobalt. Und die Batterie ist ein Verschleißteil mit begrenzter Lebensdauer. Was passiert eigentlich, wenn der Akku am Ende ist?

Marktführer Bosch garantiert eine Lebensdauer von 500 Ladezyklen. Diese Garantie gilt bei den besonders häufigen Akkus mit 400, 500 und 625 Wattstunden bis zu einer Grenze von 60 Prozent der Ausgangskapazität mit dementsprechend weniger Reichweite. Erst wenn weniger elektrische Energie entnommen werden kann, ist die Batterie nach dieser Definition ein Austauschfall. Und je nach Ausführung kostet der Ersatz locker 500 Euro.

Ein Szenario, das für viele Kunden längst Realität ist. 500 Ladezyklen multipliziert mit einer typischen mittleren Reichweite von 50 Kilometern ergeben 25.000 Kilometer Gesamtreichweite. Das ist zwar extrem viel für Gelegenheitsfahrer. Berufspendler schaffen diese Strecke dagegen in wenigen Jahren. Die Lebensdauer der Batterie kann auch unter falscher Handhabung leiden. Wenn Radler sie im Winter draußen aufbewahren oder immer wieder bis zur vollständigen Entladung fahren. Irgendwann ist dann Schluss im elektrochemischen Speicher.

Kostenfreie Rücknahme

Die gute Nachricht ist, dass es ein etabliertes Verfahren zur Rücknahme gibt: Das Batteriegesetz (BattG) verpflichtet den Pedelec-Besitzer nach §11, den Akku korrekt zu entsorgen und auf keinen Fall in den Hausmüll zu schmeißen. Das ist kein Problem, weil die Händler nach §9 BattG zur Rücknahme verpflichtet sind. Die Hersteller und Importeure wiederum haben nach §8 BattG für eine zumutbare und kostenfreie Rücknahme zu sorgen. In Deutschland gibt es für diese Anforderungen unter anderem die Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem (GRS), die vielen Menschen durch die Boxen in Supermärkten und Drogerien bekannt ist, wo sie Altbatterien aller Art einwerfen können. Pedelec-Akkus sollten beim Händler abgegeben werden. Teilweise nehmen auch kommunale Wertstoffhöfe die Batterien an.

Die GRS sammelt die verschlissenen Pedelec-Batterien und bringt sie zu Verwertungsunternehmen. Eine Pflichtquote beim Einsammeln gibt es noch nicht, aber bei der Effizienz des Recyclingverfahrens: Pedelec-Akkus sind als Industriebatterien klassifiziert und müssen gemäß der Europäischen Batteriedirektive zu mindestens 50 Gewichtsprozent recycelt werden. Auf Anfrage teilt die GRS mit, dass „einzelne Verfahren über 90 Prozent“ erreichen.

Und der Rest?

Mit diesem Verfahren ist konkret die Firma Duesenfeld in Wendeburg bei Braunschweig gemeint. Duesenfeld hat ein Prozedere entwickelt, in dem die vergleichsweise riesigen Batterien von Elektroautos mit besonders niedrigen CO2-Emissionen recycelt werden können: Im Vergleich zum klassischen Einschmelzen spart Duesenfeld nach eigener Aussage 4,8 Tonnen CO2 pro Tonne Batterie ein.

Vereinfacht gesagt werden die Zellen in einer Stickstoffatmosphäre geschreddert, sodass sich nichts entzünden kann. In diversen Verfahrensschritten ist es unter anderem möglich, die flüssigen Elektrolyten zurückzugewinnen. Viel wichtiger fürs Geschäft aber sind die vielen Metalle: „Wir können Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan, Kupfer und Aluminium trennen“, erklärt Firmengründer Christian Hanisch. Diese Metalle werden verkauft und teilweise direkt zur Neuproduktion eingesetzt.

Allerdings, schränkt Hanisch ein, sei man in der Lebenswirklichkeit heute erst bei 72 Prozent Effizienzquote auf Zellebene: „Technisch möglich wären heute schon 91 Prozent“, sagt der Verfahrenstechniker. Noch gehe zum Beispiel das Graphit verloren. Trotzdem befindet sich Duesenfeld in der Spitzengruppe beim Recycling, wo meistens nur etwa ein Drittel des Zellmaterials zurückgewonnen wird. Die Pflichtquote von 50 Prozent des Gewichts erreichen viele Recycler nur, weil sie Schutz- und Crashverpackungen mit einrechnen dürfen.

Sogar bei Duesenfeld bleibt jedoch ein Rest übrig, der nicht wiederverwertet werden kann. Dieses Material landet dort, wo es eigentlich nicht hinsoll: auf der Deponie oder bei der sogenannten Sonderabfallverbrennung. Das alles ist zwar rechtmäßig. Es zeigt jedoch die Grenzen der Kreislaufwirtschaft von Pedelec-Akkus. Auch die Auskunftsfreude der Recyclingunternehmen ist gering: Umicore zum Beispiel, einer der größten Betriebe dieser Art in Europa, hat auf mehrmalige Anfrage lediglich mit der Aussage reagiert, dass man die Recherche zum Verbleib der Reststoffe nicht mit einer Antwort unterstützen könne.

Höhere Pflichtquote erforderlich

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Europäische Union die Vorgaben fürs Batterierecycling deutlich verschärfen wird. Denn durch die zunehmende Produktion von Elektroautos ist ab der zweiten Hälfte des Jahrzehnts damit zu rechnen, dass erheblich mehr Batterien verschrottet werden. Die unterschiedlichen Metalle stellen einen erheblichen Wert dar und sie mussten unter hohem Aufwand gefördert werden. Da die Industrie oft jahrelangen Vorlauf braucht, um sich auf Gesetzesänderungen einzustellen, muss der Gesetzgeber rasch handeln, damit möglichst viel des Materials in einen Verwertungskreis kommt.

Von einer solchen Entwicklung wird auch das Recycling von Pedelec-Batterien profitieren und immer effizienter werden. Es ist noch nicht perfekt, aber auf dem richtigen Weg. Zwar bleibt es umweltfreundlicher, ein Rad ohne Hilfsantrieb zu fahren. Wer vom Auto oder dem ÖPNV aufs Pedelec umsteigt, bewegt sich trotzdem umweltschonender als zuvor. Und gesünder sowieso.

Erschienen bei ZEIT ONLINE.

Bildquelle: Bosch

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