Wie gut, dass wir vergleichen können! Das sagte sich das Rechercheteam des Magazins ZDF frontal 21. Die Redakteure besorgten drei Gebrauchtwagen mit Dieselmotor: einen Volkswagen Passat 2.0 TDI Variant, ausgerüstet mit dem EA189 inklusive der vom Hersteller eingeräumten Prüfstandserkennungs-Software. Dazu einen BMW 320d touring. Und einen Mercedes C200T CDI.
Das Vorhaben von ZDF frontal 21: Die drei deutschen Diesel-Pkw sollten auf einem Laborprüfstand zeigen, ob sie die gesetzlichen Grenzwerte bei den gesundheitsschädlichen Stickoxid-Emissionen einhalten. Im Anschluss, so der Plan, sollte der gleiche Zyklus – der gewöhnliche NEFZ – auf einer öffentlichen Straße nachgefahren werden, wobei die Emissionen mit einem PEMS (portable emissions measurement system) erhoben werden sollten.
Eine Idee, deren Umsetzung ausgesprochen schwierig war: In Deutschland fand sich keine Organisation, die zu einer unabhängigen Messung bereit war. So wichen die Akteure in die Schweiz aus, nach Bern an die Abgasprüfstelle der Fachhochschule. Der Beitrag sowie die detaillierten Ergebnisse sind inzwischen öffentlich zugänglich.
Auf dem Prüfstand werden alle Vorgaben eingehalten
Wie erwartet hielten alle drei Diesel-Pkw die Grenzwerte für die Stickoxidemissionen auf dem Laborprüfstand im NEFZ ein. Die Prüflinge waren nach Euro 5 zertifiziert, mussten also 180 mg/km unterschreiten. Und das taten sie erfolgreich: Der Volkswagen kam auf 127 mg/km; der BMW und der Mercedes emittierten jeweils 154 mg/km.
Ebenfalls gemessen wurden die CO2-Emissionen – dazu später mehr.
Die Rahmenbedingungen des Tests sind wichtig zum Verständnis: So wurde der NEFZ in der Definition „kalt“ gemessen. Das bedeutet, dass die Motoren und der Abgasstrang nicht warm gelaufen waren. Allerdings darf der NEFZ „kalt“ nicht mit einem Start an einem frostigen Wintermorgen verwechselt werden. Es herrschten über 25 Grad in den Laborgaragen, und dort standen die Fahrzeuge über Nacht, was im Jargon Vorkonditionierung heißt und den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Anschließend haben die gleichen Fahrer in den gleichen Autos vom Computer kontrolliert den gleichen Zyklus gefahren – nur eben außerhalb des Labors.
Dazu mussten zuerst die PEMS montiert werden. Diese wurden zuvor auf dem Prüfstand geeicht, indem die Daten des PEMS sowie des stationären Messgeräts verglichen wurden; die Abweichungen wurden später zu Gunsten der Hersteller von den Ergebnissen abgezogen.
Bei der Fahrt außerhalb des Labors wurde der NEFZ gesplittet: Der innerorts-Teil wurde auf dem ebenen Rollfeld des Flughafens Interlaken gefahren. Der Asphalt war trocken. Beim außerorts-Teil war das ZDF auf die Unterstützung der Schweizer Behörden angewiesen, die es mit Begleitfahrzeugen möglich machten, auf öffentlichen Straßen den NEFZ mit seinen Beschleunigungen, Konstantfahrten und Bremsungen exakt umzusetzen.
Hierbei waren die drei Diesel-Pkw warmgefahren.
CO2 steigt leicht, NOx extrem
Abseits des Labors stiegen die CO-Emissionen leicht an. So kam der Volkswagen Passat auf 156 statt auf die 141 Gramm pro Kilometer, die der Prüfstand ergeben hatte – ein Plus von elf Prozent. Ähnlich war es beim BMW (plus elf Prozent) und beim Mercedes (plus 14 Prozent).
Einen extremen Sprung machten dagegen die Stickoxid-Emissionen. Beim Mercedes wuchs der Messwert von 154 auf 553 mg/km an, von denen 420 mg/km übrig blieben, wenn man die Unterschiede der Prüfgeräte herausrechnet. Beim BMW stiegen die Emissionen von 154 auf 563 mg/km (nach Abzug der Gerätedifferenzen 428 mg/km). Und beim Volkswagen waren es statt 127 plötzlich 620 mg/km bzw. 471 mg/km nach Toleranzabzug.
Im Grundsatz entsteht so der Eindruck, dass sich diese drei Diesel-Pkw aus der gleichen Fahrzeugklasse und mit ähnlicher Motorleistung auch ähnlich verhalten.
Ein Beweis für eine Prüfstandserkennung im juristischen Sinn ist das aber keineswegs – nur ein Hinweis. Das Magazin ZDF frontal 21 ließ darum mehrere Fachleute vor der Kamera sprechen, die keine Erklärung für das starke Ansteigen der NOx-Emissionen außerhalb des Labors hatten. So sagt Professor Kai Borgeest vom Zentrum für Kfz-Elektronik und Verbrennungsmotoren an der Hochschule Aschaffenburg: „Technisch ist denkbar, dass auch die anderen Hersteller [Anm.: also BMW und Mercedes], die getestet wurden, Abschaltvorrichtungen in unterschiedlicher Art und Weise verwendet haben – sprich Funktionen der Software, die den Zyklus erkennen.“
BMW und Mercedes: Wir verwenden keine Manipulationssoftware
Diesen schwerwiegenden Verdacht weisen BMW und Mercedes scharf zurück.
„Eine Defeat Device, […] die die Wirksamkeit der Abgasnachbehandlung einschränkt, kommt bei Mercedes-Benz nicht zum Einsatz“ heißt es da und von BMW: „Bei der BMW Group wird nicht manipuliert. […] Bei unseren Fahrzeugen wird in der Abgasbehandlung nicht zwischen Rollen- und Straßenbetrieb unterschieden.“
Klar ist nach dem 22 Minuten langen Beitrag bei ZDF frontal 21 also lediglich, dass die Realemissionen selbst im NEFZ, einem ausgesprochen laschen Fahrprofil, erheblich von den Prüfstandswerten abweichen. Diese Beobachtung deckt sich mit Daten des Umweltbundesamts (UBA): Es geht davon aus, dass die tatsächlichen NOx-Emissionen innerorts zwischen Euro 1 (ab Erstzulassungsdatum 1. Januar 1993) und Euro 5 (ab 1. Januar 2011) nur von 720 auf 603 mg/km gesunken sind.
Die Berichterstattung zu den realen Abgasemissionen steht ganz am Anfang. Das gilt nicht nur für die NOx-Emissionen bei Diesel-Pkw. Auch die Partikelzahl von Ottomotoren wird bald in den Fokus geraten – Voraussetzung ist allerdings, dass mehr Institute für unabhängige Messungen offen sind und nicht nur die in der Schweiz, die in letzter Zeit mehrfach ihre wissenschaftliche Kompetenz zur Verfügung gestellt haben.
Zurück zur Sendung des ZDF. Es spielt den Ball am Ende zu der Behörde, die zuständig für den Verdacht einer Prüfstandserkennungs-Software ist: Das Kraftfahrtbundesamt, das wiederum dem Bundesverkehrsministerium mit Alexander Dobrindt zugeordnet ist. Die Redaktion hat dem Ministerium die Messergebnisse vorgelegt und gefragt, welche Konsequenzen daraus gezogen werden.
Eine Antwort gab es nicht.
Bildquelle: ZDF
Erschienen am 16. Dezember bei heise Autos.